
Die Werbung ist voll davon: rosa Herzen, leuchtende Kinderaugen, kleine Hände, die der heißgeliebten Mama Selbstgebasteltes (oder zumindest Selbstgekauftes) entgegenstrecken. Am Muttertag wird nicht mit Lob, Blumen und Komplimenten gespart. Dabei ist auch im Jahr 2021 für Mütter in Deutschland nicht alles so rosig.
„Mama, du bist die Beste!“
Du schmierst im Lauf eines Kinderlebens geschätzte 4000 Pausenbrote, von denen rund die Hälfte unangerührt ihren Weg zurück nach Hause findet. Du bist für uns da, Tag und Nacht, Sommer wie Winter, wenn unsere Knie bluten und deine Bronchien rasseln. Urlaub von uns hast du nicht, willst du nicht, brauchst du nicht, oder? Du bist fast immer verfügbar, für deine Brut, deinen Mann (falls vorhanden), deinen Arbeitgeber, für den Elternbeirat, die ehrenamtliche Flüchtlings-Willkommensinitiative und das Kuchenbacken beim Schul-Sommerfest. Du pflegst die Kontakte zu den Müttern und Vätern im Kindergarten, füllst Freundschafts-Alben aus, wenn wir noch gar nicht schreiben können, trägst uns unsere Turnbeutel hinterher und weißt, dass Liverpool im Champions-League-Finale steht. Du gehst wie Papa zur Arbeit, bekommst nachmittags noch Mails von deinem Chef und wirst von deiner Chefin als die „junge Mutter“ im Team vorgestellt.
So viel Wertschätzung und Anerkennung!
Warum verdienst du dann in Deutschland nach der Geburt deines ersten Kind langfristig rund 60% weniger als davor? (vgl. Child Penalties Across Countries, 2019)
Warum hält dir keine/r in Teilzeit den Rücken frei und denkt zuverlässig an Arzttermine, Kindergartenelternabende, das Jacket in der Reinigung, den Kauf des nächstgrößeren Paar Schuhe, an den Geburtstag der besten Freundin, den Ehe-Jahrestag und an Omas Lieblingslikör?
Warum bist du schneller allein- oder getrennt erziehend, als du „Piep“ sagen kannst und bekommst trotz potentiell geringerem Gehalt (siehe oben) und, aufgrund deiner Kinder und reduzierter Arbeitszeit, verminderter Aufstiegschancen keine im Ansatz angemessene steuerliche Entlastung?
Warum wird deine Fürsorge, die tägliche Care-Arbeit für Kinder, Eltern, deinen (Ehe-) Partner, zwar beschworen und blumig gelobt, aber noch immer nicht ausreichend bezahlt? Gerade mal drei Rentenpunkte (vgl. Info des Sozialverbands VdK) sammelst du pro Kind für die Zeit, die du als „Hausfrau“ oder Teilzeitbeschäftigte und Mutter deine bezahlte Tätigkeit reduzierst. Das macht im Monat momentan etwa 100€ Rente zusätzlich (Stand: 2021). Wirklich große Sprünge sind damit nicht zu machen.
Warum ist das so und du beschwerst dich dennoch (oft) nicht?
Weil Mutter sein zu dürfen tatsächlich ein riesengroßes Glück ist, ein Geschenk ohne Verpackung, das Angebot des Lebens an dich, jeden Tag zu lernen, über dich hinauszuwachsen, wirklich von Herzen zu lieben – und geliebt zu werden. Weil Mutter sein in manchen Momenten tatsächlich aus rosa Herzen, strahlenden Kinderaugen und klebrigen Küssen besteht und du darauf nie, nie, niemals wieder verzichten wolltest!
Aber deswegen braucht dir keiner zu sagen „Seien Sie froh, Sie sind Mutter, Sie brauchen die Beförderungsstelle doch nicht, um Ihrem Leben Sinn zu geben.“ Oder: „Was du privat leistest, ist einfach unbezahlbar, das ließe sich gar nicht mit Geld aufwiegen.“ Oder: „Frauen sind eben belastbarer, sonst bekämen wir Männer die Kinder.“ Oder: „Die Mütter in Teilzeit – ständig Freizeit und dann ist auch noch das Kind krank.“
Mutter sein ist ein Glück, aber von Glück allein kannst du nicht leben!
Also setzt euch ein:
- Für gesellschaftliche Anerkennung und angemessene Bezahlung von Care-Arbeit.
- Für Elternzeit für Frauen und Männer: ein Umdenken, auch in den Köpfen von Vätern und (männlichen er) Chefs, nicht 2 Monate „Familienurlaub“, nach dem das Paar in die Falle „Frau in Teilzeit, Mann als Ernährer in Vollzeit“ tappt.
