Familie, Gesellschaft

Geboren in Frauenhände – Hebammen dürfen bei der Geburt kein Luxus werden (Teil 2/4)

Schlafendes neugeborenes Baby.

Teil 2 meiner Reihe rund um Familie, Geburt und Gesellschaft.

Hier geht es zu Teil 1, Teil 3 und Teil 4 der Serie.

Seit der Geburt unseres zweiten Sohnes sind inzwischen fast zwölf Monate vergangen – und noch immer ist mir sehr präsent, wie ich mich dabei fühlte, was gut lief, was sich weniger gut anfühlte und worüber ich auch im Nachhinein noch von Herzen dankbar bin. Ich werde hier im Blog keinen Geburtsbericht veröffentlichen – das ist mir doch zu persönlich. Vielmehr möchte ich auf ein Thema aufmerksam machen, das mir als zweifacher Mutter wirklich unter den Nägeln brennt: Hebammen sind in der Geburtshilfe, ebenso wie in der Vor- und Nachbetreuung von (werdenden) Müttern unentbehrlich und dürfen nicht aufgrund von Sparmaßnahmen im Gesundheitssystem zum Luxus für wenige werden.

Vom Fahrrad in den Kreißsaal

Ende September 2020 war es bei uns soweit: die Geburt unseres jüngeren Sohnes. Mittags fuhr ich den älteren noch mit dem Rad zum Kindergarten. Auf dem Heimweg spürte ich die ersten Wehen und kurz nach 16 Uhr war unser jüngerer Sohn bereits da. Eine schnelle Geburt, bei der ich heilfroh war, die Unterstützung meines Partners, zweier wirklich einfühlsamer und kompetenter Hebammen und am Ende auch einer Ärztin zu haben. 

Dabei hätte ich mich Wochen zuvor am liebsten für eine Hausgeburt entschieden. Mitten in der Corona-Pandemie stand die Möglichkeit im Raum, dass ich im Krankenhaus sogar unter der Geburt eine Mund-Nasenbedeckung würde tragen müssen. Außerdem würde mein älterer Sohn uns auf der Wöchnerinnenstation bis zu meiner Entlassung definitiv nicht besuchen dürfen und es war zeitweise nicht einmal sicher, ob mein Lebensgefährte bei der Geburt mit dabei sein dürfte. Alles Faktoren, die ich als belastend und abschreckend empfand. Kurze Zeit spielte ich sogar mit dem Gedanken an eine Alleingeburt, da es selbst in einer Großstadt wie Köln Monate vor der Entbindung unmöglich war, für eine Hausgeburt noch eine freie Hebamme zu finden. Aufgrund ständig steigender Versicherungsbeiträge ist es für viele Hebammen inzwischen schlicht nicht mehr finanzierbar, Frauen bei ihrer Geburt außerhalb einer Klinik zu begleiten. 

Das Glück einer positiven Geburt

Dass meine Geburt letztlich doch ein sehr schönes Erlebnis wurde, verdanke ich auch der Arbeit zweier wunderbarer Hebammen, die mich dabei einfühlsam, ruhig und kompetent begleiteten. Zu Beginn der Geburt erlebte ich jedoch, was die Schließungen von nicht voll ausgelasteten und damit nach Ansicht vieler Politiker/innen überflüssigen Geburtsstationen für gebärende Frauen bedeutet: Mit Wehen alle drei bis vier Minuten erhielt ich von der Klinik, bei der ich mich eigentlich angemeldet hatte, eine Absage, da diese voll belegt war und musste, die schon heftigen Wehen veratmend, mit einer weiteren Klinik telefonieren, ob diese mich im Kreißsaal noch aufnehmen würde. Zum Glück erhielt ich dort das Okay. Keine Stunde zu früh, denn als mein Lebensgefährte unseren Sohn zu einer befreundeten Nachbarin gebracht hatte und mich abholte, kamen die Wehen schon alle ein bis zwei Minuten. Wir schafften es in das 30 Autominuten entfernte Krankenhaus. Dort angekommen wurden wir von der Schicht habenden Hebamme ruhig und mit wacher, zugewandter Aufmerksamkeit empfangen. Ich kam direkt in den Kreißsaal, mein Partner kam einige Minuten später mit der Kliniktasche nach und begleitete mich noch rund eine Stunde weiter intensiv bei der Geburt. Unsere Hebamme und die ihr assistierende Hebammenschülerin ließen uns dabei – wie ich es mir wünschte – fast völlig freie Hand. In vollem Vertrauen, aber mit aller beruflichen Kompetenz, so dass sie sofort erkannten, als gegen Ende der Geburt etwas nicht so verlief, wie es sollte und unser Sohn und ich selbst weitere Unterstützung brauchten. So half uns schließlich eine hinzugerufene Ärztin, so dass unser Kleiner auch noch das letzte Stück in die Welt bewältigte. Dann war er da – gesund und wohlbehalten, nur rund 4 1/2 Stunden nach den ersten richtigen Wehen und nach einer kurzen, intensiven Geburt. Ohne Notkaiserschnitt. Aus eigener Kraft zur Welt gebracht. Zum großen Glück nicht allein, aber doch zu jedem Zeitpunkt selbstbestimmt, dank der tollen Zusammenarbeit von drei kompetenten Frauen, meinem Partner und mir. 

