Familie, Gesellschaft

Im Kreißsaal ohne Partner? Alleinerziehend und selbstbestimmt bei der Geburt (Teil 3/4)

Hand eines Erwachsenen hält die Hand eines Neugeborenen.

Teil 3 meiner Reihe rund um Familie, Geburt und Gesellschaft.

Hier geht es zu Teil 1, Teil 2 und Teil 4 der Serie.

Im dritten und vierten Teil meiner Reihe „Geburt und Gesellschaft“ kommen zwei Frauen zu Wort, die mich beide auf ihre Art beeindrucken. Anna Koschinski und Laura Städtler haben ihr Kind ohne Begleitung durch einen Partner zur Welt gebracht. Anna, die sich bereits in der Schwangerschaft vom Vater ihres Sohnes trennte, erlebte 2014 als Alleinerziehende die Geburt ihres Sohnes bewusst ohne den Vater ihres Kindes. Laura wiederum, die in einer festen Beziehung lebt, bekam ihre Tochter aufgrund recht dramatischer Umstände mitten in der Corona-Pandemie ohne ihren Partner. Ich habe mit beiden Frauen gesprochen. Ihre Antworten findet ihr hier sowie im vierten und letzten Teil meiner Serie zu Familie, Geburt und Gesellschaft. Viel Spaß beim Lesen der spannenden Protokolle!

Liebe Anna, du hast dein Kind ohne Partner zur Welt gebracht – und dennoch nicht allein. Erzähl doch mal!

Ich habe mich im dritten Monat der Schwangerschaft vom Vater meines Sohnes getrennt und ab da habe ich alles alleine gemacht, also auch die ganzen Voruntersuchungen. Nur bei einer war er dabei, aber das war mir selbst unangenehm und für mich war klar, bei der Geburt wollte ich ihn auf keinen Fall dabeihaben. Daher habe ich überlegt, wie mache ich das? Am Anfang war ich überzeugt, das mache ich alles alleine, da ich mich ohnehin bereits um alles allein gekümmert habe. Dann habe ich darüber natürlich mit meinem Umfeld geredet und meine Mutter hat mir angeboten, sie könne mitkommen. Aber das passte für mich irgendwie nicht. Also habe ich überlegt: mit wem wäre es denn überhaupt okay? Für mich kam eigentlich nur eine Person in Frage, meine beste Freundin. Die habe ich gefragt und sie hat sofort gesagt, klar würde sie das machen.

Meine Freundin hatte an meinem Kaiserschnitt-Termin ihren 30. Geburtstag.

Gegen Ende der Schwangerschaft stellte sich dann heraus, dass ich nicht würde natürlich entbinden können und damit ergab sich die Frage ob sie auch einen Kaiserschnitt mitmachen, also mit in den OP kommen würde. Dazu kam noch, dass der Termin auf den 30. Geburtstag meiner besten Freundin fiel! Also habe ich sie gefragt, ob das für sie in Ordnung sei. Und da es das war, hat sie mich begleitet. Sie hat dann reingefeiert in ihren Geburtstag, stand morgens am Krankenhaus mit zwei Litern Wasser und sagte: „Du, es war ein bisschen spät gestern, aber ich bin bereit!“ [lacht] Und dann haben wir das durchgezogen zusammen.

Eine Geburt ist ja eine ganz besondere und auch intime Situation. Habt ihr vor der Geburt darüber gesprochen, was dir – und deiner Freundin – dabei wichtig war?

Wir sind beide ziemlich pragmatische Menschen. Von daher haben wir gesagt: was kommt, kommt. Eigentlich war das die komplette Schwangerschaft über mein Motto: „Ich zieh das jetzt durch!“ Ich habe eben gemacht, was ich machen musste und so war das bei der Geburt auch. Wichtig war mir, dass meine Freundin direkt nach der Geburt für meinen Sohn da sein konnte. Bei einem Kaiserschnitt wirst du ja hinterher eine Dreiviertelstunde zugenäht und in der Zeit bist du eben im OP und das Kind hat dann halt niemanden. Und das wollte ich auf keinen Fall. So hat dann mein Sohn seine erste Stunde mit meiner besten Freundin verbracht und das war gut. Meine Freundin durfte auch die Nabelschnur durchschneiden. Sie hat im Grunde alles übernommen, was sonst der Vater gemacht hätte.

War das organisatorisch schwierig, weil ihr nicht verwandt oder verheiratet wart?

Sie war einfach dabei und so war es dann. Ich habe sie auch bei der Anmeldung im Krankenhaus nicht namentlich angeben müssen.

Bist du also zufrieden damit, wie die Geburt für dich gelaufen ist?

