Familie, Gesellschaft

Vier Mythen rund ums Muttersein… und die Wahrheit dahinter

Mutter mit Kind auf dem Arm (Skulptur)


„Ein Lächeln deiner Kinder entschädigt dich für alles“, „Mutterliebe ist unentbehrlich“, „Beim zweiten Kind verdoppelt die Liebe sich“, „Kinder sind das größte Geschenk im Leben einer Frau“ – was machen solche Sätze mit mir als Mutter? Und inwiefern zeigt sich in ihnen das Bild, das unsere Gesellschaft offensichtlich (noch immer) von uns Müttern hat? Ein Best-Of der Mythen rund ums Muttersein…

„Ein Lächeln deiner Kinder entschädigt dich für alles!“

Ein Satz, den vermutlich jede Mutter schon einmal gehört hat. Mit Vorliebe, wenn wir uns über schlaflose Nächte, Geschwisterstreits unter unseren Kindern oder die Vielzahl der Aufgaben im Alltag beklagen. „Ein Lächeln deiner Kinder entschädigt dich für alles“. Ein Satz wie Zuckerwatte: süß und klebrig, aber satt wirst du davon nicht. Denn es stimmt: ein Lächeln meiner Kinder lässt mein Herz aufgehen, macht mich glücklich, begleitet die Momente des Mutterseins, in denen ich dankbar und eins mit meiner Mutterrolle bin. Entschädigt mich tatsächlich auch zu einem gewissen Grad für die Zeiten, in denen das nicht der Fall ist.

Wenn ich ehrlich bin, halte ich Wutanfälle, weggeschobenes Essen, in die Ecke gepfefferte Jacken und fünf Mal unterbrochenen Schlaf nachts nämlich nicht aus reiner Freude am Muttersein aus. Sondern weil ich mich dafür entschieden habe. Weil ich an das Gute in meinen Kindern glaube und eben weiß, dass sie meinen Langmut und meine Geduld in den ersten Jahren ihres Lebens besonders brauchen. Weil ich ihnen zugestehe, nicht immer perfekt zu funktionieren (ich tue es ja auch nicht) und weil ich überzeugt bin, dass sie nur durch mein Vorbild und meine geduldige Begleitung lernen, sich nach und nach selbst zu regulieren und die – zum Teil ja durchaus sinnvollen – Konventionen unserer Gesellschaft, zum Beispiel bezüglich Tischsitten und verträglichem sozialen Miteinander, zu erlernen. 

Was ich allerdings nicht brauche, sind Menschen, die mir die Liebe zu meinen Kindern und das Engagement für meine Familie genau dann vor die Nase halten, wenn ich zum Beispiel im Beruf nach der Beförderungsstelle frage oder mich einfach mal erschöpft „auskotzen“ möchte.

Dann sagt so ein Satz nämlich eigentlich nur eins: Lass mich mit deinen – berechtigten – Anliegen nach Unterstützung, nach Anerkennung für deine Fähigkeiten außerhalb des Mutterseins und auch mit deinen Gefühlen in Ruhe! Dass Muttersein auch ein Knochenjob ist und die Mutterrolle in unserer Gesellschaft noch immer überhöht und zugleich in ihrer Komplexität kaum gewürdigt wird – geschenkt. Ein Lächeln reicht als Dankeschön. Ich habe darüber anlässlich des Muttertags vor zwei Jahren bereits einmal geschrieben. Die Liebe meiner Kinder empfinde ich als ein wunderschönes Geschenk, aber sie allein schützt mich eben nicht vor Altersarmut oder davor, im Beruf als Mutter diskriminiert zu werden. 

