Familie, Gesellschaft

Im Kreißsaal ohne Partner? Eine positive Geburt in der Corona-Pandemie (4/4)

Frau mit Mund-Nasenbedeckung und Baby in der Trage

Teil 4 meiner Reihe rund um Familie, Geburt und Gesellschaft.

Hier geht es zu Teil 1, Teil 2 und Teil 3 der Serie.

Im letzten Teil meiner Serie rund um Familie, Geburt und Gesellschaft spreche ich mit Laura Städtler über ihre Geburt unter Extrembedingungen. Ende Februar 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, wird sie, akut an Influenza A erkrankt, in den Wehen mit dem Rettungswagen in die Klinik gebracht und erlebt dort unter strengen Hygienevorkehrungen die Entbindung lediglich in Begleitung der schichthabenden Hebamme. Warum sie ihre Geburt dennoch als positive – und sogar heilende – Erfahrung empfindet und was sie persönlich unterstützt hat, lest ihr im vierten und letzten Teil meiner Serie zu Familie, Geburt und Gesellschaft!

Laura, euer jüngstes Kind hast du alleine, ohne deinen Partner, auf die Welt gebracht. Erzähl doch mal, wie es dazu kam!

Nun, zunächst einmal leben wir ziemlich ab vom Schuss, ohne Eltern oder Schwiegereltern, die bei der Geburt auf unsere beiden älteren Kinder hätten aufpassen können. Und auch Freunde kannst du ja nicht mal eben fragen, wenn die Geburt mitten in der Nacht beginnt. Ich habe außerdem bereits zwei Geburten hinter mir und kann sagen, ich war von Anfang an nicht abgeneigt, diese Geburt alleine durchzuziehen, einfach weil ich gemerkt habe: bei einer Geburt kann dir außer der Hebamme eigentlich niemand wirklich helfen. Ich hatte sogar eher das Gefühl, wenn mein Partner dabei ist, achte ich vor allem darauf, wie es ihm geht. Bei meiner zweiten Tochter war die Geburt sehr schwer und endete in einem Notkaiserschnitt und im Grunde hat sich der Stress meines Partners auf mich übertragen. Ich hatte einfach das Gefühl, ich kann mich nicht hundertprozentig auf die Geburt konzentrieren.

Ich hatte hohes Fieber und Husten, als die Wehen einsetzten.

Nun hatte ich ein paar Wochen vor dem errechneten Geburtstermin die Grippe, also Influenza A, und habe aufgrund des hohen Fiebers und Hustens Wehen bekommen. Allerdings habe ich gar nicht gedacht, dass ich in diesem Zustand ein Kind auf die Welt bringen könnte und habe noch in der Badewanne liegend gehofft, dass die Wehen wieder aufhören. Dem war aber nicht so. Also haben wir den Notarzt gerufen. Das war zu Beginn der ersten Corona-Welle und die Sanitäter sind schon komplett verhüllt in Schutzanzügen angekommen. Es war klar, bei der Geburt darf außer der Hebamme, die auch komplett verhüllt war, niemand dabei sein. Außerdem wusste ich, ich habe jetzt ungefähr zwei bis drei Stunden Zeit, das Kind auf natürlichem Weg auf die Welt zu bringen, sonst machen die Ärzte vermutlich aufgrund meines Zustandes einen Kaiserschnitt, was ich bei dem starken Husten, den ich hatte, schon allein wegen der Wundschmerzen nach der OP vermeiden wollte.

Zum Glück hatte ich bei der Geburt eine super Hebamme. Sie wusste genau, was zu tun war, hat mir aber auch Ruhezeiten gelassen.

