alleinerziehend, Familie

Schatzkiste für kleinste Familien: Impulse für das Leben allein mit Kind (2)

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Folge 2: Streiten mit Kind

Thema unserer zweiten „Schatzkiste für kleinste Familien“ ist das Streiten. Unsere Kinder streiten sich untereinander, wir streiten mit ihnen und auch unter uns Erwachsenen bleibt nicht immer alles friedlich. Eine besondere Situation ist das Streiten in Ein-Eltern-Familien oder in Familien mit getrennt erziehenden Eltern. Nicht nur hat es vor der Trennung oft bereits einiges an Streit gegeben und Kinder haben die Konfliktkultur ihrer Eltern quasi „live“ miterlebt. Auch nach der Trennung ist es etwas anderes, ob sich, wie in „kleinsten Familien“ üblich, zwei Menschen ohne Ausweichmöglichkeit miteinander auseinandersetzen müssen oder ob sich z.B. im Rahmen des Wechselmodells oder einer Patchwork-Konstellation bei einem Konflikt verschiedene, zum Teil gegensätzliche, Stimmen zu Wort melden.

Nicht zuletzt ist Streit auch etwas Essentielles für eine tiefe Verbindung. Nicht umsonst setzen wir uns mit den Menschen am meisten auseinander, die uns am wichtigsten sind. In welcher Form Streiten somit auch konstruktiv und für unsere Beziehungen fruchtbar sein kann, darüber sprechen Bernadette und ich hier!

Wer wir sind?

Bernadette Conrad, Mutter einer inzwischen 19-jährigen Tochter, erfolgreiche Autorin (u.a. „Groß und stark werden. Kinder unterwegs ins Leben“, „Die kleinste Familie der Welt“) und seit Geburt ihrer Tochter alleinerziehend und Sarah Zöllner, Mutter eines vierjährigen Sohnes, getrennt erziehend und seit kurzem ebenfalls Autorin ihres ersten Buches („Alleinerziehend – und nun? Texte der Stärkung bei Trennung und Verlust“).

Bernadette:

Bernadette Conrad, deutsche Autorin

Manchmal, wenn wir streiten, meine Tochter und ich, renne ich aus dem Raum. Irgendwann wurde mir klar, dass ich da einem alten Muster folge, das ich selbst gar nie richtig überprüft habe. Mein Vater hatte die Art, Ärger oder auch Wut zu äußern, und bevor man reagieren konnte, den Raum zu verlassen.

Ganz schlecht. Ich konnte nicht lernen, dass es beim Streiten ja gerade darum geht, sich mit einem realen Gegenüber auseinanderzusetzen. Seit mir das bewusst ist, versuche ich es zu ändern, – oder zumindest mehr darauf zu achten, „da zu bleiben“.

Umso mehr, als ich schon lange weiß, dass Streit in einer aus zwei Menschen bestehenden Kleinstfamilie härter für das Kind ist als er es wäre, wenn es auch mal zum Papa rennen, oder sich mit einem Geschwister gegen die Mama verbünden könnte. So habe ich zumindest gelernt, nicht für lange Zeit sauer oder beleidigt zu sein, sondern schnell wieder den Kontakt zu suchen.

Denn Streiten ist ja etwas viel Grundsätzlicheres ist als eine „Meinungsverschiedenheit“. Lange bevor ein kleiner Mensch so etwas wie eine „Meinung“ haben kann, behauptet er sein eigenes Selbst, wenn er sich dem anderen Menschen entgegensetzter grenzt es ab, er spürt es, und provoziert, um die Grenze des Gegenübers zu spüren.

Ich habe es längst nicht immer geschafft – und schaffe es auch heute nicht immer – DA zu bleiben, wenn wir streiten. Aber spätestens, wenn ich den Raum verlasse, merke ich: sie braucht mein „da bleiben“. Sie muss spüren, wo ich stehe und wer ich bin. Und so habe ich unterschiedliche Weisen entwickelt, um sie das spüren zu lassen. In manchen Phasen haben wir uns gegenseitig Briefe unter der Tür durchgeschoben: Dann fand die Auseinandersetzung so statt. Manchmal schlägt eine von uns einen anderen Zeitpunkt und Ort vor: Hast du heute Abend Zeit für ein Gespräch in Ruhe? Etwas kann meine Tochter viel besser als ich: deutlich machen, dass es mal wieder Zeit für eine Umarmung ist nach einem Streit, manchmal sogar mitten in einem Streit. Um zu spüren, dass Streiten ja nichts zu tun hat mit sich weniger lieben.

