Hochsensibilität, Persönliches

Dem Leben vertrauen. Sinn und Unsinn von „Bucket Lists“

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Bucket – was? Bis vor kurzem hatte ich, ehrlich gesagt, keine Ahnung, was eine sogenannte „Bucket List“ sein sollte. Meine Recherche ergab: Das Wort spielt auf den englischen Ausdruck „kicking the bucket“ an, was sich in etwa mit „den Löffel abgeben“, bzw. „ins Gras beißen“ übersetzen lässt, ergo eine Liste der Dinge, die man vor seinem Tod noch erleben möchte.

Oha… nehme ich meinen Träumen nicht den Zauber, wenn ich sie zu (prosaischen) Zielen herunterbreche? Oder setze mich gar unter Druck, indem ich aufschreibe, was ich in meinem Leben noch erreichen möchte?  Fehlt da nicht die Demut, dass sich ohnehin nicht alles fügt, wie ich es will? Ehrlich gesagt, liegt es mir inzwischen näher, mich für das zu öffnen, was das Leben mir ganz von selbst anbietet, statt aktiv nach immer anderem, Neuem, zu streben. 

Mein innerer „Kompass“

Und zugleich bin ich tatsächlich überzeugt: Klären sich die (inneren) Ziele und beginne ich, meine tiefen Wünsche zu spüren, dann wird sich mein Leben – werde auch ich mich – in diese Richtung bewegen. 

Tja – und das bringt mich dann doch wieder zu so einer Liste. Oder eher zu den Werten dahinter. Was sind die bei mir?

Freiheit und (innere) Unabhängigkeit 

In Bezug auf das, was ich mir in meinem eigenen Handeln, in meiner Lebensweise, in meiner Entwicklung erlaube und was ich anderen zugestehe. Ich denke, ich habe früh gelernt, dass es bereichernd sein kann, dort hinzugehen, wo ich für mich „Neuland“ entdecke. Zwischen 20 und 30 habe ich viele Dinge ausprobiert, bin Beziehungen zu Menschen eingegangen, die mich immer ein Stück weit auf meinem Weg – und in meiner Entwicklung – weiter gebracht haben. Ich habe in Form von Jobs, Praktika und Hospitationen beruflich viel ausprobiert, bevor ich letztlich einen Beruf gefunden habe, den ich inzwischen seit fast zehn Jahren mit Freude und innerer Überzeugung ausübe. 

Heute will ich weiter dieser Spur der (inneren) Freiheit folgen, auch wenn mein Leben mit Kind, Expartner, etc. inzwischen allzu spontane „Wegewechsel“ nicht mehr so leicht möglich macht. Mich dadurch nicht gänzlich in meiner Experimentierfreude und Lebensoffenheit zu beschränken, aber zugleich die Beschränkungen, die tiefe Bindung und Verpflichtung eben auch mit sich bringen, anzuerkennen, ist wohl der wichtigste Punkt meiner seelischen „Bucket List“ für die nächsten Jahre.

(Selbst-) Liebe und Bindung

Dass zur Freiheit Bindung gehört, habe ich ebenfalls im Verlauf der letzten Jahre gelernt. Daraus haben sich weitere Wünsche ergeben: Einen tiefen Bezug zu mir selbst zu finden, mich kennen- und mit all meinen Facetten schätzen zu lernen. Der Wunsch, danach mit diesem Schatz an Offenheit und (Selbst-) Kenntnis echte Bindung zu anderen Menschen einzugehen und wiederum, aufbauend darauf, der Wunsch, mich für Dinge einzusetzen, die nicht nur mich und mein eigenes Wohlergehen betreffen. Eine Bewegung vom Streben hin zum (An-) nehmen können. 

Heute will ich mich in diesem Annehmen der Dinge, wie sie sind, noch weiter üben, ohne dabei den Blick für das, was möglich sein kann, zu verlieren. Ein Balanceakt, der mich auch immer wieder herausfordert – und mich vielleicht gerade deswegen reizt!

Akzeptanz und Vertrauen

Will ich zeigen, was diese Begriffe für mich bedeuten, fällt mir das Bild einer fest verschlossenen Faust ein, mit der ich das mir Wertvolle umklammere; drehe ich die Faust, sodass die Finger statt nach unten nach oben zeigen und öffne sie, besitze ich Fülle, ohne sie festhalten zu müssen. Diesen sachten und doch fast magisch kraftvollen Wandlungsprozess meines Denkens und Empfindens hat ausgereicht der Tod eines Menschen in meinen engsten Familienkreis vor rund zwölf Jahren angestoßen und er wurde acht Jahre später durch die Geburt meines Sohnes bekräftigt. 

Heute verstehe ich darunter ein Gefühl, mich in tiefem Sinn behütet und geliebt zu fühlen. Letztlich ermöglicht dieses Gefühl die innere Freiheit in der Bindung zu anderen und zeigt mir den Weg, von Herzen und ohne Angst zu lieben. Auf diesem Weg bewege ich mich gerade und bin sehr neugierig, wohin er mich weiter führen wird! 

Was steht auf deiner „Bucket list“?

