Zwischen Ende 20 und 45, in der Zeit, in der viele Menschen eine Familie gründen und zugleich (weiter) berufstätig sind, wollte auch ich Familie und Beruf unter einen Hut bringen. Mitte 2016 war unser Sohn elf Monate alt und ich fing wieder an zu arbeiten.
Anfang 2017 trennten sich mein Partner und ich. Dabei hatte eigentlich alles ganz gut angefangen: Unser Sohn ließ sich innerhalb kürzester Zeit in der Kinderbetreuung eingewöhnen und wurde im ersten Jahr nicht einmal gravierend häufiger krank als sonst. Ich arbeitete (in Teilzeit) wieder an meiner alten Schule, verdiente mein eigenes Geld und wurde neben der fürsorgenden Tätigkeit zu Hause wieder intellektuell gefordert. Alles super, oder?
Mein Partner und ich stritten uns dennoch bald täglich. Schließlich arbeitete er auch, unsere Kinderbetreuung von 8-13 Uhr (es war der einzige Platz gewesen, für den wir in unserem kinderreichen Stadtteil eine Zusage bekommen hatten) reichte zeitlich vorne und hinten nicht und so blieb immer die Frage: wer übernimmt die Betreuung während Terminen nach 13 Uhr, die an meiner Schule gar nicht so selten waren, wer organisiert die Babysitterin, wer kümmert sich um alles, wenn doch einer krank ist? Großeltern und sonstige Familienangehörige lebten auch nicht in der Nähe.
Trennung als Kollateralschaden?
Unsere Trennung als Kollateralschaden des Lebens als Familie mit Beruf? Waren wir einfach nicht gut genug organisiert gewesen, hatte unsere Liebe nicht gereicht, um die – zugegebenermaßen anstrengende – Baby- und Kleinkindzeit zu überstehen? Eigentlich kann ich diese Punkte noch nicht einmal bejahen. Nicht einmal die Liebe war bei unserer Trennung verschwunden, wohl aber hatten wir im Dauerstress des Alltags irgendwann begonnen, für uns selbst zu kämpfen statt füreinander. War ja eigentlich auch kein Wunder. Der Arbeitgeber meines Partners erlaubte ihm zwar Gleitzeitarbeit, aber letztlich blieb doch die Erwartung, dieselbe Arbeit in kürzerer Zeit zu erledigen. Und ich durfte anstandslos meine (wenigen) Kinderkrankentage nehmen, aber zugleich wurde von mir natürlich auch erwartet, meine Arbeit nachwievor vollständig und verantwortungsvoll zu erfüllen, inklusive Vorbereitung und stundenlanger Korrekturen zuhause, Zusatzaufgaben und nachmittäglicher Konferenzen.
Eigentlich offensichtlich, dass das auf Dauer zuviel war? Dass die Erwartung „volle Leistung am Arbeitsplatz – volle Leistung zuhause“ sich auf Dauer nicht erfüllen lassen würde? Oder waren nur wir nicht belastbar genug? Allein unser persönliches Problem?
Familienleben ist keine Privatsache
Heute, über vier Jahre wieder im Beruf, würde ich sagen: nein, es war nicht nur unser persönliches Problem. Sicherlich spielten persönliche Faktoren eine Rolle wie unser beiderseits nicht hilfreicher Umgang mit Stress oder unser viel zu dünnes soziales Netz vor Ort. Aber wir hatten auch nie hinterfragt, ob ein Leben als Familie, in dem beide Eltern berufstätig waren, wirklich für uns passte. Und ob wir uns überhaupt mit Kind an eine Arbeitswelt anpassen wollten, die Care-Arbeit innerhalb der Familie als Privatsache und als selbstverständlich zu erledigende Leistung neben der bezahlten (und damit eigentlich wertvollen?) beruflichen Arbeit ansieht.
Ich selbst war – und bin – die Erste, die den Wert selbstverdienten Geldes für mich als Frau und Mutter erkennt. Immerhin ermöglichte es mir nach meiner Trennung finanziell den Lebensstandard für mich und meinen Sohn beizubehalten und gab – und gibt – mir bis heute ein Gefühl von Stolz und Selbstvertrauen.
