alleinerziehend, Familie

Familienwerte: Was „Familie sein“ nach einer Trennung bedeutet

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Ein-Eltern-Familie, Patchwork, getrennt erziehend mit Kind: eine Trennung bringt immer auch die Notwendigkeit mit sich, neue Formen des „Familie Seins“ zu definieren und zu leben. 

Mich interessiert, wie ich überhaupt zu dem (inneren) Konzept einer Familie komme; was also ist mein ganz persönliches Idealbild des Familienlebens und wovon muss ich mich nach einer Trennung gegebenenfalls verabschieden, beziehungsweise was muss ich überdenken und neu justieren?

Was ist „Familie“ für mich? 

Familie: Ist das für mich das „klassische“ Papa-Mama-zwei Kinder-Modell, möglicherweise mit dem Vater als berufstätigem Ernährer, während die Mutter die Fürsorge für die Kinder übernimmt? Oder war es bereits in meiner Kindheit das Erleben getrennt lebender Eltern, mit neuen Partnerinnen und Partnern, „zugeheirateten“ Geschwistern und zahlreichen Großelternpaaren, die mir näher oder ferner standen? Oder aber das Zusammenleben mit „Wahlverwandten“, mit Freunden, Patenonkeln oder -tanten, Erziehern oder Lehrern, die eine wichtige Rolle in meiner Entwicklung spielten?

Erlebte ich Familie als Kind als etwas „Unumstößliches“, ein in sich geschlossenes, nicht zu hinterfragendes System – oder machte ich schon damals die Erfahrung, dass Beziehungen beginnen, aber auch enden können und dass dabei eine neue Ordnung – oder eben zusätzliches Chaos – entstehen kann?

Was mich geprägt hat präge ich

Das alles prägt, wie ich selbst Familie lebe, wonach ich mich sehne, was ich zu vermeiden, aber auch zu erhalten versuche. Möchte ich meinem Kind eine Trennung um jeden Preis ersparen, weil ich die Trennung meiner eigenen Eltern als so schmerzlich erlebt habe? Oder vollziehe ich umgekehrt den Schritt zur Trennung, weil ich mein Kind nicht zwischen sich bekriegenden Eltern aufwachsen lassen möchte? Eine sehr innige, symbiotische – oder auch abhängige – Beziehung meiner Eltern zueinander kann dazu führen, dass ich mir schwöre, mich gerade nicht von meinem Partner oder meiner Partnerin abhängig zu machen – oder dass ich andererseits die Symbiose suche und im Fall einer sich abzeichnenden Trennung in Panik gerate, da ich mir nicht vorstellen kann, wie ich ohne meinen Partner oder meine Partnerin leben soll…

Der Blick zurück bringt für die Gegenwart Klarheit 

Der Blick auf meine Herkunftsfamilie kann dabei sehr hilfreich sein. Oft leben ja gerade Geschwister die „Pole“ der Elternbeziehung nach: da führt der Bruder die langjährige enge Beziehung, gegen die sich die Schwester regelrecht zu wehren scheint. Da ist „Familie“ für die einen der Ort, der unantastbar bleiben soll, an dem z.B. die Beziehungen der Eltern nicht hinterfragt werden soll, oder aber sie ist der Ort der heftigsten Konflikte sowie, im positiven Sinn, der intensivsten Auseinandersetzung, mit sich selbst und den „Anderen“, die einem am nächsten stehen.

Bin ich streitlustig oder eher konfliktscheu, gehe ich bereitwillig auf Unbekanntes zu oder möchte ich eher das Bestehende bewahren – das alles hat oft seinen Ursprung in den Erfahrungen, die ich in meiner Herkunftsfamilie gemacht habe. Dementsprechend lohnen sich, sowohl während einer Trennung, als auch im Rahmen einer (noch) intakten Beziehung wohl die Fragen: 

Wie haben meine Eltern ihre Beziehung gelebt und was davon erscheint mir erstrebenswert, bzw. was versuche ich zu vermeiden?