Im Kreißsaal hatte gerade eine super Hebamme ihre Schicht. Das war wirklich ein Glück! Sie hat mir ganz klar sagen können, welche Geburtsposition hilfreich war oder was ich tun konnte um die Geburt voranzubringen. Sie war so bei mir und bei der Sache – das hat mich sehr unterstützt. Und ich wusste ja, ich muss das jetzt schaffen – wobei jeder, der schon mal ein Kind bekommen hat, weiß, was für eine Scheiß-Arbeit das ist und dass es das absolut Wichtigste ist, dass man sich auf die Wehen einlässt. Man muss durch diesen Schmerz durchgehen und schauen, dass sich der Körper tatsächlich öffnet. Das habe ich bei dieser Geburt zum ersten Mal geschafft, weil ich einfach so bei mir war: ich habe mich nur auf mich und die Geburt konzentrieren können. Und unsere Tochter war tatsächlich, obwohl sie eine Sternenguckerin war, also mit dem Gesicht nach oben im Becken lag, nach zwei Stunden da! Komplett unproblematisch, ganz anders als bei den anderen zwei Geburten, die ein echter Horror waren. Daher würde ich tatsächlich, wenn ich nochmal ein Kind bekommen würde, es wieder ohne Partner machen, einfach, weil ich dabei konzentrierter bin und mich nur um mich selbst zu kümmern brauche. Und zumindest für mich ist es auch irgendwie mit Scham behaftet, wenn der Partner dabei ist. Das fiel alles weg, als ich alleine mit der Hebamme geboren habe.

Du hattest also eigentlich alle Voraussetzungen, dass die Geburt zu einer echten Horrorerfahrung hätte werden können: du warst schwer krank, wurdest mit dem Rettungswagen in die Klinik gebracht, musstest dort unter Zeitdruck dein Kind ohne selbstgewählte Begleitung zur Welt bringen – und trotzdem hast du die Geburt positiv erlebt?

Ich habe unser Kind nach der Geburt noch nicht mal halten dürfen. Sobald unsere Tochter da war, wurde sie weggebracht, damit ich sie nicht anstecke und ich durfte sie erst eine Woche später aus dem Krankenhaus abholen, als ich selbst wieder gesund war. Ich durfte sie also nur von Weitem sehen. Der Kinderarzt hat schon gewartet, sie haben sie eingewickelt und weg waren sie mit ihr. Und ich selbst musste am nächsten Tag nach Hause gehen, weil ich auf der Geburtsstation mit meiner Infektion nicht bleiben konnte. Also alles nicht optimal.

Wenn du eine Geburt ohne Begleitung planst, ist wichtig, dass du weißt, was körperlich auf dich zukommt.

Allerdings hatte ich den klaren Vorteil, dass ich schon wusste, wie eine Geburt abläuft. Wenn ich diese Erfahrung noch nie gemacht hätte und das alles hätte alleine durchstehen müssen, wäre es wahrscheinlich traumatisierend gewesen. Aber wenn du weißt, dass eine Geburt, auch wenn du nicht alleine bist, richtig schlimm sein kann, dann siehst du das anders. Und ich glaube, wenn man plant, eine Geburt ohne Begleitung durchzuziehen, ist es ganz wichtig, einen Geburtsvorbereitungskurs zu machen, damit man wenigstens in der Theorie weiß, was auf einen zukommt.

Für mich war es letztlich ein positives Erlebnis, weil ich gesehen habe, zu was ich fähig bin. Bei den ersten beiden Geburten hatte ich irgendwie das Gefühl, dass ich nicht in der Lage bin, das alleine zu schaffen. Und diesmal merkte ich: Ich kann es! Wenn das Setting stimmt und die Hebamme wirklich gut ist, wenn ich weiß, ich muss es durchziehen und wenn ich dabei nicht abgelenkt bin, dann schaffe ich das! Denn letztlich musst ja du selbst als Frau da irgendwie durch. Wenn dir jemand helfen kann, dann eigentlich nur die Hebamme. Meine Hebamme bei dieser Geburt wusste einfach, was zu tun war. Sie hat mir auch meine Ruhezeiten gelassen. Sie ist nicht ständig gekommen und hat gefragt, wie es mir geht. Sie hat einfach ihren Job beherrscht. Bei meiner ersten Geburt – eine geplante Hausgeburt, die abgebrochen werden musste – hatte ich eine eigene Hebamme dabei und mit der wäre das nicht möglich gewesen. Zu ihr hatte ich einfach keinen Draht. Sie hatte mich kurzfristig als Urlaubsvertretung übernommen und war mir von Anfang an unsympathisch. Wenn man also merkt, die Chemie stimmt nicht: sofort Finger weg davon!