Working Mom, aber nicht die „Mutti“ im Team…
Allerdings stelle ich mir zunehmend die Frage: will ich für dieses Geld mein Privatleben, meine tägliche enorme Leistung als Organisatorin, Motivatorin, Pädagogin, Köchin, Pflegerin etc. in der Familienarbeit zu meiner „Privatsache“ machen, die in meinem (bezahlten) Berufsleben möglichst keine Rolle spielen darf? Will ich Beruf und Privatleben „vereinbaren“, indem ich in beiden Bereichen den jeweils anderen möglichst unsichtbar mache?
Ohne es anfänglich zu merken, hatte ich das tatsächlich versucht. Bei der Arbeit lenkte ich alle Nachfragen nach meinem Sohn und unserem Familienleben rasch zurück auf fachliche Themen. Klar, mal ein eingeworfener Satz vom Schlafmangel in der Nacht davor oder über den Stress am frühen Morgen, aber ich wollte definitiv nicht als die Mutti wahrgenommen werden, deren Blickfeld sich auf Spielplatz und Kinderbrei verengt hatte. Es reichte schließlich, dass prestigeträchtige Aufgaben, die ich vor meiner Elternzeit übernommen hatte, jetzt wie selbstverständlich andere Kolleg/innen weiterführten und ich gar nicht die Kraft hatte, sie wieder für mich zu beanspruchen.
Wenn ich ehrlich war, war ich mit meinem eigentlichen Deputat völlig ausgelastet. Aber wirklich zugestehen wollte ich mir das auch nicht. Natürlich: ich sagte mir, dass ich mit 60 Prozent in der Schule und (mindestens) 50 Prozent zuhause ohnehin genug arbeitete, aber lieb wäre mir doch gewesen, ich hätte bei der Arbeit weiter meinen Anspruch der 100 Prozent erfüllen können. Wenig hilfreich waren in dem Zusammenhang auch Erfahrungen wie die, von meiner Chefin einer neuen Kollegin gegenüber als die „Mutter im Team“ vorgestellt zu werden, obwohl ich eigentlich als Fachkollegin bei dem Gespräch anwesend war und bei der Nachfrage um eine Beförderungsstelle beschieden zu bekommen, ich habe doch das Glück, jetzt ein Kind zu haben, die Bewerbung um eine Beförderung könne ich zu einem späteren Zeitpunkt immer noch ins Auge fassen.
Tja, und schon war ich mittendrin in der (Nicht-) Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Wieviel davon ist strukturell bedingt, wieviel „selbstgemachter“ Druck, den wir Mütter – und durchaus auch Väter – uns selbst machen? Einerseits vergibt die Bundesregierung seit 2007 maximal 14 Monate lang volles Elterngeld für Paare (für Alleinerziehende ebenfalls bis zu 14 Monate lang). Danach muss meist weiteres Einkommen her. Auch das Elterngeld Plus, das Paare bei zusätzlicher Teilzeitarbeit bis zu 28 Monate lang erhalten können (Alleinerziehende ebenfalls bis zu 28 Monate lang) soll ja die Berufstätigkeit beider Elternteile fördern. In NRW sicherte 2015/16 zudem eine neu eingeführte Regelung der Landesregierung Lehrer/innen nur ein Jahr lang den konkreten Platz an der alten Schule zu. Ich zumindest wollte damals gerne an meiner Schule bleiben, also überlegte ich mir zweimal, ob ich mehr als die „erlaubten“ 12 Monate Elternzeit nehmen wollte. Auch der Ausbau der U3-Kinderbetreuung ist ein klares Signal: Männer und vor allem Frauen sollen die Möglichkeit haben, möglichst früh nach der Geburt ihrer Kinder wieder in den Beruf einzusteigen.
Das alles sehe ich als Errungenschaft an, da es grundsätzlich die Wahlfreiheit von Müttern stärkt. Jede Frau soll für sich entscheiden können, ob sie nach drei Monaten, nach einem Jahr oder nach zehn Jahren wieder in ihren Beruf einsteigt.
