Familie, Hochsensibilität

Hochsensibel Eltern sein: 5 Tipps für ein glücklicheres Familienleben

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Eine hohe Empfänglichkeit für äußere und innere Reize und intensive Gefühle während ihrer Verarbeitung – so in etwa lässt sich „Hochsensibilität“ in kürzester Form definieren.

Entsprechend müssen hochsensibel empfindende Menschen Wege finden, mit ihrer Disposition umzugehen, um einer Welt, die ihnen oft als zu laut, zu schnell und unübersichtlich erscheint, gerecht zu werden. Tun sie das nicht, können Anspannungs- und Stresssymptomen wie zum Beispiel Schlafstörungen oder Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhte Aggressivität und Unruhe, aber auch Angstgefühle und Niedergeschlagenheit die Folge sein. 

Die Pflicht, gut für sich selbst zu sorgen

Als hochsensibel wahrnehmende Mutter oder Vater habe ich die Verantwortung, gut für mich zu sorgen und damit nicht nur mich, sondern auch meine Kinder und gegebenenfalls den Partner oder die Partnerin zu schützen sowie mir und meiner Umwelt die Möglichkeit zu geben, mein Potential als Mutter oder Vater voll auszuschöpfen. 

Eltern sein ist ein „Fulltime-Job“. Potenziert wird dieses Gefühl des „Rund-um-die-Uhr-Zuständigseins“, wenn ich zusätzlich zu meiner Aufgabe als Mutter oder Vater einen Beruf ausübe und somit in einem zweiten Bereich Verantwortung trage, oder wenn ich gar alleinerziehend bin und damit emotional (und oft auch praktisch) die Fürsorge und Erziehung meiner Kinder alleine schultern muss.

5 praktische Tipps für einen entspannteren Alltag

Wie soll das alles mit hochsensibler Disposition möglich sein? Wie kann ich die Struktur und die Momente der Ruhe finden, die ich als hochsensibler Mensch wie die Luft zum Atmen brauche? 

1) Ich nehme meine Bedürfnisse ernst und handle nach ihnen

Nun, zuerst einmal, indem ich meine Bedürfnisse ernst nehme. Mag sein, dass es für andere, weniger reizempfindliche, Menschen stimmig ist, direkt nach der Arbeit ihr Kind vom Kindergarten abzuholen und sich mit zwei anderen Familien zum Kindersportkurs zu verabreden. Wenn ich weiß, dass mich das stresst und der Lautstärke- und Aktivitätspegel nach einem Arbeitsvormittag für mich zu viel wäre, mache ich es nicht.

Lieber gehe ich allein mit meinem Kind auf dem Spielplatz oder wir lassen uns im Winter zuhause ein Bad ein. Wenn ich mich dabei entspanne, haben alle Beteiligten mehr davon, als wenn ich abends völlig überreizt Kind oder Partner anschnauze oder erschöpft an meiner Kompetenz als Mutter oder Vater zweifle. 

2) Kurze Wege planen

Nicht nur hochsensible Eltern verzweifeln manchmal an der Vielzahl an Aktivitäten, die es mit Kind zu bewältigen gilt. Da stehen nachmittags der Musik- oder Sportkurs auf dem Programm, außerdem das Treffen mit der Kita-Freundin im anderen Stadtteil und das Kindercafé im Nachbarort wollte man auch immer schon mal ausprobieren. Dann noch schnell der Termin bei der Bank auf dem Weg dorthin und vor der Arbeit am nächsten Tag der Zahnarztbesuch, natürlich, nachdem die Kinder gut in Schule oder Kindergarten angekommen sind. Unter der „Atemlosigkeit“ eines solchen Lebens leiden viele Eltern – für hochsensible Mütter oder Väter ist sie geradezu Gift.

Daher: Mistet aus, was an Freizeitaktivitäten nicht absolut nötig ist. Falls eure Kinder wirklich zum Judo oder in den Kinder-Malkurs wollen, wählt den Kurs, der am leichtesten erreichbar ist. Auf Matten hopsen macht Vierjährigen auch Freude, wenn es in der Schule um die Ecke stattfindet – es muss nicht der Kurs nach Montessori-Pädagogik im anderen Stadtteil sein. Das gilt übrigens auch für eigene Aktivitäten. Fahrzeiten sind Stresszeiten und Wege zwischen zwei Aktivitäten sind keine Pausen – außer, ihr könnt auf eure Privat-Limousine zurückgreifen und euch vom Chauffeur durch die Gegend gondeln lassen… 

3) Sich echte Pausen gönnen

Auf der Seite „pusteblumen-fuer-mama“ hat die Autorin, selbst hochsensible Mutter von zwei Kindern im Schul- und Vorschulalter, in einem ihrer Blogposts sehr treffend beschrieben, wie nötig hochsensible Eltern Pausen brauchen. Und zwar nicht nur ein Kaffee „in Ruhe“, während die Kinder nebenan das Kinderzimmer auseinandernehmen. Auch das hastig bei der Arbeit eingenommene Mittagessen und selbst der Yoga-Kurs am Samstag Vormittag, während der Partner oder die Babysitterin die Kinder betreut, sind keine echten Pausen, wie sie Hochsensible benötigen.