Weißt du, meine Freundin und ich haben rumgewitzelt bei der Geburt. Für mich war das ein Termin, der einfach nötig war. Und es waren ja ohnehin super viele Menschen bei der Geburt dabei: die Anästhesistin, zwei Chirurgen und noch eine OP-Schwester. Man hat da auch nicht so viel zu tun: die operieren und erzählen einem, was sie machen, aber du kannst das ja nicht sehen. Ich hatte diese romantische Vorstellung der Geburt als etwas Großes und Bedeutendes ohnehin nicht. Für mich war das etwas, was eben passieren muss, einfach als biologischer Vorgang und von daher war es gut, eine Unterstützung zu haben. Jemanden, der mich kennt und der auch weiß, wie ich in solchen Situationen bin. Und man ist dann natürlich auch nicht alleine unter diesen ganzen Ärzten und an sich fremden Menschen.

Es war ein gutes Gefühl, unter den Ärzten und Hebammen nicht allein zu sein.

Bei mir war es zum Beispiel so, dass das Baby direkt nach der Geburt nicht geschrieen hat. Die haben das Kind also rausgeholt und dann war es erst mal weg zur ersten U-Untersuchung. Die sind einfach nur an mir vorbei und raus, damit das Kind aus dem kalten OP ins Warme kam, ich habe meinen Sohn zuerst also gar nicht gesehen. Ich fand das an sich nicht so dramatisch, aber ich habe eben auch nichts gehört. Und in der Situation hat es mir natürlich doch geholfen, dass ich meine Freundin fragen konnte: was ist da los, hast du was gehört? Da ist man zumindest nicht so alleine.

Was hast du während der Geburt als unterstützend empfunden?

Ich glaube, es ist einfach hilfreich, jemanden zu haben, dem man vertraut und der wirklich auch weiß, wie man tickt. Denn das ist ja schon eine sehr intime Situation. Dann einfach zu wissen: es ist für alle in Ordnung und wir machen hier unseren Job gemeinsam, das hat mir geholfen. Und eben auch zu wissen, dass in der Zeit direkt nach der Geburt, in der ich nicht da sein konnte, mein Sohn eben mit meiner Freundin statt mit mir zusammen war und mit ihr kuscheln konnte.

Wie hat deine Freundin die Geburt erlebt?

Sie war auf jeden Fall aufgeregt. Es war auch ihre erste Geburt und als Frau erlebt man die Geburt ja meist nicht aus der Perspektive der Begleitenden. Dazu kommt natürlich auch, dass mein Sohn genau an ihrem Geburtstag geboren wurde – ich glaube, für uns beide war das eine neue und aufregende Situation. Natürlich auch eine Situation, in der man wenig kontrollieren kann, aber irgendwie auch gut.

Wären für dich auch andere Möglichkeiten der Begleitung wie eine Doula oder Beleghebamme in Frage gekommen?

Nein, das war kein Thema für mich. Das wären für mich auf jeden Fall Fremde gewesen, dann hätte ich die Geburt eher ganz alleine gemacht. Ich vertraute einfach mir selbst. Ich dachte: Ich kriege das schon hin und wenn nicht, dann gibt es die moderne Medizin.

Gibt es etwas, was du Müttern, die ihre Geburt alleine planen, raten würdest?

Ich glaube, wichtig ist einfach, den Umstand, dass man alleine ist, nicht als Mangel anzusehen. Also nicht im Sinn von „Oje, ich habe meinen Partner verloren, das arme Kind!“ Sondern eher zu schauen, was kannst du gewinnen aus der Situation? Ich glaube, wenn man schon in der Schwangerschaft das meiste alleine macht, ist die Geburt ein Moment, in dem man sich noch einmal auf seine eigenen Stärken konzentrieren kann. Ohne dass einer einem da reinredet. Hinterher, im Alltag als Alleinerziehende, ist es ja auch nicht immer ein Nachteil, alleine zu sein. Ich finde es natürlich nicht immer toll, aber es gibt mir doch eine gewisse Entscheidungsgewalt und Kontrolle. Genau das kann bei der Geburt selbst auch ein Vorteil sein. Meine Freundin hatte zudem eine andere Perspektive, dadurch, dass es nicht ihr Kind war, das da geboren wurde. Sie konnte sich also ganz auf mich konzentrieren und mich unterstützen, statt sich womöglich, wie es vielleicht beim Vater gewesen wäre, vor allem Sorgen um das ungeborene Kind zu machen.

Zu sagen, ich mache die Regeln, kann eine Stärke sein!

