Hochsensibilität, Persönliches

November-Gewömsel

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Gestatten: Novembergewömsel. 

Das Alltagsgewusel an einem Novembertag: Einkaufen, Wäsche waschen, Hosen bügeln, für die Arbeit Notizen machen, im Tagebuch kritzeln, unmotiviert ein paar Takte auf dem Klavier klimpern, Kind vom Kindergarten abholen, Essen richten, im Netz surfen während Kind Mittagsschlaf macht usw. 

Das ganze kombiniert mit Temperaturen um 0 Grad draußen und grau verhangenem Himmel sowie stickiger Heizungsluft drinnen und einer Mischung aus Lethargie und Gereiztheit: Es sollte sich was bewegen – aber was?

Laaaaangweilig!

Kinder benennen das mit dieser langgezogenen Form von „Laaaangweilig!“, die auch immer mehr als pure Langeweile enthält. Ein allgemeines Unwohl- und Unwilligsein, eine Trübung des Gemüts. 

Novembergewömsel ist auch der Zweifel, der anklopft um zu fragen: macht das alles noch Sinn? Dein Blog, dein Engagement, das Leben vor Ort in der großen Stadt. Du kickst eine Kippe aus dem Weg, die hier überall liegen gelassen wurden und möchtest nur knurren: „Lasst mich in Ruhe!“ – Oder wahlweise: „Tut doch was!“ „Hört mich, seht her!“ So weit liegt das gar nicht auseinander. 

Gestatten: Ich mag heute nicht. Ich bin beleidigt. Keine weiteren Ziele, Projekte, Vorhaben. Wenn keiner auf die Beiträge in meinem Blog antwortet, schreibe ich eben keine mehr, bzw. schreibe welche, aber stelle sie nicht ins Netz. Wenn sich der Himmel nicht klärt, bleib ich zuhause – und überhaupt. 

Novembergewömsel ist auch dieses Gran Selbstmitleid („Ach du weh, ich Arme!“) und Selbstgerechtigkeit („Nur mir geht’s schlecht!…“)

Sch… egal. Darf auch mal sein. Übrigens auch Ende Oktober. Macht’s gut, ich bin dann mal weg.

Komme schon wieder – aber heute nicht mehr. 

Grüße, Sunnybee

PS. A propos Wortneuschöpfungen: Die Rezension eines ganzen Buchs über ungewöhnliche – und fast unübersetzbare – Wörter findet ihr in dem wunderbaren Blog Lesen… in vollen Zügen. Danke, Andrea, immer wieder für die Inspiration! 🙂

PPS. Wollt ihr in einem Blog von einer Frau lesen, die ganz und gar unlethargisch ihre echten Probleme anpackt, dann besucht Samybee. Danke, dein Mut und deine Tatkraft inspirieren mich gerade oft!

alleinerziehend, Beruf, Familie, Persönliches

Mistress Proper?

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(C) seppolog.com

Alleinerziehend zu sein bedeutet: stark sein zu müssen.

Es kostet Kraft, Alltagsdinge wie Einkäufe, Behördengänge, Banktermine jeden Tag alleine zu erledigen, bzw. sich für Dinge wie Reifenwechsel, Reparaturen im Haushalt oder die Steuererklärung das nötige Know-how zu verschaffen oder professionelle Unterstützung zu organisieren.

Es kostet auch Kraft, die kleinen und größeren Alltagsgedanken und -sorgen mit sich selbst auszumachen. Freunde sind zuverlässig da, „wenn es brennt“, aber im Alltag oft mit ihrem eigenen Leben, Familie und Beruf beschäftigt. Auch ganz praktisch körperlich muss ich als allein lebende und alleinerziehende Frau „stark“ sein: wie viele Male in der Woche schleppe ich Einkaufstüten, wuchte den Kinderwagen über Treppenstufen und U-Bahn-Schwellen oder trage 18kg Kind in den 3. Stock…

Immer stark sein?

Dies soll kein Lamento werden à la „So schwer haben wir es als Alleinerziehende“, auch wenn sich das Leben, getrennt lebend und mit Kind, manchmal tatsächlich nicht leicht anfühlt. Mich interessiert vielmehr: wie gehe ich mit diesem Gefühl um, eigentlich immer „stark“ sein zu müssen, oft kein wirkliches Ventil für all die anderen Gefühle und Sehnsüchte zu haben: Wut, Trauer, Verzagtheit oder Erschöpfung, aber auch Lebensfreude, Humor, Neugier, Entdeckerlust, die mich als Frau ebenfalls ausmachen.

