Beruf, Familie, Hochsensibilität

15 Stunden unter Strom: Kind, Beruf und Hochsensibilität

A0F1F08C-5ECA-4D43-A224-D377A049FF8D

Ich habe hier im Blog bereits mehrmals über das Leben als hochsensible, berufstätige und getrennt erziehende Mutter eines Kleinkindes geschrieben. In meinem Artikel „Hochsensibel Eltern sein: 5 Tipps für ein glücklicheres Familienleben“ fasse ich zusammen, was hochsensible Wahrnehmung überhaupt bedeutet.

Weiterlesen „15 Stunden unter Strom: Kind, Beruf und Hochsensibilität“
Beruf, Gesellschaft, Persönliches

Gut ist gut genug. Vom Umgang mit Perfektionismus

8B981669-FCB2-494E-A43D-BD878F0BBA91

Kürzlich bat ich die Schüler einer meiner Kurse um ihr „Feedback“ zu meinem Unterricht. Wir arbeiten inzwischen seit knapp einem Jahr zusammen, begegnen uns zwei- bis dreimal pro Woche und ich habe jede und jeden von ihnen schon diverse Male bewertet – ich fand, es war an der Zeit, dass meine Schülerinnen und Schüler auch ein Urteil zur Qualität meines Unterrichts abgeben würden. 

Tja, und dann erhielt ich unter anderem diese Rückmeldung:

0A7E4DFE-A080-443F-BF15-5F28BD895557

WOW! Grund zur Freude? Ich ertappte mich tatsächlich bei folgenden Gedanken: Na, der scheint ja leicht zufriedenzustellen sein!… „Glücklich und zufrieden“? Bisschen übertrieben, oder? Sooo besonders ist mein Unterricht nun auch wieder nicht!… 

Ist denn das zu glauben?! 

Ich mache mich selbst schlecht, obwohl ich in diesem Kurs definitiv mit Engagement und gut vorbereitet – und oft auch mit echter Freude unterrichte. Die Themen, die wir behandeln, interessieren mich und die Diskussionen und Fragen, die sich daraus unter meinen (erwachsenen) Schülerinnen und Schülern ergeben, faszinieren mich tatsächlich häufig selbst. Ich versuche außerdem, so fair und gut einschätzbar wie möglich zu sein und habe zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit viel Energie und einiges an Zeit und Nerven investiert, um das Kursklima, das anfänglich desolat war (ich habe hier schon einmal darüber geschrieben) zu verbessern. Vermutlich mache ich also tatsächlich meinen Job gut und biete meinen Schülerinnen und Schülern objektiv „guten Unterricht“. 

Warum dann diese (inneren) Stimmen? Weil ich nie – natürlich nicht – jeden und jede mit meiner Begeisterung erreiche? Weil ich auch schon mal keine Lust habe, in diesen Kurs oder zur Arbeit überhaupt zu gehen? Weil mein Unterricht manchmal passabel ist, ok, ganz in Ordnung und eben nicht jeden Tag ein Feuerwerk?!

„Klappe zu, ihr Nörgler!“

Unglaublich, dass ich diese (selbst-) abwertenden Gedanken habe und wie abwertend eigentlich auch meinem Schüler gegenüber, der etwas kann, was mir, mir selbst gegenüber, offensichtlich schwerer fällt als gedacht, nämlich: loben. Herzlich, unverblümt, einfach so.

Also „Klappe zu!“, ihr inneren Nörgler, ihr Perfektionisten, (Selbst-) Zweifler und Grantler. 

Gut ist auch, was nicht perfekt ist! Gut ist gut genug.

Kennt ihr diese nörgeligen Stimmchen? Selbstkritisch, obwohl ihr euch eigentlich der Qualität dessen, was ihr leistet, bewusst seid? Ist das jetzt leichtfertig oder selbstbewusst, dass ich hier so offen darüber schreibe?!😉 

Was ist eure Meinung zum Thema Perfektionismus? Ich freue mich über eure Kommentare! 

Liebe Grüße, Sunnybee

Familie, Gesellschaft, Persönliches

„Anstrengungs-Verweigerung“? Warum es sich lohnt, unseren Kindern zu vertrauen

614D3C99-D846-4846-8D8F-4A4DA08E8289

Vor kurzem habe ich einen sehr interessanten Blogartikel gelesen. Das Thema: „Anstrengungsverweigerung“. 