• Wie sind meine Eltern mit mir als Kind umgegangen und was davon finde ich in meinem Umgang mit meinem/n eigenen Kind/ern wieder?

• Was haben meine Eltern an mir kritisiert und was kritisiere ich an meinen Kindern?

• Was an mir hat sie mit Stolz erfüllt und worauf bin ich bei meinen Kindern stolz?

• Waren getrennt lebende Familien und Familienkonstellationen außerhalb des Vater-Mutter-Kind-Schemas in meiner Kindheit präsent oder „gab es sowas nicht“?

• Wie wurde in meiner Kindheit darüber gesprochen, wenn jemand oder etwas scheiterte? Wie gehe ich selbst mit den Themen Verantwortung, Schuld und Scheitern um?

• Was war in den Augen meiner Eltern „schwach“ und wie reagierten sie darauf? Wie gehe ich mit eigener Schwäche und der Schwäche anderer um?

• Wofür möchte ich meinen Eltern danken? Worin waren – und sind – sie mir ein Vorbild? 

• Was sollen meine Kinder mit meiner Herkunftsfamilie erleben? Was sollen sie durch mich von ihr erfahren? 

Mit meiner Art, „Familie“ zu leben schreibe ich auch die Geschichte meiner Herkunftsfamilie weiter. Egal, ob ich mich von ihr abzugrenzen versuche oder Aspekte aus ihr übernehmen möchte – ich lebe, als Beziehungspartner oder -partnerin ebenso wie als Mutter oder Vater, nicht im „luftleeren Raum“: was mich geprägt hat, beeinflusst meinen Blick auf die Welt und mein Verhalten weiterhin, gerade auch, wenn ich mich stark davon abzugrenzen versuche. 

Mit meiner Herkunftsfamilie „den Frieden zu machen“ und die Prägung durch sie anzuerkennen kann mich gerade dann stärken, wenn ich Veränderungen in meiner eigenen, selbst gewählten, Familie hinnehmen muss. Egal ob bei einer Trennung, bei Konflikten innerhalb meiner noch bestehenden Partnerschaft oder mit meinen Kindern – der Blick zurück lohnt sich: für Klarheit, für eine genauere Wahrnehmen meiner selbst und anderer, für ein besseres Verständnis dessen, wer ich war, wer ich bin – und wer ich sein möchte. 

Herzlichen Gruß und alles Gute! Sunnybee

alleinerziehend, Familie, Gesellschaft, Persönliches

Wer ist „Sunnybee“? Ein Jahr mutter-und-sohn.blog

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Yippieh – Jubiläum! Seit etwa einem Jahr blogge ich. Rund 150 Artikel habe ich seit meinem Blog-Start im April 2018  ins Netz gestellt, vom Zweizeiler bis zum sorgfältig redigierten Interview mit alleinerziehenden Müttern und Vätern. 

Ich schreibe auf mutter-und-sohn.blog sehr persönliche, unverstellte Texte. Liest du diese regelmäßig, erfährst du viel von mir. Dennoch teile ich hier weder meinen Namen noch mein (komplettes) Gesicht. 

Warum unter Pseudonym? 

„Sunnybee“, die „sonnige Biene“, wie ein alter Freund süffisant übersetzte, war eine spontane Idee beim Erstellen meines Blogs. In den 1920er Jahren schrieb Kurt Tucholsky, ein Autor, den ich sehr schätze, unter Pseudonym in der Berliner gesellschaftskritischen Zeitschrift „Die Weltbühne“. Tucholsky wählte für jede seiner „Stimmen“ in der von ihm herausgegebenen Wochenschrift einen anderen „Autor“ – und seine Leserinnen und Leser reagierten ganz verschieden auf die vermeintlich unterschiedlichen Verfasser. So wurde z.B. „Autor Tiger“ gelobt, während Aussage und Stil von „Herrn Panther“ missfielen – und umgekehrt. 

Eine Gesellschaft ist so sozial wie die Menschen, die sie gestalten

Meine Stimme hier in diesem Blog ist „Sunnybee“. Das Bild auf der Startseite zeigte lange eine Biene auf einer Sonnenblume (s.o.) – es wirkt auf mich fröhlich und kraftvoll. Bin ich so? 