Denn – ein Kind (oder Kinder) haben ist, finde ich, nicht nur eine Schule des Liebens, sondern auch eine Schule des Streitens. Mit niemandem sonst habe ich annähernd so sehr gelernt – und lerne ständig weiter – dass es im Leben  überhaupt nicht um Streitvermeidung gehen kann, sondern darum, eine für sich und die anderen gute, konstruktive Art des Streitens zu erlernen.

Streiten zu zweit ist Nahkampf, sozusagen… mit der Chance, nicht als Sieger und trotzdem gestärkt aus dem Ring zu gehen.

Sarah:

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In unserer Familie streiten wir gerade viel. Mein vierjähriger Sohn knallt dabei auch mal mit Türen oder gibt mir lautstark Paroli. Er hält mir durchaus einen Spiegel vor, denn in der Auseinandersetzung mit mir nahen Menschen bin auch ich manchmal laut und unbeherrscht. Streiten ist nichts Angenehmes für mich. Aber manche Konflikte lassen sich eben nicht in gemäßigtem Ton und rundum achtsam austragen, zumindest nicht, während die Gefühle hochkochen.

Umso wichtiger finde ich die Auseinandersetzung miteinander nach einem ernsthaften Streit: Meinen Sohn nehme ich hierzu oft in den Arm oder setze mich dicht neben ihn. Mir ist wichtig, ihm zu zeigen: „Auch wenn ich im Streit wütend auf dich war – ich habe dich dennoch lieb.“ Oft kann er mir erst nach einiger Zeit sagen, was ihn beschäftigt. Auch bei uns Eltern folgt manchmal erst nach dem Streit das konstruktive Gespräch: warum bist du gerade so explodiert? Was war dir so wichtig, dass du es mit Händen und Füßen verteidigt oder lautstark eingefordert hast? Erst jetzt beginnen wir, einander zuhören, statt auf unserem Standpunkt zu beharren. Im besten Fall entsteht so statt weiterer Verletzung gegenseitiges Verständnis.

Gerade in Familien mit zwei Eltern (getrennt erziehend oder nicht) stoßen ja oft zwei sehr unterschiedliche Vorstellungen davon aufeinander, „wie etwas zu sein hat“. Für ein Kind ist es auch nicht immer leicht, sich zwischen diesen Positionen zu orientieren. Umso wichtiger finde ich, dass unter Eltern auch bei gegensätzlicher Meinung keine gegenseitige Abwertung stattfindet. Sonst lernen unsere Kinder nämlich nicht den guten Umgang mit Konflikten, sondern lediglich, dass der, der lauter schreit – oder sich hartnäckiger zurückzieht – „gewinnt“. Und darum geht es meiner Meinung nach gerade nicht beim Streiten. Aus einem fruchtbaren Streit gehe ich nicht als Siegerin hervor. Statt dessen haben wir im besten Fall wieder ein Stück weit besser verstanden, was wir gegenseitig brauchen und uns versichert: unsere Beziehung ist stark. Sie hält viel aus – auch mal eine (lautstarke) Auseinandersetzung!

Was sind deine Erfahrungen mit dem Streiten innerhalb eurer Familie?

Welche „Streitkultur“ pflegt ihr in eurer Familie? Werden bei euch Konfliktpunkte offen und lautstark angesprochen oder eher unter den Teppich gekehrt? Mit welchen Gefühlen ist für dich Streiten verbunden? Magst du die Art, wie ihr streitet oder würdest du dir für dich und dein Kind, bzw. deine Kinder, etwas anderes wünschen?

Wir freuen uns, wenn du dich an unserem Online-Gespräch beteiligst!

Die erste Schatzkisten-Folge findest du übrigens hier. Thema: Flexibilität.

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Unsere nächste Schatzkiste?

Unsere nächste „Schatzkiste für kleinste Familien“ findet ihr hier im Blog am 01. August 2020 (immer am ersten Samstag im Monat). Das Thema: „Typisch Mann. Typisch Frau“: Welche Rollenbilder und Klischees geben wir an unsere Kinder weiter?“ Wir freuen uns auf euch!:-)

Herzlich: Sarah und Bernadette

 

 

3 Gedanken zu „Schatzkiste für kleinste Familien: Impulse für das Leben allein mit Kind (2)“

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