Als Mutter nicht arbeiten, als sei ich kinderlos
Aus meiner praktischen Erfahrung heraus sage ich aber: als Mutter will ich nicht arbeiten können, als sei ich kinderlos, ich will meine Kinder nicht einerseits im Berufsleben unsichtbar machen und doch unterschwellig dagegen ankämpfen müssen, als Mutter für weniger leistungsfähig (da z.B. zeitlich weniger flexibel) angesehen zu werden. Auch im Privatleben will ich nicht so tun müssen, als gehe mir die tatsächliche Doppelbelastung eines Lebens mit Beruf und (kleinem) Kind immer leicht von der Hand. Bei der Arbeit erzählt „Frau Kollegin“ nichts von den Sorgen zuhause, zuhause ist sie nach ihrem Arbeitstag bitteschön „ganz Mutter“, fürsorglich und entspannt…
Diese künstliche Trennung zwischen beruflichem und privatem Leben, die dadurch oft fehlenden Berührungspunkte (außer, es geht, wie im Fall eines kranken Kinde nichts anders und ein Bereich lässt sich nicht mehr klar vom anderen trennen) sehe ich inzwischen als das eigentliche Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ist es tatsächlich „unprofessionell“, wenn wir bei der Arbeit klar als Mutter oder Vater erkennbar sind und unsere Kinder im Fall von Terminen außerhalb der Schul- oder Betreuungszeiten auch einfach mal an unseren Arbeitsplatz mitnehmen? Ist es „unprofessionell“, wenn wir uns auf unsere (unbezahlte) Fürsorgearbeit in der Familie berufen, um beruflich zusätzliche Termine in den Nachmittags- oder gar Abendstunden nicht wahrnehmen zu müssen? Ist es „unprofessionell“, wenn wir bei Verhandlungen um Gehaltserhöhungen und Beförderungen (auch) mit Kompetenzen argumentieren, die wir als Mutter oder Vater in der Familienarbeit erworben haben?
Wer sagt eigentlich, dass unser Privatleben möglichst wenig mit unserem Beruf und unser Beruf mit unserem Privatleben zu tun haben soll? „Mama arbeitet“, das ist eine Tatsache für Millionen von Kindern in unserer Gesellschaft. Wollen wir diese (berufliche) Arbeit zu unserer Privatsache als Mutter oder Vater machen? Unsere ganz individuelle Verantwortung, wie wir es schaffen, im täglichen Klein-Klein Beruf und Familie zu verbinden?
Ideen für wirkliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Ich würde sagen: macht die Fürsorgearbeit zuhause so sichtbar und gut bezahlt wie die Arbeit im Büro! Bis zum 26.3.2020 läuft hierzu übrigens eine Bundestagspetition der Care-Aktivistin und alleinerziehenden Mutter Claire Funke. Hier findet ihr sie.
Lasst unsere Kinder erfahren, wohin wir täglich 6-10 Stunden lang verschwinden und was wir bei unserer Arbeit tun! Zeigen wir ihnen, was uns an unserem Arbeitsplatz begeistert oder auch einfach nur, was wir tun, um den Lebensunterhalt für die ganze Familie zu verdienen. Anschauungsunterricht aus dem Leben, jenseits aller Berufsorientierungsprojekte und pädagogischer Fördermaßnahmen. Wie so etwas konkret aussehen kann, lest ihr z.B. in diesem berührenden Beitrag einer alleinerziehenden Mutter.
Gebt unseren Kolleg/innen die Chance, uns ab und an direkt im Büro als kompetente Mutter oder fürsorglichen Vater zu erleben! Vielleicht können sie so auch besser nachvollziehen, für wen sie ihre Schicht tauschen oder auch mal Extra-Arbeit übernehmen, wenn unser Kind Magen-Darm hat.
Seid überhaupt stolz, Mütter oder Väter UND berufstätig zu sein. Natürlich, berufstätige Väter (und phasenweise auch Mütter) gab es schon immer. Neu ist, dass wir uns dabei so viele Gedanken um unsere Verantwortung als Eltern machen. Familie leben ist eben mehr als für das körperliche und materielle Wohl unserer Kindern zu sorgen. Gut, dass wir uns heute dessen bewusst sind. Für diese verantwortungsvolle Aufgabe brauchen wir aber auch Zeit und Kraft.
Schafft euch daher (neue) Netzwerke: wo leibliche Großeltern und Geschwister weit entfernt leben oder mit ihrem eigenen Leben beschäftigt sind, brauchen wir neue Netzwerke, die uns tragen. Verbindliche Bezugspersonen für unsere Kinder und für uns selbst. Familienleben – erst recht, wenn beide Eltern berufstätig sind oder wir alleinerziehend die Hauptverantwortung tragen – kann gar kein Einzelkämpfertum sein. Es braucht mehr als zwei (oder gar eine/n Erwachsene/n) um Kinder gut ins Leben zu begleiten!