Ja – ebenso wie nachdenklich und manchmal unsicher und geschwächt. Seit der Trennung vom Vater meines Sohnes vor gut 2 Jahren trägt mein Blog viel zu meiner inneren Balance und Stärkung bei. Hier formuliere ich meine Gedanken und Gefühle und bringe dabei etwas in die Welt, was bestenfalls andere begleitet und inspiriert.

Ich will hier auf die Situation Allein- und Getrennterziehender aufmerksam machen – und zeigen: eine Gesellschaft ist so menschlich wie die Menschen, die sie gestalten. Will ich andere annehmen, ist meiner Meinung nach wichtig, dass ich mich selbst annehmen kann: meine Stärken und Schwächen; was mir vertraut erscheint ebenso wie Seiten an mir, die mich befremden. Meiner Meinung nach resultiert die Ablehnung des Unbekannten im „Außen“, die sich zum Beispiel in der Abwertung Geflüchteter oder Menschen, die anders als der Mainstream leben, zeigt, häufig aus der Ablehnung „fremder“ Anteile in mir selbst. In diesem Sinn verstehe ich das Private durchaus als politisch: bin ich mit mir und meinem direkten Umfeld im Reinen, bleibt mir Kraft und Motivation, Dinge im größeren gesellschaftlichen Rahmen wahrzunehmen und gegebenenfalls zu verändern.

Eure Stimme – meine Antwort

Ihr, meine Leserinnen und Leser, seid mein Gegenüber. Der Austausch mit euch ist mir wichtig. Kommentare, Fragen, Reaktionen auf meine Artikel: lasst mich an euren Gedanken teilhaben – ich freue mich sehr darüber! 🙂

Herzliche Grüße, Sunnybee

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alleinerziehend, Familie, Gesellschaft

Biss zum Morgengrauen. Oder: Warum es keine „Arschloch-Kinder“ gibt

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Für die cinephilen Mütter (und vielleicht auch Väter?) unter euch: hier geht es nicht um die gleichnamige Vampir-Romanze, die sich 2008 in den Kinos der Welt zwischen Kristen „Bella“ Stewart und Robert „Edward“ Pattinson entspann…

Biss-Spuren aus der Kita 

Nein, ich schreibe hier von ganz realen, zahnabdruckverursachenden, schmerzhaften – Bissen! Vor zwei Tagen kam unser Sohn mit einer solchen Bissspur aus der Kita. Ich erfuhr davon per Foto, das mir sein Vater geschickt hatte (er war im Rahmen des von uns praktizierten Wechselmodells an diesem Nachmittag für die Kinderbetreuung zuständig). Seinen Kommentar („B. wurde heute von H. gebissen… aber alles gut soweit“) fand ich bewundernswert gelassen, schätzte die Lage aber, nachdem ich das Bild gesehen hatte, doch etwas anders ein. „Alles ok“ war sicher nicht der zutreffende Ausdruck. Ich beschloss, die Erzieherinnen in unserer Kita am nächsten Tag
auf den Vorfall anzusprechen…

Jetzt gehe ich nicht davon aus, dass unser Sohn in der Kita immer ein „Engel“ ist. Genauso wenig, wie ich dem kleinen „Beißer“ auch nur im Ansatz ‚böse Absichten‘ unterstelle. Der Junge ist 1 1/2, ich bin davon überzeugt, er beißt nicht, weil er die anderen ärgern will. Aber warum dann?

Was hätte Kant gesagt?