Verstörende Geburtserfahrungen

Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigen zahlreiche, zum Teil verstörende Geburtsberichte: Frauen, die unter der Geburt über Stunden quasi auf sich allein gestellt sind, weil im Kreißsaal zu wenige Hebammen zu viele Gebärende gleichzeitig betreuen müssen. Ein Zuviel an medizinischer Intervention, die den Geburtsverlauf stört und damit letztlich oft zu Notkaiserschnitten und körperlichen und seelischen Geburtsverletzungen führt. Überhaupt nicht ausreichend Kliniken mit Geburtsstationen, so dass – wie es zuletzt einer Mutter aus unserem neuen, ländlich gelegenen, Wohnort widerfuhr – Mütter im Extremfall ihr Kind statt in der Klinik auf dem Weg dorthin gebären

Ich selbst erlebte unter meiner ersten Geburt, was es bedeutet, in einem Kreißsaal zur „Stoßzeit“ zu gebären. Türen, die aufgerissen wurden, Hektik, schreiende Frauen in Presswehen, als wir den Kreißsaal betraten. Dazwischen über Stunden niemand, der mit mir und meinem Partner, der mich damals bei der Geburt begleitete, sprach. Gerade für Erstgebärende, die die körperlichen Vorgänge während der Geburt oft noch nicht einschätzen können, eigentlich ein untragbarer Zustand. Schließlich ein Schichtwechsel unmittelbar vor dem Ende der Geburt. Hätte ich diese Erfahrungen nicht innerlich stabil und in großem Vertrauen in mich und meinen Körper gemacht, hätte die Geburt für mich durchaus traumatisch und für mein Kind womöglich gar gefährlich verlaufen können. So kam ich lediglich mit einigen Geburtsverletzungen davon, erleichtert, alles trotz der widrigen Umstände so gut überstanden zu haben und stolz auf meinen Partner und mich selbst, die wir die Geburt unseres Ältesten auch im Krankenhaus mehr oder weniger „allein“ gemeistert hatten. 

Unterschied Hebamme und Ärztin

Meine zweite Geburt war im Vergleich dazu trotz eigentlich schwierigerer Bedingungen letztlich angenehmer, da eben unsere Hebammen das Ganze mit ihrer Ruhe, Freundlichkeit und Kompetenz auffingen – auch im Krankenhaus. Es mag ein Zufall gewesen sein, aber mir fiel doch die unterschiedliche Herangehensweisen von Hebamme und Ärztin auf. Während letztere mich quasi mit dem Satz begrüßte „Wir legen Ihnen jetzt einen Zugang!“, hatte ich bei den Hebammen das Gefühl, dass sie zwar sehr wohl auch die medizinischen Aspekte der Geburt im Blick behielten, den Geburtsvorgang aber eher mit respektvoller Ruhe begleiteten, als sofort aktiv einzugreifen und damit auch über mich zu bestimmen. 

Es mag längst nicht für jede Frau zutreffen, aber ich wusste, was ich bei meinen Geburten wollte: nämlich genau dieses Vertrauen, dass ich es schaffen würde – gegebenenfalls mit medizinischer Unterstützung, wie sie in unserem konkreten Fall ja dann auch kurzzeitig nötig wurde, aber eben nicht von Anfang an als medizinischer „Fall“, sondern vor allem als Frau, die „das Kind schon gebären“ würde. Genau diese Ruhe und das Vertrauen – gepaart mit geburtshilflicher Kompetenz – erfuhr ich bei meinen Hebammen. Und erlebte somit eine gute zweite Geburt. 

Vor- und Nachsorge in Hebammenhand

Zuhause begleitete mich dann über fast sechs Wochen meine ebenfalls großartige Vor- und Nachsorgehebamme. Auch ihr bin ich sehr dankbar. Und auch ihr wünschte ich, sie könnte mit ihrer Warmherzigkeit und Kompetenz Frauen, die dies wünschen, nicht nur vor und nach der Geburt, sondern auch währenddessen betreuen. Damit eine wirklich gute und Frauen zugewandte Betreuung nicht dem Zufall oder Glück überlassen bleibt, damit Hausgeburten und hebammengeleitete Geburten im Geburtshaus kein Luxus für wenige bleiben. Damit Gebären wieder zur Frauensache wird, was es Jahrtausende war. Mit allem Respekt für uns Mütter und die weisen Frauen, die uns bei der Geburt unserer Kinder begleiten. 

In meinem Blog schreibe ich immer wieder über die Stärke, den Mut und die Entschlossenheit von Frauen. Um diese Stärke entfalten zu können, brauchen wir Menschen, die uns unterstützen und positiv begleiten. Gerade in Schlüsselmomenten unseres (Frauen-) Lebens. Eine Geburt zähle ich definitiv zu diesen Schlüsselmomenten. Umso wichtiger, dass wir sie selbstbestimmt und stark erleben können, am besten mit einer Hebamme an unserer Seite!

Was ist eure Meinung?

Was meint ihr? Empfindet ihr Hebammen in der Geburtshilfe als ebenso wichtig wie ich? Habt ihr eigene Erfahrungen gemacht, die euch die Anwesenheit einer Hebamme – oder andererseits eines Arztes oder einer Ärztin – als unentbehrlich erscheinen lassen? Oder findet ihr die Diskussion über Kürzungen in der Geburtshilfe übertrieben?

Wie immer freue ich mich über eure Meinung. Schreibt sie gerne unter diesen Beitrag in die Kommentare oder teilt sie über Facebook oder Twitter mit mir!

Herzlich, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familienthemen und Mutter eines Babys sowie eines Kindergartenkindes. 

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[Foto: privat]

4 Gedanken zu „Geboren in Frauenhände – Hebammen dürfen bei der Geburt kein Luxus werden (Teil 2/4)“

  1. Bisher war mir nicht bewusst, dass so viele Frauen negative Geburtserfahrungen machen. Meine Freundin hatte eine positive Geburtserfahrung mit Unterstützung einer Hebamme und empfiehlt dies sehr. Ich wünsche mir, dass noch mehr Frauen diese positive Erfahrung machen können.

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