Lasst uns schließlich auch über ganz neue Formen der Arbeit und des Geldverdienens nachdenken und uns für sie einsetzen, bzw. sie einfach ausprobieren! Wer sagt, dass wir immer nur „Zeit gegen Geld“ tauschen müssen? Lasst uns kreativ sein und über neue Einnahmequellen und Verdienstmöglichkeiten für unsere Familie nachdenken. Nicht nur klassische Erwerbstätigkeit kann Geld in die Familienkasse bringen. Einige interessante Alternativen und erste Ideen, wie ihr diese umsetzen könnt, findet ihr z.B. hier.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist machbar – auf neuen Wegen!
Optimistisch würde ich sagen: als Mutter oder Vater glücklich berufstätig zu sein ist durchaus möglich. Und auch ein zufriedenes Familienleben mit Beruf ist realisierbar. Aber wir müssen dafür die Strukturen eines patriarchal geprägten (Vollzeit-) Arbeitslebens hinterfragen und zum Teil auch unsere eigenen Gewissheiten und Glaubenssätze. Und wir müssen bereit sein, für unsere Familie und uns selbst ganz neue Wege zu gehen. Neu denken und neu handeln, anecken, wirklich Pioniere sei. Das macht vielleicht Angst und ist gegebenenfalls auch mit Konflikten verbunden. Aber bestenfalls ermöglicht es uns auch, dass wir unseren Kindern vorleben, nicht nur „doppelt belastet“ zu sein von Familie und Beruf, sondern doppelt erfüllt.
Was meint ihr? Ich freue mich sehr über eure Anmerkungen und Kommentare, gerne hier oder auch auf meiner Facebook-Seite!🙂
Herzlichen Gruß, Sarah
[Foto: Pixabay]
Puh. Schwere Kost für mich. Mein 1. Arbeitgeber bei der Trennung wollte mich ja nach der Elternzeit nicht mehr, weil Frühschicht ab 6 ging plötzlich nicht mehr. Spätschicht ab 16 Uhr ging auch nicht. Ich war es ihm nicht wert sich Gedanken darüber zu machen, wie er mich mit meinen Stärken im Team mit einbauen kann. Lieber hat er mich gehen lassen und ne Stelle für ne Fachkraft freigegeben, die eben flexibel ist. Ich war am Boden. Ich bin stolz auf meine Ausbildung, ich bin motiviert, freundlich, liebe meine Arbeit und bin immer pünktlich. Plötzlich war das alles nichts mehr wert. Damals konnte ich das alles nicht fassen. Ich wollte im 2. Leben Lehrerin werden statt Krankenschwester, aber dank deinem Artikel weiß ich, dass das auch nicht ganz ohne ist.
Bei mir ist Privates und Berufliches kaum zu trennen. Jeder kennt meine Situation. Wenn ich 17.30 Uhr meine 3 stündige Pflichtfortbildung 1. Hilfe habe, klar, sind die Kinder dabei. Bin ich mal flexibel und kann noch zur Schulung bleiben nach meiner Dienstzeit, ist klar, dass der 8-Jährige mich gleich anruft, weil er alleine heim läuft und ich Bescheid wissen will.
Es gab in meiner aktuellen Arbeit 2 Krisengespräche wegen mir. Jedesmal ging es um die Wochenenden, die ich ne Weile nicht leisten konnte, weil der Papa wochenlang in Thailand war und als er keine Wohnung hatte. Da hört das Verständnis meist auf. Und bei wenigen beginnt es gerade da. Habe beides erfahren. Von ganz ganz oben wurde mir ganz klar gesagt, dass ich sowas von gewollt bin. Weil sie genau mit sowas werben und genau Müttern wie mir die Chance geben wollen. Das ist ein schönes Gefühl und erleichtert einiges.
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Ich bin gespannt auf eure Kommentare! Findet ihr die genannten Anregungen praktikabel? Wie verbindet ihr selbst Familie und Beruf? Haltet ihr die Bereiche getrennt oder macht ihr euch als Mutter oder Vater mit eurer Kompetenz und Erfahrung im Beruf sichtbar – und nicht erst, wenn ihr Kinderkrankentage nehmen müsst?😉 Lg, Sarah
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Liebe Sarah,
danke für deine Gedanken.