Warum fluchen wir Erwachsenen an der Ampel, brüllen mit rotem Kopf „Mir reicht’s!“ und schmeißen je nach Temperament mit Tellern oder zischen Beleidigungen, die klar unter der Gürtellinie liegen? Eben, weil es tatsächlich reicht – und wir für einen Moment unsere – erwachsene – Impulskontrolle verlieren. Dem gegenüber steht das, was man früher „die Contenance wahren“ nannte, ein Verhalten, das uns schlicht gesellschaftlich ‚kompatibel‘ macht: So schmettern wir dem Nachbarn, dessen Hund sein Geschäft auf unserem Grundstück hinterlassen hat, höchst selten entgegen: „Ihr Scheißköter wird bald das letzte Mal gesch… haben!“ und fluchen nur in der Privatheit unseres Autos über die „hirnverbrannten“ anderen Verkehrsteilnehmer…

Im schlechtesten Fall ist diese erworbene „Contenance“ eine dünne Schicht an Zivilisiertheit, die wir womöglich nur aus Angst vor „Vergeltung“ der Gegenseite aufrechterhalten (Der ‚Hundepapa’ ist 1,90 Meter groß, wir nur gut 1,70…); im besten Fall ist sie über die Jahre tatsächlich zu einem Teil unseres Wesens geworden, im Sinne von: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu“ oder vielleicht sogar: „Handle so, dass dein Handeln zum Maßstab aller werden könnte!“ Damit nähern wir uns schon dem Kategorischem Imperativ (Dank sei Monsieur Kant) – und sind doch meilenweit von dem entfernt, was meiner Meinung nach klein Jonas, Hassan oder Bella umsetzen können.

Erwachsene Moral für kleine Kinder

Letztlich treten wir „Großen“ aber oft mit genau dieser Vorstellung „erwachsener Moral“ den Kleinen gegenüber auf. Kinder, die selbst oder anderen gegenüber handgreiflich werden, bekommen zu hören: „Das tut man nicht!“, „Wenn das jeder täte!“, „Stell dir mal vor, wie es XY jetzt geht. Entschuldige dich sofort!“ Im schlechtesten Fall werden sie selbst ausgeschimpft, ausgegrenzt („du darfst nicht mehr mitspielen“) oder gar geschlagen. Auch die Erzieherinnen unserer Kita betonten auf meine Frage hin, sie ließen ein solches Verhalten natürlich nicht durchgehen, sie würden mit dem kleinen „Beißer“ schimpfen und er müsse dann schon mal alleine spielen. Offensichtlich bedrückt sie die Situation auch (zumal das Beißen wohl keine einmalige Sache ist, sondern seit Monaten an der Tagesordnung).

Und ich stimme ihnen zu: auch eine 1 1/2-Jährige oder ein knapp Zweijähriger sollte merken: Stopp, hier ist eine Grenze – was ich gerade tue, wird von meiner Umwelt nicht geschätzt. Denn Hauen, Kratzen, Beißen sind tatsächlich keine adäquate Form der Kommunikation, weder für Kleine noch für Große…

Warum wird hier gebissen?

Meiner Meinung nach ist aber diese Rückmeldung schon „Strafe genug“: denn warum beißen, hauen oder kratzen Luan oder Beatrice denn? Eben nicht, weil sie „böse“, „schlecht erzogen“ oder gar in irgendeiner Form „gestört“ sind (jedenfalls nicht, wenn sie ein solches Verhalten mit 1 1/2 zeigen). Sondern weil sie schlicht (noch) keine angemessenere Form gefunden haben, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen! Ein Biss unter Kita-Kindern kann ein – höchst ungeschickter – Versuch der Kontaktaufnahme sein, es kann ein Versuch sein, Aufmerksamkeit zu erhalten (was ja meist gelingt, auch wenn diese negativ ist…) oder schlicht das Bemühen, für ungebremste Wut ein Ventil zu finden.

Entsprechend sollte so ein kleiner „Aggressor“ zwar gespiegelt bekommen: es ist nicht ok, was du hier machst. Aber dein Verhalten wird sanktioniert, nicht du selbst! Wir „Großen“ zeigen dir Alternativen: brüll vor Wut oder geh weg, aber beiß nicht zu. Halt Mila das Spielzeugauto einladend hin, statt es ihr über den Kopf zu ziehen etc.