Während der Geburt brauchst du niemanden, der zu dir sagt „Du Arme!“ Du musst vor allem dir selbst vertrauen.

Vertrauen ist das Wichtigste. Auch, dass man sich selbst vertraut und sich wirklich auf die Geburt einlässt. Viele Geburten scheitern vermutlich daran, dass Frauen das, was auf sie zukommt, vollkommen unterschätzen und dann in den Wehen verkrampfen und die Kraft dahingehend verschwenden, die Wehen und den Schmerz abzublocken. Du musst einfach bei dir sein und ich behaupte wirklich, das geht besser, wenn dein Partner nicht dabei ist. Du brauchst in der Situation nichts zu trinken, keinen Traubenzucker, kein „Ist nicht so schlimm!“ oder „Du Arme!“ Das braucht man einfach nicht. Du bist in einer Ausnahmesituation. Und gerade in der Situation, als ich so krank war bei der Geburt, hätte mein Partner, wenn er hätte dabei sein dürfen, mir vermutlich zu einem Kaiserschnitt geraten, um mich nicht zu gefährden. Wahrscheinlich kommt es auf den Menschen an. Ich selbst bin ein ziemlich pragmatischer Mensch, ich mache meine Erfahrungen, ziehe meine Schlüsse daraus und bei mir hat die Geburt ohne Partner einfach gepasst. Ich war nach der Geburt auch richtig stolz auf mich, das aus eigener Kraft geschafft zu haben!

Durfte nach der Geburt dein Partner zu eurer Tochter?

Nein, niemand dufte zu ihr, denn er hätte auch ohne Symptome Virusträger sein können und das war einfach zu gefährlich. Also haben sich in der Woche die Krankenschwestern auf der Neugeborenenstation um sie gekümmert. Ich selbst saß zuhause, mit der Milchpumpe und dem Foto, das die Schwestern vom Baby gemacht hatten… aber da unser mittleres Kind nach der Geburt lange schwer krank gewesen war, war das diesmal in Relation dazu gar nicht so schlimm. Und mir war einfach auch klar, dass ich das Baby schützen muss. Außerdem ist es ja auch nicht so toll, komplett krank ein Neugeborenes zuhause zu haben. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass ich meine Tochter nicht mit Grippe als Notfall hätte zur Welt bringen müssen – aber unterm Strich kann ich sagen: wir haben das Beste aus der Situation gemacht!

Wenn du auf die Geburt zurückblickst: wie würdest du sie beschreiben?

Die Geburt war schnell, unkompliziert und sie war, wahrscheinlich weil ich mich auf die Wehen eingelassen habe, auch die schmerzloseste. Für mich war sie die „Therapiegeburt“ nach den anderen zwei Geburten. Mir hat dabei wirklich geholfen, dass ich einen klaren Auftrag hatte. Dass ich mich so sehr darauf eingelassen habe, das Kind ohne Kaiserschnitt zu bekommen und dass eben auch die Hebamme wirklich genau wusste, was sie zu tun hatte. Ich hatte davor wirklich Angst vor der Geburt und wollte deswegen lange gar kein drittes Kind. Und jetzt weiß ich: Jeder, der eine schlechte Geburt hatte, kann danach auch eine gute haben.

Liebe Laura, herzlichen Dank für das beeindruckende und offene Gespräch!

Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familienthemen und Mutter eines Babys sowie eines Kindergartenkindes.

Mehr von Laura Städtler:

Schaut auf Insociallife.com vorbei, Lauras persönlichem Blog, auf dem sie über Feminismus, die Organtransplantation ihrer mittleren Tochter und ihren Alltag mit mittlerweile drei Kindern schreibt.

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[Foto: Pixabay]

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