Wirklich Abschalten braucht Zeit. Ein Stresspegel, der sich über Tage aufgebaut hat, flacht nicht innerhalb eines Vormittags ohne Programm ab. Dafür braucht es ganze Tage, ein Wochenende oder sogar eine Woche Auszeit, um wirklich wieder einmal bei sich anzukommen. Fast unmöglich als Mutter oder Vater? Ja, einfach ist es nicht, sich diese Freiräume zu schaffen. Aber für hochsensible Eltern sind sie meiner Meinung nach so wichtig, dass die Überlegung lohnt: Kann ich (phasenweise) weniger oder gar nicht arbeiten, um vormittags, wenn mein Kind in Schule oder Kindergarten ist, regelmäßig Zeit für mich zu haben? Kann mein (Ex-) Partner oder ein Au-Pair mein Kind regelmäßig alleine betreuen, können die Großeltern mein Kind auch einmal für mehrere Tage zu sich nehmen? Pausen schaffe ich mir, indem ich wirklich innerlich loslasse – und nicht immer alles selbst machen will.

4) Loslassen lernen

Das führt mich zum vierten praktischen Tipp, der gerade für hochsensible Mütter oder Väter oft schwer umzusetzen ist. Hört auf, euch ständig Gedanken zu machen! Ich bin als Mutter oder Vater entbehrlich. Auch für mein Kind. Natürlich nicht im großen und absoluten Sinn, aber im Alltag eben immer wieder. Sonst würde es nie den Schritt weg von meiner Hand zu anderen Bezugspersonen und später zu Erziehern oder Lehrerinnen und seinen Freunden in Kindergarten oder Schule machen. Also muss ich lernen, auch gedanklich loszulassen. Die „Mental Load“, die hundert Alltagsdinge, die ich, gerade als Mutter, im Kopf habe, wirken unterschwellig als Reiz, den ich eben auch zu verarbeiten habe. Klappt der Termin beim Logopäden nächsten Mittwoch?  Lohnt sich das Engagement für gesünderes Essen im Kindergarten? Muss ich mit der Lehrerin oder dem Erzieher über das Verhalten meines Kindes sprechen?

Dadurch, dass hochsensible Menschen so viel wahrnehmen und oft auch vielseitig interessiert sind, haben sie die Tendenz, sich zu allem ihre Gedanken zu machen. Und das ist manchmal zu viel. Daher: Fünf gerade sein lassen. Andere machen Dinge vielleicht anders, aber nicht unbedingt schlechter. Ich fühle mich also im Zweifelsfall mal nicht verantwortlich und mische mich nicht ein. Loslassen ist die Devise!

5) Eigene Interessen verfolgen

Nicht zuletzt ist es für hochsensible Mütter und Väter wichtig, eigene Interessen zu verfolgen. Warum? Viele Hochsensible blühen auf, wenn sie sich ungestört einer Aufgabe widmen, sie gedanklich ganz durchdringen können. Oft nähern sie sich dabei übrigens mit Freuden den großen Fragen des Lebens: „Wie sinnvoll ist, was ich hier tue?“ „Was ist gut, was ist böse?“ „Wohin führt mich dieser Weg?“

Wie passt das zu einem Alltag als Eltern, der eben doch sehr oft durch banale Wiederholung und die Notwendigkeit, Angefangenes abrupt zu beenden, geprägt ist? Eben kaum. Daher ist es so wichtig, dass ich an dieser Stelle einen gesunden Egoismus entwickle. Ich muss mir als hochsensible Mutter oder hochsensibler Vater so wichtig sein, dass ich mir Freiräume für mich selbst schaffe und auf echte Pausen bestehe – weil ich sie brauche, um im Sturm des Lebens ich selbst zu sein. 

Das Potential hochsensibler Eltern

Das Potential hochsensibler Eltern ist groß. Tiefergehende Zusammenhänge erkennen zu können, ein feines Gespür für Menschen und Prozesse innerhalb einer Gruppe (auch einer Familie) zu haben sowie sich intensiv mit einer Sache zu beschäftigen und dafür andere zu begeistern: diese Fähigkeiten können hochsensible Mütter oder Väter zu tollen Eltern machen – wenn sie für sich den Rahmen schaffen, in dem dieses Potential zur Entfaltung kommen kann. 

Falls du dich in diesem Artikel als hochsensible Mutter oder hochsensiblen Vater erkannt haben solltest, aber auch wenn dich einfach „nur“ die Tipps in diesem Artikel angesprochen haben, wünsche ich dir die Überzeugung und Kraft, genau danach zu handeln und damit liebevoll zu dir zu sein!

Herzlichen Gruß, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Weiterlesen?

Einen Selbsttest, um für dich zu klären „bin ich hochsensibel?“ und weitere Information zum Thema findest du unter anderem hier.