Motiv und Handlung

Die pädagogisch sanfte Lenkung fruchtet nicht? Genauso wenig wie dein Schimpfen? Und das über Monate? Dann solltest du dich vielleicht fragen: Warum rede ich hier „gegen die Wand“? Vielleicht, weil mein Gegenüber etwas anderes braucht als „Stopp“ und (Verhaltens-) Alternativen? Vielleicht, weil er oder sie wirkliche Aufmerksamkeit für den Druck, die Wut oder den Schmerz braucht, die in seinem oder ihren Verhalten zum Ausdruck kommen?

Habe ich Stress mit meinem Chef, mit meinem Partner und dazu noch Magenschmerzen und breche darüber auf dem Heimweg von der Arbeit in Schimpftiraden über die anderen Autofahrer aus, hilft es mir keineswegs, wenn mich jemand anfährt, ich solle mich „doch mal zusammenreißen“ und sozialer verhalten. Teil meines Problems ist ja gerade meine Umwelt, wenn auch die anderen Verkehrsteilnehmer nur stellvertretend das verbal „abbekommen“, was eigentlich an Chef oder Partner adressiert sein müsste…

So in etwa läuft das meiner Meinung nach auch in der Kita-Spielecke ab: irgendwo muss der Druck raus – und da klein Kim und klein Luis weder schimpfen noch Autofahren können, kommt er eben auf die brachialere Art zum Ausdruck – und führt dem Kitakumpel gegenüber zu eben diesem Biss im Morgengrauen…

Was schließe ich daraus?

Aus Perspektive meines Kindes, das gebissen wurde, empfinde ich natürlich Besorgnis und Mitgefühl und es ist mir ein Anliegen, dass die Erzieherinnen das andere Kind gut im Blick behalten, Situationen entschärfen und so möglichst weitere Beißattacken verhindern. Andererseits empfinde ich ehrlich gesagt auch Mitgefühl für den kleinen „Beißer“, der sich über Monate nicht anders auszudrücken wusste und noch immer weiß. Vor etwa einem Jahr hat unser Sohn in der Kita übrigens auch ein paar Mal zugebissen. Das war, als er noch so gut wie gar nicht sprechen konnte, wir als seine Eltern mitten in der Trennung steckten und es zuhause nicht gerade friedlich zuging. Mir war damals sehr wichtig, dass unser Kleiner Alternativen zu seinem destruktiven Verhalten finden konnte (Weggehen statt Schubsen etc.). Vor allem aber haben sein Vater und ich uns daran gemacht, zu klären, was zwischen uns im Argen war und unserem Sohn damit das zu geben, was ein Kind unserer Meinung nach (zum Glück waren wir uns darin einig) ebenso braucht wie klare Grenzen: nämlich ein friedliches, stabiles Umfeld. Eltern, die wahrnehmen und nicht nur fordern und begrenzen. Eltern, die Zeit und Ruhe schenken. Eltern, die schätzen, wie ihr Kind ist und nicht wie sie es gern hätten. Eben das Gegenteil von Gewalt.

Frieden lernt wer in Frieden leben darf.

Das glaube ich fest – und wünsche dieses Geschenk von Herzen jedem Kind!

In diesem Sinn friedliche Grüße, 
Sunnybee

 

 

 

 

 

 

alleinerziehend, Beruf, Familie, Gesellschaft

Lena H.: „Ich bin eigentlich ausgesöhnt mit ihm“

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Lena H.: Ihr Lachen ist mitreißend, ihre Mohnschnecken legendär;-) – herzlich und kreativ ist sie, Estlandliebhaberin (ein Teil ihrer familiären Wurzeln sind hier zu finden) und verlässlich für ihre Freunde da. Seit fast 15 Jahren arbeitet sie als selbständige Übersetzerin, ist daneben Mutter einer mittlerweile zehnjährigen Tochter, von derem Vater sie seit 31/2 Jahren getrennt lebt. Ich freue mich sehr, mit ihr meine Reihe „Working Moms & Dads“ beginnen zu dürfen!

Liebe Lena,

du lebst vom Vater deiner Tochter seit inzwischen 3 ½ Jahren getrennt. Verstehst du dich als alleinerziehend?