Ich habe (z.B. hier und hier) im Blog schon darüber geschrieben, was ich persönlich tue, um meine innere Leichtigkeit und Freude, Ruhe und Gelassenheit wieder zu finden. Manchmal gelingt es mir gut, meinen eigenen „Ratschlägen“ zu folgen, manchmal weniger…;-) Was ich hier betrachten möchte, ist: wie gehe ich damit um, wenn mich spürbar die Erschöpfung überwältigt, ich mit körperlicher und/oder seelischer Überforderung konfrontiert bin? Wie reagiere ich, wenn „ansteht“, schwach zu sein?

Schwach sein zu können ist eine Stärke

Krankheit (der berühmte „Rücken“, aber oft schon drei Tage grippeartige Erkältung mit hohem Fieber) zeigen mir sehr deutlich: kann ich nur stark oder auch schwach sein? Wie reagieren „wir“ Alleinerziehenden denn, wenn wir spüren, wir drohen krank zu werden? Oft doch mit dem Anspruch: „wird schon gehen“ – von Globuli bis Antibiotika, jede hat so ihre Mittelchen, um im Alltag nicht „auszufallen“. Und es „muss“ ja auch gehen: wir haben Verantwortung unseren Kindern, unseren Arbeitgebern und anderen Menschen, die von uns abhängen, gegenüber. Und wir sind es zudem oft so gewohnt, Stärke (körperliche und seelische) zu kultivieren, dass wir am Ende fast in Panik verfallen, wenn eben diese Stärke uns zu verlassen droht.

Wie zeigt sich diese Panik? Allzu oft doch im Versuch „noch stärker“ zu sein. Der Mutter der stark verschnupften Kita-Freundin würden wir am liebsten das Sagrotan-Fläschchen in die Hand drücken, damit sich unser Kind nicht ansteckt. Oder ein: „Geht schon, ich komm’ zurecht“, auch wenn eigentlich gar nichts mehr geht. Oder wütende Ausfälle gegen Ex-Partner, Jugendamt und Co, die einem „das Leben zur Hölle“ machen wollen. Schwach zu sein fühlt sich nicht schön an. Angriff und Kontrolle, oder aber Flucht und Rückzug, sind wohl noch immer in uns einprogrammiert, wenn wir uns bedroht fühlen. Und was anderes als eine Bedrohung ist das Gefühl von Schwäche in einem Leben, das so absolut nötig zu machen scheint, stark zu sein?

Leben mit allen Facetten

Ich will hier nicht dafür plädieren, sich haltlos Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit hinzugeben. Auch kein: „Ich bin so schwach, ich kann eh nichts tun!“
Aber wie reagieren wir, wenn tatsächlich mal nichts mehr geht? 40 Grad Fieber und das eine Woche lang? Autounfall und ein gebrochenes Bein? Oder seelische Schwere, die uns so gefangen hält, dass einfach nichts mehr möglich ist? Für unsere Kinder – und letztlich für uns selbst – suchen wir uns in diesen Extremsituationen doch meist Hilfe. Dann reist doch die Mutter aus 300km Entfernung an. Wir holen uns bei einer Beratungsstelle Unterstützung oder gehen zur Mutter-Kind-Kur. Wenn „nichts mehr geht“, bewegt sich oft gerade etwas…

Warum die Stärke, die wir offensichtlich in solchen Momenten existentieller Schwäche mobilisieren können, nicht bereits nutzen, wenn es uns nur mal „nicht so gut“ geht? Indem wir uns bereits da einen Tee kochen und ihn, wenn die Kinder im Bett sind, wirklich genießen; indem wir uns bewusst mit Menschen verabreden und austauschen, durch deren Gegenwart wir uns gestärkt fühlen – und den Kontakt zu denen, die uns schwächen, auf ein Minimum beschränken? Schwäche fordert oft Klarheit heraus: Was ist mir wirklich wichtig? Wofür mag ich mich wirklich einsetzen, wofür mag ich kämpfen – und was lohnt meine Anstrengung, meine Bereitschaft letztlich nicht? Schwach sein, auch wirklich körperlich, macht mich im besten Fall ehrlich: zu mir und zu anderen.

Keine „Mistress Proper“, die alles im Griff hat, eher eine wirklich starke Frau mit allen Facetten!:-)