„Mutterliebe ist unentbehrlich.“

Noch so ein Satz, der als Wahrheit daherkommt und eigentlich nur eine Meinung ist. Ein Satz, der Mütter überhöht und leider auch Väter in ihrem Engagement für die Familie unbedeutend erscheinen lässt. Ein Satz, dessen Absolutheit mich als Säuglingsmutter in die Erschöpfung treiben kann. Denn tatsächlichen scheint er der Wahrheit zu entsprechen: mein Kind nährt sich von mir, ist ganz auf mich fixiert und angewiesen. Als Mutter bin ich seine Welt. Aber unentbehrlich bin ich nicht. Sonst hätten alle Kinder dieser Welt, die jemals von Ammen, Kindermädchen, Großeltern und – ja – auch Vätern erzogen worden wären, schlicht nicht überlebt. Mütterlichkeit und liebevolle Fürsorge ist also nicht an mich als Mutter gebunden. Ohne Liebe an sich gedeiht kein Kind. Aber zum Glück gibt es neben der Mutterliebe ja auch die des Vaters, der Geschwister, der Großeltern oder der besten Freunde. Wenn uns als Müttern wieder einmal alles über den Kopf wächst, sollten wir uns meiner Meinung nach genau daran erinnern!

„Beim zweiten Kind verdoppelt die Liebe sich.“

Hm… klingt schön, oder? Ist in gewisser Weise meiner Erfahrung nach auch wahr. Aber sagt dir jemand, dass du dich zugleich zwischen deinen Kindern (vor allem, wenn beide noch klein sind) schier zerrissen fühlen kannst? Du willst Zeit mit deinem großen Kind verbringen, aber das kleine braucht und fordert dich. Du willst dem kleinen den Raum für seine Bedürfnisse schaffen – und stellst dafür die Bedürfnisse des größeren zurück. Du bist phasenweise schlicht erschöpft und davon genervt, dass sich deine Kinder streiten oder gar nichts miteinander anfangen können.

Ja, die Liebe für mein zweites Kind empfinde ich als so intensiv und selbstlos, wie sie es auch bei meinem ersten als Säugling war. Vielleicht genieße ich sie sogar manchmal mehr, weil ich jetzt als Mutter erfahrener und damit oft auch entspannter bin. Aber die Liebe zu meinem ersten Kind muss sich zugleich wandeln und auch wieder neu finden. So, wie es mit einem Schlag zum großen Bruder wurde, wurde es auch für mich von einer Woche auf die andere zu meinem großen Sohn. Ich staune über seine Eigenständigkeit und manchmal auch über seine Rabaukigkeit. Und muss mich erinnern, dass er doch auch noch ziemlich klein ist und mich braucht, wenn auch ganz anders als der gerade geborene Kleine. Einer der vielen Spagate des Mutter- und natürlich auch Vaterseins; eine Situation, die durchaus mit ambivalenten Gefühlen dem kleinen wie auch dem größeren Kind, sowie sich selbst als Mutter gegenüber verbunden sein kann. Liebe ja, aber auch hier viel komplexer – und manchmal komplizierter – als es der Mütter-Kalenderspruch nahelegt.

„Meine Kinder sind das größte Geschenk meines Lebens.“

Das gilt meiner Meinung nach auch für den letzten Spruch, den ich hier zitieren will. Für mich persönlich kann ich sagen: meine Kinder sind ein ganz wunderbares Geschenk, das das Leben mir gemacht hat und jeden Tag neu macht. Ich bin froh und dankbar, Mutter sein zu dürfen. Aber – und das fehlt mir beim oben genannten Satz – ich bin und bleibe auch mit zwei Kindern immer noch mehr als nur ihre Mutter. Ich bin Autorin, Lehrerin, Lebensgefährtin, Freundin. Eine engagierte, reflektierte und gerne unabhängige Frau. Ich nehme meine Aufgaben als Mutter (meist) bereitwillig an, ich bin dankbar für meine liebenswerten, sich wunderbar entwickelnden Kinder – aber wirklich glücklich bin ich nur, wenn ich neben der Fürsorge für sie auch dazu komme, zu schreiben, mich mit anderen Erwachsenen auszutauschen und meine sozialen Kontakte zu pflegen. Meine Mütterlichkeit blüht am meisten auf, wenn ich nicht ausschließlich auf mein Muttersein beschränkt bin. Mir das einzugestehen und es auch anderen gegenüber selbstbewusst zu vertreten – dafür habe ich eine Weile gebraucht. Und auch jetzt wird mir oft bewusst, wie fordernd die Mutterrolle mit kleinen Kindern ist. Viel Raum für Eigenes bleibt da nicht. Das akzeptiere ich. Aber auch hier möchte ich nicht, dass jemand von außen bestimmt, was mir wichtig zu sein hat und was nicht. Daher: meine Kinder sind wunderbar. Aber das größte Geschenk meines Lebens ist, wenn ich tatsächlich mir entsprechend leben darf. Mit meinen Kindern und auch für sie, aber nicht so, dass mein Leben nur noch aus Muttersein besteht.