Ehrlich gesagt konnte ich mir erst gar nicht wirklich etwas unter dem Begriff vorstellen. In ihrem Artikel beschreibt Bloggerin Charlotte eine Situation, in der ihre Tochter, anstatt – wie wohl als Teil des Mathematikunterrichts erwünscht – die Stufen einer Schultreppe zu zählen, ihre Lehrerin in ein angeregtes Gespräch verwickelte, um damit eben, wie die Autorin schlussfolgert, die Anstrengung der gestellten Aufgabe zu vermeiden. Ihr Charme habe die Lehrerin auch erfolgreich in die Irre geführt – jedenfalls habe sie die Aufgabe nicht lösen müssen, der Lehrerin sei aber gar nicht aufgefallen, dass ihre offensichtlich liebenswerte Schülerin auf diese Weise die Anstrengung umgangen sei. Den kompletten Artikel findet ihr hier. 

Meine Mit-Bloggerin reflektiert in ihren Texten, wie ich finde, sehr liebevoll und wertschätzend das Leben mit ihren (Adoptiv-) Kindern. Umso mehr verblüfft mich ihre Schlussfolgerung an dieser Stelle und vor allem, wie sie auf das Verhalten ihrer Tochter reagiert. 

In einem weiteren Artikel geht sie auf mögliche Ursachen der „Anstrengungsverweigerung“ ein. Wenn ich meine Mit-Bloggerin richtig verstehe, handelt es sich dabei um eine tiefgehende Störung des Selbstvertrauens. Kinder, die bereits sehr früh, z.B. wegen der Trennung von ihren Eltern oder aufgrund von Verwahrlosung, die Erfahrung hätten machen müssen, dass ihre Grundbedürfnisse (Nahrung, Schlaf, körperliche Nähe) nicht erfüllt worden seien, hätten dadurch gelernt, dass ihr Bemühen, durch Weinen die Aufmerksamkeit der Erwachsenen zu bekommen um z.B. gefüttert zu werden, sinnlos sei. Als Konsequenz habe sich in ihnen ein grundlegendes Gefühl von Hilflosigkeit verfestigt: die Wahrnehmung, selbst nichts an ihrer Situation ändern zu können und es daher letztlich auch gar nicht mehr versuchen zu müssen. Meine Mit-Bloggerin schließt daraus, das solcherart traumatisierte Kinder später auch in anderen Bereichen dazu tendierten aus der tief verwurzelten Angst, „es ja doch nicht zu schaffen“ gar nicht erst zu versuchen, ein Ziel zu erreichen, sondern die dafür erforderliche Anstrengung von vornherein vermieden. 

Aufschieben zur Selbstentlastung

Ich finde diese Erklärung durchaus plausibel und habe selbst schon bei Menschen, die als Kind ähnlich traumatisierenden Lebensumständen ausgesetzt waren, dieses Verhalten wahrgenommen. In der Sozialpsychologie wird hierbei von der Strategie der Misserfolgsvermeidung vs. der Erfolgssuche angesichts äußerer Belastung gesprochen. Auch das Phänomen, unangenehmen Aufgaben ein Stück weit auszuweichen, kennt wohl fast jeder – es hat inzwischen ja sogar einen Namen: die Prokrastination…

Erst einmal mit der besten Freundin einen Schwatz zu halten, die Mikrowelle zu reinigen und den Kühlschrank aufzuräumen, bevor wir uns an das Verfassen der Steuererklärung setzen, gestehen wir Erwachsenen uns durchaus zu. Solange dieses Ausweichverhalten angesichts ungeliebter Aufgaben nicht überhand nimmt, haben wir dafür sogar Verständnis. Letztlich ist es schlicht eine Form der Selbstentlastung. Wir wissen, wir müssen etwas tun, fühlen uns momentan der Aufgabe jedoch nicht gewachsen – und weichen aus. Anstrengungsvermeidung eben…

Druck, um Angst vor Druck zu lösen?

Umso überraschender fand ich die Reaktion meiner Mit-Bloggerin auf das Verhalten ihrer Tochter. Sie berichtet, wie sie darauf bestehe, dass eine Aufgabe genau zu dem von ihr genannten Zeitpunkt zu machen sei. Im Notfall blieben sie eben so lange am Schreibtisch sitzen, bis die Aufgabe erledigt sei. In einem weiteren Artikel (Homeschooling für traumatisierte Kinder) beschreibt sie sogar, dass ihr Sohn während stundenlangen Übens nach der Schule massive Wutanfälle bekomme: 

Meinte Sohn brüllt herum, schreit, schlägt um sich, manchmal wirft er seinen Stuhl um. Am Ende verfällt er meist einfach nur noch in ein verzweifeltes Weinen, aus dem er sich erst nach über einer Stunde wieder beruhigt. Erst dann können wir weiter arbeiten. Vielleicht…

Ganz offensichtlich sträubt sich etwas massiv in ihm, die gestellte Aufgabe zu genau diesem Zeitpunkt zu erfüllen – obwohl er grundsätzlich durchaus in der Lage ist, sie zu lösen. Ohne äußeren Druck tue er das auch, wie meine Mitbloggerin beschreibt. 

