alleinerziehend, Familie, Partnerschaft

Ganzes Kind. Halbe Zeit – meine Erfahrungen mit dem Wechselmodell

Waffeln in Herzform

Mein Ex-Freund und ich haben einen kleinen Sohn. Wir sind seit gut einem Jahr getrennt. Seitdem teilen wir Umgangszeit und Fürsorge fast genau zu 50%, praktizieren also das „Wechselmodell“ (auch Paritätsmodell oder Doppelresidenzmodell genannt), das Wikipedia wie folgt definiert:

Regelungen zur Betreuung gemeinsamer Kinder […], wenn diese nach einer Trennung ihrer Eltern in beiden Haushalten zeitlich annähernd gleichwertig betreut werden. Beide Elternteile bieten dem Kind ein Zuhause, in dem es sich abwechselnd aufhält.

Meiner Meinung enthält die Definition zwei Aspekte, die für das Gelingen dieser Form des Umgangs essentiell wichtig sind.

1) Regelungen zur Betreuung

Das Wechselmodell basiert auf Absprachen. Diese müssen verbindlich sein – und gleichzeitig erlauben, auf Unvorhergesehenes zu reagieren. An diesem Modell ist nichts statisch – und meiner Meinung nach sollte eine Festlegung, z.B. in der Form „eine Woche beim Vater, eine bei der Mutter“ auch nicht juristisch erzwungen werden. Was „passt“ (Wie lange bleibt das Kind bei welchem Elternteil? Wo und wann finden die Übergaben statt? Wer zahlt wofür und wer kümmert sich um welche organisatorischen Dinge des Alltags?) sollte vielmehr in regelmäßigen Abständen gemeinsam überprüft und ggf. neu „verhandelt“ werden – angepasst an das Alter, den Entwicklungsstand und die Bedürfnisse des Kindes sowie die Lebensumstände der Eltern.

Ganz klar: das erfordert ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft und auch Bereitschaft zur Kommunikation zwischen den Eltern – zu einem Zeitpunkt, an dem man mit dem anderen vielleicht am liebsten gar keinen Kontakt mehr hätte. Verletzte Gefühle sowie Erwartungen und Konfliktpunkte aus der Zeit als Paar können im Rahmen organisatorischer Gespräche blitzschnell wieder hochkommen – schon ist der schönste Streit im Gange, auch nach der Trennung… Ich habe das selbst mit meinem Expartner erlebt und wir haben „Entlastungsmöglichkeiten“ gefunden: z.B. keine Absprachen „zwischen Tür und Angel“ bei den Übergaben. Was strittig sein könnte wird per SMS geklärt, mit Bedenkzeit für beide Seiten. Und auch nicht zu viel Information zum Leben des jeweils anderen („Was hast du am Wochenende gemacht?“ „Wie geht es dir?“) Unsere Gespräche beziehen sich hauptsächlich auf unseren Sohn, aber hierbei eben auch mal mit der Frage, wie der andere eine bestimmte Situation („Will er bei dir beim Abendessen auch immer auf dem Tisch klettern?“ „Ist er bei dir beim Abgeben in der Kita auch so anhänglich?“) einschätzt und auf sie reagiert.

Meiner Meinung nach ist es eine Riesenchance, getrennt noch in diesem Sinn Eltern zu bleiben. Ich persönlich empfinde es auch als entlastend: das Gefühl, „allein auf weiter Flur“ mit allen Entscheidungen und aller Verantwortung unserem Sohn gegenüber zu sein, ist dadurch längst nicht so stark, wie es vielleicht wäre, wenn ich tatsächlich jeden persönlichen Kontakt zu meinem Expartner abgebrochen hätte.

Andererseits sehen wir uns durch die Übergaben, wenn wir sie nicht über das Abholen aus der Kita regeln können, noch relativ häufig und stehen insgesamt noch in recht regem Kontakt. Das verzögert die Ablösung voneinander als Paar natürlich. Noch ist keiner von uns eine neue Partnerschaft eingegangen – sollte es eines Tages soweit sein, wird das für uns beide sicher eine weitere Herausforderung werden.

2) Ein Kind – zwei Zuhause 

A propos Herausforderung: Einen für Kind, Eltern, Arbeitgeber funktionierenden „Betreuungsplan“ zu organisieren, finde ich immer wieder eine Herausforderung. Meine Arbeitszeiten als Lehrerin ändern sich jedes Halbjahr (in der Schulart, in der ich unterrichte, findet der Unterricht semesterweise statt), d.h., mindestens zweimal im Jahr müssen wir uns zusammensetzen und neu verhandeln: wer holt unseren Sohn wann ab und kann ihn wann zur Kita bringen? Wie viel kinderfreie Zeit ist für jeden von uns drin? Wann brauchen wir die Babysitterin und wer muss sie bezahlen?