Ich würde schon sagen, dass ich alleinerziehend bin, denn meine Tochter und ihr Vater sehen sich einfach nicht so oft. Sie ist immer mittwochs und jedes zweite Wochenende bei ihm. Insofern treffe ich die meisten Alltagsentscheidungen. Das empfinde ich auch als entlastend, weil ich dadurch nicht immer in den Konflikt mit ihm gehen muss. Als wir zusammen lebten, gab es häufig Konflikte in Bezug auf Fragen der Kindererziehung und jetzt kann ich das alleine entscheiden. Manchmal empfinde ich die alleinige Verantwortung natürlich auch als belastend. Es gab schon Phasen, in denen ich wirklich froh war, wenn unsere Tochter wieder mal bei ihrem Vater war. Aber im Alltag empfinde ich unser Modell als positiv. An größeren Fragen ist mein ehemaliger Mann übrigens beteiligt, er ist z.B. in Entscheidungen zur Schulwahl mit einbezogen oder geht auch mal mit unserer Tochter zum Arzt.

Eure Tochter ist die meiste Zeit bei dir und eher „zu Besuch“ bei ihrem Vater. Hast du den Eindruck, das ist für sie stimmig? 

Neulich hat unsere Tochter gesagt, sie möchte gerne öfter zu Papa, also an zwei Tagen pro Woche. Sie hat auch geweint und ich habe mich gefragt: haben die beiden einfach nur eine schöne Zeit zusammen und sie hat deswegen Lust, öfter zu ihm zu gehen, oder geht es ihm seelisch nicht gut, wie das schon einmal der Fall war, und sie will ihn glücklich machen? Ich habe nicht pauschal gesagt: Das geht nicht, aber ihr erklärt, dass ich den Eindruck habe, sie sei nicht so ausgeglichen gewesen, als sie eine Zeit lang häufiger bei ihm gewesen sei. Das hat sie so hingenommen. Ich habe aber auch gesagt: Du kannst natürlich zu Papa gehen, wenn du das gerne möchtest. Bisher haben wir das immer so gehandhabt, dass sie auch spontan zu ihm gehen konnte, wenn sie das wollte. Sie ruft ihn dann an und meist sagt er dann: „Ja, ich komme und hole dich ab!“

Einen direkten Austausch über eure Tochter habt ihr als Eltern nicht mehr?

Kaum. Wir haben uns zwar in Bezug auf die Schulwahl ausgetauscht und ich habe ihn auch kürzlich angerufen wegen des Geburtstags unserer Tochter. Aber die Kommunikation zwischen uns ist nicht wirklich gut. Wenn wir etwas absprechen müssen, schreiben wir einander meist Kurznachrichten. Einmal im Monat schickt er mir seinen Dienstplan, aber er selbst ruft mich eigentlich nie an und manchmal antwortet er auch nicht sofort auf meine Nachrichten. Die Kommunikation zwischen uns ist wirklich noch schwierig.

Ihr habt also Themenbereiche, über die ihr nicht redet und kommuniziert überhaupt wenig miteinander. Wünschst du dir das anders?

Wenn seine Art zu kommunizieren anders wäre, könnte uns vielleicht noch ein Freundschaft verbinden. Ich würde mir das total wünschen. Ich empfinde uns auch als Eltern noch verbunden. Am Geburtstag unserer Tochter habe ich ihn gesehen und gedacht: Ich würde ihn eigentlich am liebsten in den Arm nehmen und sagen: „Hey, guck mal, wir haben eine zehnjährige Tochter!“ Und ich denke auch noch daran, wie er mir im Kreißsaal bei der Geburt geholfen hat… [lacht]. Ich bin ihm auch noch für vieles in unserer Beziehung dankbar. Ich bin eigentlich ausgesöhnt mit ihm, aber ich habe das Gefühl, er ist es überhaupt nicht mit mir. Das macht es, glaube ich, so schwer.