Ich habe da eine ziemlich radikale Einstellung, die mich wahrscheinlich als so alt (modisch) outet, wie ich nun einmal bin.
Ich halte nichts von einer Betreuung unter Dreijähriger oder zumindest unter Zweijähriger in Kinderkrippen, diese Kinder gehören für mich nach Hause, wo sie exklusiv und mit enger Bindung wachsen dürfen sollten, ihren eigenen Rhythmus leben, in kein Zeitschema gepresst, in Ruhe, ohne Katastrophenstimmung, auch mal krank sein dürfen, ob nun von Mutter, Vater, anderen Haushaltsmitgliedern im Wechsel betreut.
Wir werden immer älter, wir bekommen immer weniger Kinder, warum ist es für uns und unsere Gesellschaft so eine Katastrophe, wenn in diesen paar Lebensjahren keine Erwerbsarbeit geleistet wird?
Warum kann und will sich das eine reiche Gesellschaft nicht leisten?
Warum müssen Babys schon „gebildet“ werden? Warum müssen Menschen ununterbrochen der Wirtschaft zur Verfügung stehen?
Als ich mein erstes Kind allein bekam, gab es immerhin noch zwei Jahre Erziehungsgeld, von den 600 DM konnte zwar kein Mensch leben und ich war dankbar eine Stelle (häusliche Betreuung eines schwerbehinderten Kleinkindes) zu haben, wo ich mein Baby mitbringen durfte.
Ich war sehr dankbar dafür und auch dankbar, dass ich dank Pflegegeld dieses auch zwanzig Jahre für mein Pflegebaby realisieren konnte.
Verblödet bin ich dabei nicht.
Es grüßt die Dinofundevogelmutter.
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Liebe Natalie,
mein Gefühl gibt dir ganz recht. Im Rückblick finde ich es aus verschiedenen Gründen auch zu früh, dass ich meinen Sohn bereits mit elf Monaten in einer Gruppe von 10 Kindern von halb Fremden habe betreuen lassen. Ich denke, dass ich es so früh und in einem solchen Rahmen auch nicht mehr täte. Damals war ich allerdings tatsächlich nicht entschlossen genug, mich gegen die so offensichtliche Erwartung auch seitens meines Arbeitsgebers zu stellen. Ich denke, da sind viele junge Eltern erst einmal verunsichert und verlieren ggf. auch den Zugang zu ihrem Bauchgefühl. Zu arbeiten und mein Kind dabei zu haben war in meinem Beruf allerdings auch keine Option. Und zu riskieren, meinen konkreten Arbeitsplatz zu verlieren? Die Entscheidung war nicht leicht.
Ich habe daher versucht, genau diese Ambivalenz in meinem Artikel herauszuarbeiten und dass sie ggf. noch dadurch verstärkt wird, dass wir innerlich sogar von uns selbst erwarten, mit Kind zu funktionieren wie zuvor. Genau das sehe ich inzwischen sehr kritisch. Kein Plädoyer dafür, 10 Jahre lang alle eigenen Ambitionen für die Kindererziehung zurückzustellen, eher schlicht die Erkenntnis, dass nicht zu unrecht die (staatliche) Elternzeit eigentlich 3 Jahre dauert, da ein Säugling und Kleinkind schlicht soviel Energie, Flexibilität und auch Herzensöffnung von uns benötigt, ganz andere Qualitäten als die Rationalität, Durchsetzungsstärke und ggf. auch Härte, die die Arbeitswelt von uns fordert. Das Thema wird mich sicher noch länger beschäftigen. Danke für deinen Standpunkt dazu!
Viele Grüße, Sarah
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Ich wollte dir keinesfalls ein schlechtes Gewissen machen. Und habe als Arbeitende in einem absoluten Mangelberuf (Pflege) bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auch eine komfortable Situation.
Drei Jahre Elternzeit müssen aber auch heißen, dass man sich diese drei Jahre leisten können muss. Und will.
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Interessanter Beitrag. Ein Thema, welches eigentlich alle Mütter und Väter immer wieder beschäftigt.
Wir haben uns für das traditionelle Familienbild entschieden, da wir unsere beiden Berufe plus Kinder (Mehrzahl) nicht miteinander vereinbaren ließen.
Laut mir ist die Vereinbarkeit im vielen Fällen nicht möglich und wenn durchgedrückt, weil muss, sehr zum Nachteil für die Eltern-Kind-Beziehung.
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