- Für finanzielle, steuerliche und organisatorische Unterstützung von Allein- und Getrennterziehenden.
- Für mehr Aufklärung, was die arbeitsrechtliche und finanzielle Situation von Müttern angeht.
Auf los geht’s los! Wie wär’s mit einem #Mondayformothers analog zur Freitagsklimademo? Wie wär’s mit noch mehr Wohlwollen, Netzwerken und gegenseitiger Hilfestellung unter uns Frauen und Müttern? Wie wär’s mit Anerkennung und Unterstützung für starke Frauen wie Claire Funke, die sich für die Bezahlung und gesellschaftliche Anerkennung von Care-Arbeit einsetzt? Oder für Christine Finke und Annette Loers, die unermüdlich auf die oft missliche Situation alleinerziehender Mütter (selten: Väter) hinweisen und sich auch politisch engagieren, um diesbezüglich Verbesserungen zu erreichen? Oder einfach für die Freundin, Nachbarin, Mutter von nebenan. Und: für euch selbst!
Liebe Mütter, ihr macht einen Hammerjob! Seid stolz darauf, aber lasst euch nicht mit dem „Mutterglück“ abspeisen. Mama sein ist wunderbar, aber dabei finanziell unabhängig von eurem Partner oder als Alleinerziehende für das Alter abgesichert zu sein ist die Basis dieses Glücks.
All You Need is Love? Süße Worte zahlen dir nicht deine Rente!
Was sagt ihr dazu? Wie engagiert ihr euch? Was müsste eurer Meinung nach verstärkt für Mütter (und Väter) getan werden? Ich freue mich über eure Kommentare!
Herzlichen Gruß, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
P.S. Ist es euch aufgefallen? Den Artikel habe ich schon einmal veröffentlicht. Hier im Blog im Mai 2019 und leicht überarbeitet 2020 in meinem Buch „Alleinerziehend – und nun?“ Zwei Jahre sind also vergangen, seitdem er zuerst erschienen ist. Und 2021 ist er aktueller denn je…
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Liebe Sunnybee,
leider muss ich zugeben mich über meinen privaten Weg hinaus nicht dafür zu engagieren.
Aber zu den Fragen des „Warum lassen Frauen das mit sich machen?“ habe ich kürzlich in Jesper Juuls „Leitwölfe sein“ etwas sehr Interessantes gelesen. Er sagt, dass für Frauen über Jahrhunderte hinweg Liebe und korrektes soziales Verhalten als „die Kunst der vollständigen Selbstaufopferung“ definiert war. Die Emanzipation ist im Vergleich zu dieser Prägung noch sehr jung, intellektuell zwar bei uns allen angekommen, aber trotz der sozioökonomischen Unabhängigkeit noch nicht mit Fühlen und Wollen wirklich durchdrungen. Sehr erhellend fand ich Juuls Erläuterung zur Angst vor Egozentrik. Tatsächlich muss eine Frau, die zu ihren Bedürfnissen und Grenzen steht, mit dem Vorwurf der Egozentrik rechnen. Juul sagt, dieser Vorwurf gegenüber gesunder Individualität sei Markenzeichen aller autoritären Regime und der fundamentalistischen Auslegung von Religion! Ich kenne diesen Vorwurf sehr gut – von meinem Ex-Partner und meinem Chef! Und zwar, wann immer ich zu meinen Grenzen stehe oder für meine Bedürfnisse eintrete.
Mein Wunsch an alle: lasst Euch durch diesen Vorwurf nicht verunsichern!
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Liebe Feynsinnige,
ich denke, man muss nicht einmal bis zur „vollständigen Selbstaufopferung“ gehen, um zu erkennen, wie schwierig es für Mütter – und übrigens oft auch für Väter – ist, berufliche Verpflichtungen, die Bedürfnisse ihrer Kinder und dazu eigene Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Und da haben im Privaten Frauen wohl tatsächlich häufiger die Haltung „Na gut, mache ich das eben auch noch, sonst macht’s ja keiner“. Je selbstverständlicher damit von uns Frauen der ganze alltägliche Kleinkram, die Fürsorge und das Mitdenken für andere übernommen wird, ohne dafür z.B. entsprechende soziale Anerkennung oder finanzielle Sicherheit einzufordern, umso unsichtbarer wird diese alltägliche, riesige Leistung meiner Meinung nach. Dagegen wende ich mich in meinem Artikel!
Sehr fürsorgliche Männer gibt es natürlich auch – mein Ex-Freund gehört als Vater sogar dazu -, aber die haben es in einem System, das Fürsorge so wenig anerkennt, oft auch nicht leicht, z.B. aufgrund verständnisloser Arbeitgeber, für die Fürsorge-Arbeit noch immer „Frauensache“ zu sein scheint. Danke fürs Mitlesen und Kommentieren!