Was war in der Zeit seit eurer Trennung besonders schwierig? Was ist euch deiner Meinung nach gut gelungen?

Ich glaube, was wir gut hinbekommen haben, ist, dass unsere Tochter wirklich sagen kann: „Ich will zu Papa“ und wir uns diesbezüglich spontan einigen können. Schwierig ist allerdings, wie gesagt, die Kommunikation. Auch während unserer Ehe konnten wir uns über viele Dinge einfach nicht verständigen und mussten irgendwann sagen: Okay, wir können darüber nicht reden. Die Übergaben sind daher auch nicht einfach. Eine Zeit lang haben wir noch zusammen einen Tee getrunken, aber seitdem wir, u.a. wegen des Unterhalts, mehrere ernsthafte Konflikte hatten, tun wir das nicht mehr. Mein ehemaliger Mann holt unsere Tochter meist bei uns ab. Wir sprechen dabei wenig miteinander. Diese Situationen sind nicht schön. Manchmal ist unsere Tochter auch bei einer Freundin und er holt sie von dort ab. Von ihm aus geht sie meist in die Schule und von dort zurück zu mir.

Im Ganzen ist das sicher keine einfache Situation. Würdest du sagen, dass dir dein Beruf eher Kraft gibt oder ist er eine zusätzliche Belastung?

Mein Beruf als Übersetzerin ist etwas, was mich ausmacht und ich bin sehr froh, dass ich ihn habe. Natürlich gibt es Situationen, in denen mir alles zu viel wird und ich denke, ich könnte auch mal Urlaub vertragen. Als Selbständige ist es einfach schwer, sich wirklich frei zu nehmen. Zwischen Weihnachten und Neujahr möchte ich eigentlich keine Aufträge annehmen, aber dann arbeite ich nur einen halben Monat, was wegen des Geldes wieder schwierig ist. Das ist eine Schattenseite des Alleinseins. Mein ehemaliger Mann hat ja gut verdient, wir hatten ein sicheres Einkommen – das hat sich seit der Trennung für mich schon deutlich verändert.

War die eigentliche Trennung für dich eine schwere Entscheidung?

Auf jeden Fall. Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens. Was mir geholfen hat, waren auf jeden Fall meine Freunde. Ich glaube, es war rettend für mich, dass ich Freunde – und auch meine Mutter – hatte. Alle haben mich darin bestärkt, meinen Weg zu gehen. Und auch jetzt noch hilft es mir, so gute Freunde zu haben. Mir fällt auf, dass einiges, was ich bisher erzählt habe, ziemlich negativ klingt, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass es trotzdem ganz gut läuft. Vermutlich, weil ich keinen Groll mehr gegenüber meinem ehemaligen Mann hege. Ich würde ihm trotzdem noch eine Hühnersuppe kochen, wenn er krank wäre. Ich bin einfach ausgesöhnt mit ihm. Nur doof eben, dass es ihm wohl mit mir nicht so geht… [lacht]

Was würdest du jemandem, der als Alleinerziehende/r erst seit kurzer Zeit getrennt ist, mitteilen wollen?

Ich würde raten, dass er oder sie versuchen soll, herauszufinden, was der eigene Anteil an der Trennung und auch an den Konflikten in der Beziehung war. Zu schauen: was davon will ich in der nächsten Beziehung genauso, was will ich anders machen? Und auch zu sagen: Okay, das ist mein Weg gewesen, es gab Gründe, warum ich so gehandelt habe. Den anderen kann ich nicht verändern. Ich habe eine Freundin, die immer versucht, ihren Ex-Mann dazu zu bringen, ihre Kinder anders zu erziehen, als er es tut. Aber er ist einfach so und sie kann ihn nicht anrufen und sagen: „Guck mal, das hast du schon wieder falsch gemacht!“ Man muss akzeptieren, was der andere mit den Kindern macht, es sei denn, es ist etwas Gefährliches. Damit Frieden zu schließen und wirklich anzunehmen, dass man den anderen nicht verändern kann, ist meiner Meinung nach das Wichtigste.

Vielen Dank für das Interview!