„Als Mutter nimmst du dich zurück, gibst bereitwillig und stellst die Liebe zu deinen Kindern über alles“. Das suggerieren die vier Mythen rund ums Muttersein, die ich hier zitiert habe. Und bis zu einem gewissen Grad empfinde ich das auch so. Aber als Frau und Mutter bin ich eben nicht nur selbstlos, sondern habe gegebenenfalls sehr wohl noch andere Interessen und Ziele als die Fürsorge für meine Kinder. 

Dass ich meine Entscheidungen auf der Basis der Liebe zu meinen Kindern treffe, steht für mich außer Frage. Dass ich sie einfach glücklicher – und vielleicht auch großzügiger – lieben kann, wenn ich mit meinem eigenen Leben zufrieden bin, allerdings auch. Und das ist dann ein Spruch, den ich tatsächlich unterstreichen kann: „Geht es mir als Mutter gut, geht es auch meinem Kind gut!“ Dafür Sorge zu tragen finde ich mit am wichtigsten am Muttersein.

Herzlich, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

PS. Kennt ihr weitere Mythen rund ums Muttersein? Schreibt sie gern in die Kommentare! Und die Väter unter euch: welche Mythen rund ums Vatersein fallen euch ein?

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Ich freue mich auf dich!

[Foto: Michael Gaida/Pixabay]

6 Gedanken zu „Vier Mythen rund ums Muttersein… und die Wahrheit dahinter“

  1. Liebe Sarah,
    sehr schön und wahr beschrieben! Das mit der Selbstfürsorge gilt übrigens immer und in jeder Konstellation. Fürsorglich und liebend für andere da sein kann mensch nur dann, wenn mensch auch selbst zufrieden ist und die eigenen Bedürfnisse erfüllt sind. Bedürfnisse anderer erfüllen, ohne dass die eigenen genährt werden, ist auf Dauer eine unmögliche Quälerei und ein ständiger Kampf mit den eigenen Grenzen. Da können Erwartungen von außen, wie es eben auch die von Dir genannten Mythen sind, sehr viel Druck ausüben und sehr viele Selbszweifel verursachen – für Mütter, die anders empfinden oder es manchmal einfach nicht schaffen, diesen Rollenbildern gerecht zu werden, aber auch für Kinderlose, die jeden Verweis auf das Mutterglück als Vorwurf und Zeichen ihrer eigenen Mangelhaftigkeit und Feigheit lesen.
    Ich hatte Lebensphasen, in denen es mir so ging, letztlich scheiterte u.a. daran auch eine langjährige Beziehung und Ehe, weil die Mutter meines damaligen Partners nicht müde wurde, immer wieder zu betonen, wie gerne sie doch Oma wäre und wie glücklich sie all die jungen Mütter erlebte. Das konnte ich irgendwann schlicht nicht mehr hören, zumal ich eine Reihe guter Gründe gegen Kinder hatte, die einfach nicht gehört und von meinem Mann mit einem „Ach, mal schauen, ich weiß es ja auch noch nicht“ abgetan wurden. Solidarität sieht anders aus.

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    1. Liebe Lea,
      herzlichen Dank für deinen – wieder einmal – sehr reflektierten und persönlichen Kommentar. Freue mich immer, von dir zu lesen und finde es auch diesmal spannend, zum Thema „Mutter-Mythos“ deine Sicht als Nicht-Mutter zu lesen! Ja, auch in die Entscheidung, ob wir überhaupt Mutter werden wollen – oder eben nicht – sollten wir uns nicht von anderen hineinquatschen lassen! Herzlichen Gruß, Sarah

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  2. Ich kann dir nur voll und ganz in allen Punkten zustimmen – insbesondere, wenn man die Erklärungen dazu liest natürlich. Alles in allem sehe ich beispielsweise meine Töchter schon als die größten Geschenke meines Lebens, aber eben nicht als die einzigen Geschenke und ich erwarte auch noch viel mehr 🙂

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