Herzlichen Gruß, Sunnybee
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Zum Glück sind nicht alle Männer Schweine, oder doch?
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Lieber Tilman,
soweit ich weiß, war das auch nicht Aussage des Artikels, oder?😉 Lg, Sunnybee
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Nein, natürlich sind Männer keine Schweine, aber dafür ist dieser Text von dir wunderbar geschrieben (es stimmt, wir Mamas sind Freundschaftsbücher-Ausfüllerinnen mit Leidenschaft und denken auch immer wieder gerne an Omas Lieblingslikör).
Ich habe deinen Post gerade verlinkt auf meinem Muttertagsartikel, weil er ihn so gut ergänzt: https://www.getrenntmitkind.de/details/muttertag.html
Oh ja, wir lieben unsere Kinder und es ist ein wundervolles, riesiges Geschenk, Mutter sein zu dürfen. Und gerade deswegen braucht dieses große Glück eine gesunde und solide Basis.
An alle Mütter da draußen: Habt einen wunderbaren Muttertags-Abend.
Christina
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Liebe Christina,
danke für deinen Kommentar und fürs Verlinken meines Artikels! Dein Beitrag gefällt mir auch wirklich sehr und ich könnte wohl eine ähnliche „Dankbarkeitsliste“ für meine Mutter erstellen – du hast Recht, was mir selbst als Kind geschenkt wurde sowie der Austausch mit und die Unterstützung durch meine Mutter gibt mir die Kraft, meinen ganz eigenen Weg zu gehen!
Ich hoffe, Ähnliches kann in ein paar Jahren mein Sohn über mich sagen!🙂
Herzliche Grüße, Sunnybee
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… zu dem Thema ein weiterer, wie ich finde, sehr gelungener, Text meiner „Blogger-Kollegin“ Mama-Minimalista: https://mama-minimalista.com/2019/05/12/supermamas/.
Sie spricht mir aus der Seele, wenn sie schreibt: „Wir brauchen nicht mehr Super-Mamas, wir brauchen mehr Super-Bedingungen für Mamas!“
Ja, es lohnt sich, dass wir uns dafür einsetzen! Lg, Sunnybee
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Danke für den Link und das Lob Sunnybee! Die Rente hatte ich z.B. gar nicht auf dem Schirm, als ich die (unvollständige) Liste verfasst habe, was Super-Mamas brauchen.
Dein Artikel spricht mir aus der Seele! Vielen Dank für diese klugen Gedanken. Manchmal denkt man ja doch, man sei nicht so leistungsfähig… bis man wieder daran denkt, was man eigentlich die ganze Zeit stemmt. Es wird halt nicht gesehen, geschweige denn bezahlt (aber gebraucht)!
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Wahre Worte!🙂
Lg, Sunnybee
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Ich fürchte, es wird keinen #mondayformothers geben, denn wir haben alle zu viel um die Ohren dafür. Ich gehe zurzeit den Weg im System, also arbeite 40 Stunden, und habe für mich noch keine andere Lösung gefunden. Engagement zeige ich leider keins bzw. nur im Kindergarten, wo ich im Elternrat aktiv bin. Für die Kinder, aber auch für uns Eltern.
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Liebe Nadine,
ja, ich glaube, das ist das Problem, warum insgesamt Menschen, die mit Fürsorge betraut sind, also z.B. auch Pfleger/innen, Krankenschwestern und -pfleger und Erzieher/innen, so selten wirklich laut und als große Gruppe für ihre Rechte eintreten. Diese Tätigkeiten erfordern einfach schon an sich viel Zeit und Kraft – dann fragt man sich schnell: wo noch Energie für weiteres Engagement her nehmen?
Ich engagiere mich seit inzwischen einem Jahr mit unserem Stammtisch für Allein- und Getrennterziehende und eben auch mit meinem Blog (du ja auch!): auch solche Schritte bewegen schon was, das dürfen wir nicht kleinreden. Aber du hast Recht, es gibt noch genug echte Baustellen!
Was wäre denn dein größtes Anliegen, wenn du dich nur für eine Sache wirklich einsetzen könntest?
Herzlichen Gruß nach Dresden, Sunnybee
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Das ist schwierig zu beantworten, da es mir ja ganz gut geht soweit. Die größte Belastung sehe ich tatsächlich in der Babyzeit und Kleinkindzeit. Da brauchen Familien definitiv mehr Unterstützung und das wäre auch mein größtes Anliegen wahrscheinlich. Ich kann mir auch vorstellen, dass mit der Einschulung dieses Jahr nochmal neue Themen auf mich zukommen, die mir wichtig werden. (Danke für die Anregung, über diese Frage einmal nachzudenken.)
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