Ich kann allerdings auch sagen: Ich bin einfach so, ich vertraue mir generell sehr und bin auch in Bezug auf die Geburt davon ausgegangen, dass mein Körper das hinbekommt – und ich auch. Ich glaube, es ist, auch in der Schwangerschaft, wo man vieles nicht beeinflussen kann, wirklich sehr wichtig, sich auf das zu besinnen, was man beeinflussen kann. Dazu gehört zum Beispiel das Umfeld. Dass man sich wirklich bewusst aussucht, mit wem man sich umgibt. Ich habe auch nach der Geburt alle gebeten: lasst mich bitte während der drei, vier Tage, die ich im Krankenhaus bin, in Ruhe! Es kann also eine Stärke sein, zu sagen: „Ich mache die Regeln!“, auch gegenüber Ärzten und Hebammen. Ich wollte zum Beispiel am vierten Tag nach Hause und obwohl der Arzt meinte, ich sei doch allein, ich könne ruhig noch einen Tag bleiben, hat er letztlich meine Entscheidung akzeptiert.

Welche Unterstützung hattest du als Alleinerziehende in der ersten Zeit zuhause?

Ich hatte eine Wochenbetthebamme, die allerdings eher nach meinem körperlichen Befinden, also zum Beispiel der Kaiserschnittnaht, geschaut hat. Ihr habe ich auch gesagt: wenn ich Fragen habe, werde ich mich melden und ich habe selbst einfach geschaut, was passiert. Ich habe auch meinem Sohn vertraut, dass er mir schon mitteilen wird, was er braucht.

Es geht vor allen Dingen darum, nicht vor allem Angst zu haben.

Daneben hatte ich aber natürlich auch mein Netzwerk. Ich lebe zum Beispiel in einem Haus, in dem es tatsächlich noch eine funktionierende Nachbarschaft gibt. Ich wusste also, dass ich potentiell Unterstützung habe. Aber ich habe auch bewusst gesagt, ich mache das meiste alleine. Natürlich ist meine Mama ab und zu vorbeigekommen und hat mir auch mal Essen vorbeigebracht, aber letztlich war alles gar nicht so dramatisch: ich habe einfach gemacht, was gemacht werden musste. Die Wäsche oder der Haushalt haben mich dabei erst mal gar nicht interessiert. Soviel Wäsche entsteht ja auch nicht in einem Haushalt mit einem Menschen und einem Baby…

Ich glaube, es geht vor allen Dingen darum, nicht vor allem Angst zu haben. Natürlich, Babys sind klein und man muss erst mal schauen, was passiert. Aber das Schwerste hast du mit der Geburt ja eigentlich schon hinter dir. Und für Dinge, die ich alleine nicht regeln konnte – in der ersten Zeit durfte ich zum Beispiel nicht schwer tragen – hatte ich Unterstützung durch meine Freundinnen oder meine Mutter. Mein Sohn hat eine Menge „falsche Tanten“ [lacht] – so nennt er meine Freundinnen heute noch. Es ist hilfreich, sich bewusst zu machen: wenn eine Schwierigkeit kommt, kann ich sie irgendwie beheben und mir Hilfe holen. Sich von vornherein zu sorgen, hemmt. Aber natürlich muss man zu der Haltung erst mal kommen. Es hilft meiner Meinung nach, sich zu sagen: ich habe bis hierhin doch schon ein ganzes Stück Leben geschafft, warum soll ich diese Situation nicht als neu und spannend annehmen und neugierig sein, was passiert?

Meine erste Frage war immer: was muss ich tun? Die zweite: was tut mir gut?

Meine erste Frage war immer „Was muss ich jetzt tun, was ist meine Aufgabe?“ Aber dann als zweites „Was tut mir gut? Was möchte ich eigentlich gerne?“ Die Idee, ich überfordere oder belaste andere mit meiner Situation, ist eigentlich verkehrt. In den allermeisten Fällen war die Reaktion der Leute, die ich um Hilfe gebeten habe, positiv. Ich habe zum Beispiel allen Leuten, die mich besuchen wollten, gesagt: „Ich möchte dieses bestimmte gefüllte Puddingteilchen vom Bäcker nebenan. Wenn du mich besuchst, bring das bitte mit!“ Das tat mir einfach gut und ich habe mich dann doppelt über den Besuch gefreut. [lacht] Natürlich war ich auch manchmal verzweifelt und traurig und dachte: „Ach, es wäre schön, jetzt jemanden zu haben, der einfach mal da ist!“ Aber ich fand es immer hilfreich, darauf zu schauen, was ich eigentlich habe – und was mir schon gut gelungen ist. Gerade als Alleinerziehende finde ich es eigentlich fürchterlich, wenn jemand zu mir sagt: „Was du machst – ich könnte das nicht!“ Ich habe sogar einmal einen Blog-Artikel darüber geschrieben, dass Mitleid Alleinerziehenden eben nicht hilft und was Freundinnen und Freunde statt dessen tun können.

Liebe Anna, herzlichen Dank für deine Offenheit und Bereitschaft zu unserem Gespräch! Und herzlich alles Gute dir und deinem Sohn.

Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familienthemen und Mutter eines Babys sowie eines Kindergartenkindes.

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Annas berufliche Website als Blog-Coach und Web-Texterin

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[Foto: Pixabay]

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