
Meine Mitbloggerin Anna Koschinski stellt in ihrem Blog die Frage: „Warum hast du mit dem Bloggen angefangen?“ Hier meine Antwort:
Am Anfang stand ein Streit
Tatsächlich stand am Anfang ein Streit: „Ich kann es nicht mehr hören!“, schleuderte mir eine (ältere) Kollegin entgegen: Das Gejammer junger Mütter, sie seien durch Beruf und Kinderfürsorge doppelt belastet. Sie selbst pflege trotz Vollzeitstelle seit Jahren ihre alte Mutter und jammere auch nicht. Das sei ihre „Privatsache“ und meine eben auch, da ich entschieden habe, ein kleines Kind zu haben UND berufstätig zu sein.
Dieses (Streit-) Gespräch war die Initialzündung. Zwei Nachtschichten später stand meine Website und ich hatte meinen ersten Artikel verfasst: Privatsache? Ich fand – und finde – nämlich durchaus, dass der Spagat zwischen beruflichem Engagement und privater Fürsorge (der sogenannten „Care-Arbeit“) ein gesellschaftlich relevantes Thema ist und es zu einfach gedacht ist, (zeitweise) Überforderung damit auf die zu geringe Belastbarkeit einzelner Mütter oder Väter zu schieben.
Eine Gesellschaft ist so sozial wie die, die in ihr leben
Der Start meines Blogs war also durchaus kämpferisch – und gesellschaftliche Themen sind bis heute ein wichtiger Aspekt meiner Seite: mich interessiert z.B. sehr, wie eine Gesellschaft aussehen kann, die weniger den Erfolg und die Leistung des Einzelnen im Fokus hat, sondern durch soziales Handeln und Interesse am Gegenüber geprägt ist. Parallel zu meinem Blog setze ich das inzwischen auch im realen Leben um: sei es ein von mir organisiertes Kaffeetrinken mit meinen Nachbarn im Haus oder der mit einer Freundin initiierte Stammtisch für Allein- und Getrennterziehende: Netzwerke zu schaffen und sich (auch) im echten Leben wirklich zu begegnen ist ein wichtiges Thema für mich.
Vermutlich auch, weil ich nach der Trennung vom Vater meines Sohnes Anfang 2017 nach Wegen suchte, mich als (getrennt erziehende) Mutter mit kleinem Kind neu zu orientieren. Wir betreuen unseren mittlerweile dreijährigen Sohn fast zu gleichen Teilen in einem Wechselmodell – auch hierüber und über die verschiedenen Phasen der Neuorientierung als getrennt lebende Familie schrieb ich zahlreiche Artikel.
Und wie weiter?
Mein Blog ist mir in den letzten Monaten wichtig geworden. Ich finde es großartig, in ihm einen Raum zu haben, in dem ich andere an meinen Überlegungen zu psychologischen und gesellschaftlichen Themen teilhaben lassen kann. Ich erhalte auch immer wieder die Rückmeldung, Artikel seien bewegend oder gäben in irgendeiner Weise genau wieder, womit sich mein Gegenüber gerade befasse. Das Teilen meiner Gedanken in diesem Blog trägt dazu bei, dass ich auch im „echten“ Leben Menschen, die ich davor noch gar nicht kannte, schneller und „persönlicher“ kennen lerne – sie haben über das Lesen meiner Texte bereits einen Zugang zu mir erhalten, der sich ihnen sonst viel langsamer – wenn überhaupt – erschlossen hätte. Umgekehrt entstehen durch den Austausch über meine Texte tiefe und anregende Gespräche, die den Grundstock zu realen Freundschaften legen. Besonders begeisterte mich zuletzt meine erste selbst gestartete „Blogparade“ zur Frage „Was ist echte Stärke für dich?“: Innerhalb weniger Tage erhielt ich Dutzende Kommentare und zehn mir bis dato (weitgehend) unbekannte Menschen verfassten auf ihren Websites wunderbare, berührende und tiefsinnige Antwortartikel.
Freud und Leid des Bloggens
Die Kehrseite des Bloggens habe ich jedoch auch schon kennen gelernt: Eine Aufmerksamkeit, die sich durch „Klickzahlen“ oder gesammelte „Likes“ zeigt, kann einen regelrechten Sog entwickeln: Was, diesen Artikel haben in wenigen Tagen 120 Menschen gelesen? Beim nächsten sollen es noch mehr werden! Auch das Bloggen an sich, über so persönliche Themen, wie ich es tue, hat etwas Ambivalentes. Das Netz ist öffentlich, letztlich anonym und oft auch „stumm“: jeder kann meine, zum Teil sehr offen formulierten, Gedanken lesen, aber muss sich in keiner Weise dazu positionieren. Eine Reaktion wie in einem persönlichen Gespräch erhalte ich längst nicht immer – und andererseits bietet der Blog offensichtlich auch Raum für Projektion: so hat sich, zumindest nehme ich es so im Rückblick wahr, einmal ein Mann hauptsächlich aufgrund meiner Blog-Artikel in mich verliebt und dabei vermutlich übersehen, dass ein echtes Kennenlernen nicht in derselben Intensität und Geschwindigkeit stattfinden kann wie das „Kennenlernen“ eines anderen über seine geschriebenen Texte.
Mir selbst und anderen schreibend begegnen
Jawohl: das Bloggen ist für mich auch eine Art, mir selbst – und anderen – schreibend zu begegnen: die vielfältigen, bunten Erfahrungen, die sich in den letzten Monaten daraus ergeben haben, bestätigen, dass dieser Weg (gerade) der richtige für mich ist.
Vielleicht ermögliche ich in Zukunft anderen in Form von Workshops, im Prozess des Schreibens „Heimat“ in sich zu finden, sich selbst und andere besser zu verstehen und den ‚roten Faden’ in ihrer Biographie zu entdecken?
Mein Weg ist jedenfalls der der Begegnung: echt, liebevoll (zu mir und zu anderen), offen dafür, innerlich zu wachsen und mir und anderen immer wieder Raum zu geben, einfach zu sein. Ich bin erwartungsvoll, was sich dabei in meinem Blog – und über meinen Blog hinaus im „echten“ Leben -entwickelt. Der Grundstein ist gelegt!
Herzliche Grüße – und ein herzliches Dankeschön an alle, die mich als Leserinnen und Leser seit Beginn meines Blogs im April 2018 begleiten, meine Artikel teilen und kommentieren und diese besondere Art des Austauschs mit mir führen!
Sunnybee
PS. Ach ja… Wer ist „Sunnybee“? Und warum schreibe ich unter Pseudonym? Das erkläre ich hier.