Bei all der Organisation soll unser Sohn vor allem eines haben: zwei Zuhause, also zwei Orte, an denen er sich wohlfühlt, wo seine Spielsachen auf ihn warten, ebenso wie das – im jeweiligen Zuhause gewohnte – Zubettgehritual. Dabei läuft bei Papa einiges anders ab als bei Mama und umgekehrt: bei Papa gibt’s öfter mal ein Eis und es wird mit dem Spielzeugbagger gebaut, bei Mama ist Hafermilch im Glas und vor dem Schlafengehen wird vorgelesen. Zähneputzen steht bei beiden auf dem Programm und mit Sachen werfen ist hier und dort nicht erlaubt. Nach einem Jahr kann ich sagen: Unser Sohn scheint diesen Wechsel tatsächlich  gut zu verkraften. Auch wenn im einen Zuhause diese Regeln und Abläufe gelten, dort jene – solange sie in sich stabil bleiben und in grundlegenden Dingen nicht zu sehr voneinander abweichen, kommt er gut damit zurecht.

Natürlich bleibt dabei die Frage, wie das in Zukunft aussehen wird. Im Moment wechseln wir ca. alle zwei Tage, d.h., ich bringe unseren Sohn z.B. dienstags zur Kita und hole ihn donnerstags wieder von der Kita ab, er schläft also von Dienstag auf Mittwoch und Mittwoch auf Donnerstag bei seinem Papa, der an „seinen“ Tagen für das Abholen von der Kita, das Spielprogamm am Nachmittag, Essenzubereiten, Wickeln, Kuscheln am Abend – eben für das ganze Alltagsprogramm mit einem Unter-Dreijährigen – zuständig ist. So wie ich an „meinen“ Tagen.

Ob wir die Zeiträume in Zukunft verlängern, ob unser Sohn irgendwann lieber eine Woche am Stück bei Papa oder Mama bleiben möchte oder am Ende doch ein „Hauptzuhause“ haben möchte – das werden wir alles sehen und hoffentlich dann auch wie erwachsene Menschen darauf reagieren: als zwei, die als Paar nicht harmoniert haben, eins aber beide sein wollen: gute Eltern!

Mein Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ich denke, das Wechselmodell kann funktionieren,

  • wenn beide bereit sind, sich an einen festen „Betreuungsplan“ zu halten, von diesem in Notfällen aber auch (im gegenseitigen Einverständnis) abzuweichen;
  • Wenn zumindest einer beruflich in Bezug auf seine Arbeitszeiten flexibel ist;
  • wenn man nicht zu weit voneinander entfernt wohnt und sich überhaupt zwei Wohnungen leisten kann;
  • wenn beide von Anfang an ein enges Verhältnis zum gemeinsamen Kind haben
  • und natürlich nicht zuletzt: wenn man noch (bzw. wieder) wie „normale Menschen“ miteinander reden kann, getrennt als Paar, aber verbunden durch das gemeinsame Kind.

Weitere Information: 

Wikipedia: Definition Wechselmodell

Wegweiser für den Umgang nach Trennung und Scheidung

Rechtliche Grundlagen und Argumente pro/contra

6 Gedanken zu „Ganzes Kind. Halbe Zeit – meine Erfahrungen mit dem Wechselmodell“

  1. Ich bewundere dich, sehr! Wir haben das Wechselmodell gleich nach der Trennung versucht. Nach drei Wochen haben wir vorbildlich gescheitert! Warum? Weil wir nicht miteinander reden könnten, leider bis heute nicht. Wer leidet? Die Kinder natürlich!
    Die Wut und Verletzungen sind noch zu groß. Ich gebe ihm die Zeit, die er braucht und hoffe auf einen normalen Umgang miteinander, irgendwann.

    Ihr macht das super, seid stolz auf euch, euer Sohn wird euch sehr dankbar sein!

    Ganz viele liebe Grüße,
    Easter.

    Like

    1. Liebe Easter, danke für deinen Kommentar!:-) Ich mag deine Art, „mit Herz“ auf die Welt zu sehen, wie sie in deinen Beiträgen zum Ausdruck kommt. Das finde ich so wichtig! Ich freue mich, wenn du in Zukunft auch mal wieder bei mir mitlesen magst! Lg, Sarah

      Gefällt 1 Person

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