alleinerziehend, Persönliches

In Verbindung mit mir selbst: Mein Sommer als alleinerziehende Mutter

Blick aus dem Fenster auf Einfamilienhäuser und bewaldeten Hügel unter blauem Himmel.


Meine Jungs sind gerade bei ihrem Papa. Während sie unter dem Jahr deutlich öfter bei mir sind und vor allem ich als Mutter den Alltag mit ihnen stemme, gibt es in den Ferien ganze „Papa-Wochen“ – in denen sie mit ihrem Vater auch in den Urlaub fahren. 

Ohne meine Kinder? Ungewohnt. Ich werde erst mal krank

Wie sich das anfühlt? Ich bin ehrlich: ungewohnt. Prompt werde ich in der Woche, in der sie nicht bei mir sind, erst einmal krank. Zwei Tage lang liege ich mit Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen im Bett. Jetzt könnte ich sowieso nichts tun, außer mich ausruhen.

Ein Privileg, das ich als (alleinerziehende) Mutter im Alltag eigentlich nie habe. Egal, ob übermüdet oder gesundheitlich angeschlagen, liegt die Verantwortung doch immer bei mir, muss ich noch vom Sofa oder aus dem Bett heraus organisieren, wer meine Kinder betreut, sie von Schule oder Kindergarten abholt, die Einkäufe erledigt, wenn ich es nicht tun kann. Krank sein im Sinne von „alles loslassen können“ gibt es für mich, seitdem ich Mutter bin, so gut wie gar nicht mehr. 

Umso eindrücklicher die Erfahrung jetzt. Nach zwei durchgetakteten ersten Ferienwochen, in denen ich täglich Treffen mit Freundinnen und Freunden meiner Kinder sowie eine komplette fünftägige Urlaubsreise organisiert hatte, zieht mein Körper punktgenau zur Übergabe meiner Jungs den Stecker: Morgens bringe ich sie zu ihrem Vater, gegen Mittag bekomme ich zum ersten Mal seit fast zwei Jahren Fieber. Ich will nur noch ins Bett – und kann es auch. 

Die nächsten Tage haben es in sich. Weniger körperlich, ich schwitze vor allem und bin müde. Aber seelisch beutelt es mich ordentlich. Alte Verletzungen, das Gefühl, in Schmerz, Trauer und Schwäche nicht gesehen zu werden. Anders als als Kind, kann ich jetzt darüber reden. Dennoch tut es weh.

Langsam kehrt die Kraft zurück – und damit der Genuss!

Nach zwei schmerzvollen Tagen gewinne ich langsam meine Kraft zurück. Vor dem Fenster ist wunderbares Wetter und einmal mehr bin ich von Herzen froh, dass wir von der Stadt aufs Land gezogen sind. Beim Blick aus dem Fenster sehe ich nun nicht mehr die Häuserfassade gegenüber, sondern den Himmel und dicht bewaldete Hügelketten. 

Und so, wie das Müssen und Wollen im Außen weniger wird, beginnt sich mein reiches Innen wieder zu entfalten. Dort ist ja genug, was mich unterhält. Nicht nur – wie sonst im Alltag viel zu oft – der Wunsch nach Organisation, Überblick und damit einhergehend die Besorgnis oder sogar Angst, wenn sich das Leben wieder einmal meiner Kontrolle entzieht. 

Statt dessen ein lustvolles „Seelenzittern“. Viel ist möglich. Ich darf für einen Augenblick einfach sein. Ohne konkretes Handeln. Vielleicht heute auch einfach im Bett, ganz zurückgezogen, allein. Oder doch draußen in der Natur? In Kontakt? Rufe ich eine Freundin an? Oder bleibe doch nur in Austausch mit mir selbst?

Hochsensibel – Ach ja, da war ja was…

Ein Buch aus meinem Regal fällt mir in die Hände. Spannenderweise nach Jahren wieder einmal zum Thema Hochsensibilität. Und ich erinnere mich bewusst: Das bin ich selbst ja immer noch, neben vielem anderen. Ein Mensch mit intensiver Wahrnehmung, der alles, was in mich hineinwirkt, auch tief und langanhaltend in sich trägt und in sich verarbeiten muss. Kein Wunder, brauche ich Rückzugsmomente, die Möglichkeit zu Reflexion, ja: Kontemplation. 

Und jetzt erlebe ich seit Langem wieder einmal einen solchen Moment. Mehrere Tage, in denen ich nur bei mir und mit mir sein kann. Ganz zart und vogelleicht beginnt mich Dankbarkeit zu erfüllen. Dass ich diesen Raum habe. Dass ich nun doch einmal wieder einfach nur da sein darf. 

Wie passt das zu meinem Engagement im Außen?

Ich will und fordere, dass alle Frauen und Mütter diesen Raum bekommen. Für sich und mit sich. Das ist auch in unserer scheinbar gleichberechtigten Gesellschaft noch längst nicht selbstverständlich. Mütter sorgen auch im „Urlaub“ weiter. Sie sind da, wenn alle anderen ihr Ding machen, sich entspannen. Wie soll frau auch das Bewusstsein bekommen, dass Raum für sich selbst wertvoll ist? Wenn viele von uns kaum noch wissen, wie sich dieser Raum anfühlt, wie gut, kräftigend und wertvoll er sein kann?

Paradoxerweise habe ich als Alleinerziehende phasenweise mehr Zeit für mich als eine Mutter in einer Zwei-Eltern-Familie. Warum ist das so? Warum müssen Frauen sich oft erst trennen, um Räume für sich zu erhalten – oder sie sich selbst zuzugestehen? Geht das nicht auch in einer Partnerschaft? Warum geht das viel zu oft nicht in einer Partnerschaft?

Ich bin sicher, auch da darf noch viel Heilung geschehen. Männer dürfen lernen, ihre Familie, ihre Partnerinnen, ihre Kinder und ihr eigenes Bedürfnis nach Verbindung an die erste Stelle zu stellen. Vor die Verpflichtung ihrem Arbeitgeber, dem Beruf, dem Leben im Außen gegenüber. Viel zu oft tun sie genau das noch nicht. Weil sie eben auch zu wenig erfahren haben, dass in dieser Achtsamkeit, in diesem Raum, sich selbst und anderen gegenüber, eine große Chance liegt.

Nachdenklich betrachte ich diese inneren und äußeren Zusammenhänge. Noch allein für mich. In ein paar Tagen und Wochen wieder mit anderen Menschen – und vielleicht auch irgendwann wieder mit einem speziellen anderen Menschen, wer weiß?

Verbindung wächst aus Verbindung mit dir selbst. Das wird mir in diesem Moment des Seins mit mir selbst deutlich. 

Diese Verbindung wünsche ich mir gesellschaftlich noch viel stärker. 

Und ich gebe sie mir gerade selbst. In diesem Moment. Wie schön!

Herzlich verbundene Sommerwochen euch allen

Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.

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[Foto: privat]

2 Gedanken zu „In Verbindung mit mir selbst: Mein Sommer als alleinerziehende Mutter“

  1. Mehr Zeit vielleicht auch deshalb, weil man für eine Person weniger mitdenken und Rücksicht nehmen muss. Vielleicht, weil man sich weniger zurücknehmen muss, man mehr man selbst sein darf, mehr frei entscheiden und mehr auf sich selbst schauen kann.

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    1. Nun ja, das frei Entscheiden ist als Hauptverantwortliche für zwei noch relativ kleine Kinder auch nicht immer gegeben… Aber ja, diese Woche allein schuf den Raum, mal wieder zu spüren, was wirklich innerlich ansteht. Ganz für mich persönlich. Das tat gut!:-)

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