Lesenswert zum Thema: lichtiges.de, die Seite der Autorin und Künstlerin Caren Klaschka, die als Coach zum Thema Hochsensibilität berät sowie die Website pusteblumen-fuer-mama.de, auf der die Autorin ehrlich und „ungeschönt“ ihre Erfahrungen als hochsensible Mutter teilt. Alle Links sind persönliche Empfehlungen, ich habe durch den Verweis auf sie keinen finanziellen Vorteil.

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

15 Gedanken zu „Hochsensibel Eltern sein: 5 Tipps für ein glücklicheres Familienleben“

  1. Spannend! Ich habe zwar kein(e) Kind(er), aber von vielen Deiner Tipps fühle ich mich sehr stark angesprochen bzw. einige sind schon genau meine Strategien, um mit den sonstigen Belastungen des Lebens besser zurechtzukommen – auch Nicht-Eltern haben sowas ja durchaus. Der Selbsttest, den Du dankenswerterweise verlinkt hast, war für mich echt aufschlussreich. Mit 87 Punkten bin ich wohl schon deutlich im Bereich der wahrscheinlich hochsensiblen Menschen verortet – das war mir so nicht klar und es erklärt Einiges.
    liebe Grüße
    Lea

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    1. Liebe Lea,
      vielen Dank für deinen Kommentar und wenn ich mit meinem Artikel bei dir sogar für ein „Aha-Erlebnis“ sorgen konnte, freut mich das sehr!🙂
      Bis bald wieder einmal, herzlichen Gruß, Sunnybee

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  2. Hi. Sehr, sehr gut, danke. Aus meiner Sicht ist das Loslassen der zentrale Punkt. Im Kopf wirklich loslassen. Eine gewisse Zeit und das immer wieder. Das ist unglaublich schwer und bedarf der Übung. Die Erholung stellt sich in diesen Minisekunden erst ganz langsam ein. Gleichzeitig wird man gelassener und die wichtigen Themen kommen von ganz alleine in den Vordergrund. Unwichtiges tritt zurück und das Kind kann mit kleinen Themen lernen selbst Verantwortung zu übernehmen. Und mit der Zeit kann man erfahren, dass sich sogar „eigene Zeit“ ohne schlechtes Gewissen einstellt. Aber am Anfang steht für mich das Loslassen. Liebe Grüße. Tilman

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    1. Lieber Tilmann, schön, dass du mich wieder an deinen Überlegungen teilhaben lässt!🙂 Ja, loslassen, sich selbst so gut wahrnehmen wie alles – und alle – um einen herum und Fokussierung auf das, was einem wirklich wichtig ist. Das ist das stete Übungsstück… schön allerdings auch, zu merken, dass diese Achtsamkeit, selbstbewusst vertreten, irgendwann selbst bei den größten „Porzellanzertramplern“ ankommt. Und falls nicht: LOSLASSEN…😉 Lg, Sunnybee

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  3. Sehr schön geschrieben. Ja die Pausen braucht man tatsächlich, sonst ist man immer gefangen zwischen Überreizung, dem daraus resultierenden Verhalten und einem schlechten Gewissen, weil man genervter ist, als man es sein möchte. Gleichzeitig lernt man sich selbst dadurch aber auch Stück für Stück besser kennen.
    Liebe Grüße von der Gedankenmacherin

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    1. Danke, Gedankenmacherin! Schön, dass du das bestätigst. Ich musste selbst schon die Erfahrung machen, dass Menschen, die eine weniger starke Reizwahrnehmung haben, diese Notwendigkeit echter Pausen schlicht nicht nachvollziehen können. Umso wichtiger, dass ich mich selbst dann ernst genug nehme um zu sagen: ich bin belastbar und kann wirklich viel auf die Beine stellen – aber nur unter Bedingungen, die mich körperlich und seelisch nicht per se aus der Balance bringen. Dieses Selbstbewusstsein zu erwerben ist ein Prozess und es tut gut, es irgendwann zu haben!🙂 Herzlichen Gruß und ich freue mich, dass du jetzt meinem Blog folgst! Sunnybee

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  4. Danke dir für diesen schönen Text. Ich finde, deine Tipps sind für alle Eltern nützlich, nicht nur unbedingt für Hochsensible. Das mit den „kurzen Wegen“ macht tatsächlich viel Sinn, und auch das mit dem Loslassen im Alltag. Wenn unser Familienleben zu vollgepackt mit Terminen und zu sehr durchgetaktet ist, hat niemand etwas davon. Unsere Kinder nicht und wir auch nicht. Von daher. Mut zur Lücke im Kalender.

    Herzliche Grüße,
    Christina

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    1. Schön zu hören und danke für deinen Kommentar. Tja… auch ich muss mich immer wieder an meine eigenen Ratschläge erinnern…😉 Der Alltag ist manchmal einfach schnell und hektisch, umso wichtiger, diese Form der Selbstfürsorge zu praktizieren! Liebe Grüße, Sunnybee

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