Aber warum besteht die Autorin dann genau in diesem Moment auf ihrer Forderung? Verfestigt sie dadurch nicht gerade das Gefühl ihres Sohnes, der Übermacht der Erwachsenen nichts entgegenzusetzen zu haben? Dass seine Bedürfnisse letztlich nicht zählen? Wir Erwachsenen würden uns nach einem langen Arbeitstag sicher auch lieber der Entspannung widmen, als uns mit Themen, die uns ohnehin Angst einjagen, zu konfrontieren. Warum gestehen wir unseren Kindern diese Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und auch Selbstfürsorge oft gar nicht zu? Sind Kinder „junge Wilde“, die – notfalls mit Zwang – dazu genötigt werden müssen, sich sozialkompatibel zu verhalten? Oder noch subtiler: meinen wir, sie vor sich selbst schützen zu müssen? 

Warum gehen wir so leicht davon aus, dass unsere Maßstäbe (z.B. gute schulische Leistungen) die richtigen sind und der Weg, den wir für unsere Kinder vorsehen, tatsächlich der ist, der sie glücklich macht? Wieviel Freiheit geben wir unseren Kindern, auch gerade, wenn sie nicht unserem Weg folgen? Wenn wir am liebsten ändern wollten, was sie in sich tragen? Das ist für mich als Mutter eine sehr wichtige Frage.

Was mein Sohn mich lehrt…

Abschließend möchte ich eine Situation skizzieren, in der ich selbst – wieder einmal – viel von meinem Sohn gelernt habe: Nach einem langen Arbeits – und Kindergartentag waren wir beide erschöpft. Mein Sohn (3) fing an, mit hundert Dingen zu spielen (Eisenbahn, Puzzle, Spielzeugautos, Bilderbücher etc.), konnte sich aber auf nichts mehr wirklich konzentrieren. Innerhalb kürzester Zeit sah sein Kinderzimmer aus, als sei dort eine Bombe eingeschlagen: überall verstreut lag sein Spielzeug, dazwischen Kleidungsstücke, die er aus irgendeinem Grund aus dem Schrank geräumt hatte. Da es auf sieben Uhr zuging hatten wir beide Hunger. Ich hatte aber noch nichts zum Abendessen vorbereitet. Gereizt bat ich meinen Sohn, zumindest einen Teil des Spielzeugs in die dafür vorgesehene Kiste zu räumen, während ich uns etwas kochte. Seine Antwort rundheraus: „Nö. Du, Mami!“ Sekundenlang schossen mir Gedanken durch den Kopf wie: „Unmöglich, kaum drei, benimmt sich mein Sohn wie ein kleiner Pascha!“ oder auch: „Das kann ich ihm jetzt nicht durchgehen lassen, sonst hilft er beim nächsten Mal erst recht nicht mit!…“ Müde wie ich war und nachdem ich davor, länger als ich eigentlich Lust hatte, mit ihm gespielt hatte, fühlte ich sogar, wie einen Moment lang der Gedanke in mir aufstieg: „Unmöglich – wie undankbar!“

Zum Glück atmete ich dann tief durch, schnappte mir meinen kleinen Halunken und erklärte ihm in ruhigem Ton, ich sei müde, er habe das ganze Spielzeug aus dem Schrank geräumt und ich habe keine Lust, es jetzt aufzuräumen, da ich auch noch das Abendessen machen müsse. Ob er eine Idee habe, was wir da tun könnten? Seine Antwort verblüffte mich. „Klar, Mama!“ Eben noch voller Widerstand, strahlte er mich auf einmal an: „Ich mache das Abendessen für uns!“

Tja, und das tat er dann… An diesem Abend gab es für uns beide jeweils eine große Schüssel Müsli mit frischem Saft. Schälchen, Becher, Besteck, Milch und Getränke holte mein Großer mit seinen gerade 3 völlig eigenständig aus Kühlschrank und Regalen und deckte den Tisch für uns – während ich sein Zimmer aufräumte. Wenig später saßen wir tatsächlich beim Abendessen, beide sehr zufrieden – und ich hatte wieder einmal etwas gelernt: 

Mein Weg ist nicht der einzig mögliche. 

Und: 

Willst du, dass deine Kinder ihre Probleme selbst lösen, schenke ihnen das Vertrauen, sie es auf ihre Weise machen zu lassen!

Herzlichen Gruß, Sunnybee

PS. Ganz herzlichen Dank an Charlotte für deine inspirierenden Beiträge. Ich hoffe, du fühlst dich von meiner kritischen Auseinandersetzung mit deinen Artikeln nicht angegriffen! Wie immer freue ich mich über Reaktionen und Kommentare! 🙂