Und so greife ich gegen Ende dieses Textes die Frage auf, die Lisa auf lizziswelt.com im Rahmen ihrer ersten eigenen Blogparade stellt: „Was würdest DU auf eine deine ganz persönliche „Bucket List“ schreiben?

Im Grunde das, was ich schon zu großen Teilen lebe: die Bereitschaft, meinen oben genannten Werten zu folgen und mich dem Leben, wie es sich mir zeigt, anzuvertrauen!🙂

  • Echt sein
  • Liebevoll sein (zu mir und zu anderen)
  • Wachsen 

Herzlichen Gruß, Sunnybee

9 Gedanken zu „Dem Leben vertrauen. Sinn und Unsinn von „Bucket Lists““

  1. Liebe Sunnybee,
    Es gibt dieses schöne, ich glaube, John Lennon zugeschriebene, Zitat – „Leben ist das was passiert, während man andere Pläne macht“. Es ist so wahr.
    Und wer kennt nicht die schwelgenden Phantasien, wenn ich erst … dann…
    Und wenn dann endlich, ist alles ausgesprochend ernüchternd.
    Ich war so glücklich und aufgeregt, als ein Verlag meinen Roman veröffentlichen wollte, und wenn ich an dieser Geschichte auch gereift sein mag, glücklicher hat sie mich wahrlich nicht gemacht (wenn ich mein Buch auch immer noch sehr, sehr mag )
    Dagegen macht mein kleiner, kaum gelesener Blog, den ich schon Jahre vorher hätte haben können, mein Leben wirklich froher.
    Wie sehr Verpflichtungen und Bindungen, die man eingegangen ist, einem manchmal die Luft abschnüren, kann ich dir gut nachfühlen, aber meistens reicht es, kurz inne zu halten und zu denken, will ich wirklich ohne diese Freunde, ohne diese Kinder, ohne diese Aufgabe sein?
    Und das stört mich an diesen ominösen Bucket-Lists am meisten, sie tun so, als drehe sich alles nur um einen selbst, als sei nur lebenstauglich, wer permanent an sich selbst arbeitet und seine Liste möglichst vollständig abhakt.
    Als sei um sich selbst Kreisen der höchste Wert.
    Danke für die Gedankenanstöße.
    Natalie

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    1. Liebe Natalie,
      danke für deinen persönlichen und klugen Kommentar! Am meisten hat mich dein Einwand angesprochen, Bucket Lists könnten dafür stehen, dass man eben vor allem um sich selbst kreist: „Was will ich noch erreichen/ bereisen/ erleben – ich, ich, ich?“ Vermutlich sind sie schlicht so vielfältig wie die Menschen, die sie sich (ver-) schreiben: Entweder eine hedonistische Sammlung von „Spaß- und Wellness-Aktivitäten“ oder der Versuch, sich Lebens-Sinn und -orientierung zu geben über Ziele, die das eigene Wohl, ebenso wie das Wohl anderer, enthalten.
      Die grundsätzliche Frage, ob es nicht Blödsinn ist, das Leben in dieser Weise „beherrschen“ zu wollen, würde ich dann mit einem (frei abgewandelten) Zitat von Goethes Faust beantworten: „Es lebt der Mensch, solange er strebt!“: Meine Ziele können mir ein Gefühl von Lebendigkeit und Lebensfreude geben, solange ich sie zum Anlass nehme, das Leben auf dem Weg zu ihnen zu genießen. Hechle ich ihnen dagegen in Form einer „To-do-List“ hinterher, hindern sie mich eher daran, lebendig zu sein. So geht es Dr. Faust ja letztlich (laut korrektem Zitat) auch: „Es irrt der Mensch, solange er strebt.“
      Herzliche Grüße, Sunnybee 😉

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    1. Hallo Mitzi,
      im besten Fall ist so eine Liste ja wohl als Erinnerung gedacht, die Dinge, die einem das Leben lebendig machen, auch umzusetzen. Aber richtig glücklich machen die meiner Meinung nach auch nur, wenn sie sich mit tiefer gehenden Werten decken. Ich hatte Lizzy, die die Blogparade gestartet hat, aber auch so verstanden, dass es ihr darum geht, während des Erlebens der „Listenpunkte“ einfach wirklich intensiv das Leben auszukosten und sich dabei vielleicht noch besser kennen zu lernen. Das wiederum finde ich selbst reizvoll. Lieben Gruß und schön, dass du bei mir mitliest! Sunnybee

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  2. Ganz viel früher hatte ich einmal eine Bucket List. Da bin ich noch jung und ungebunden gewesen und es hat mir Spaß gemacht, von der Erfüllung meiner Wünsche zu träumen. Heute träume ich immer noch, aber der Gedanke an eine solche Liste würde mich stressen. Oder auch der Gedanke, meinen XXL-Lebensgefährten zu einem 24-Stunden-Flug nach Australien zu überreden. Oder der Gedanke daran, was mein Rücken von einem Bungee-Sprung halten wird.
    Ich glaube, es gibt wichtigeres, als das Abhaken einer ToDo-Liste!
    LG
    Sabienes

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    1. Liebe Sabienes,
      danke für deinen Kommentar! Ich glaube, du sprichst an, was eben auch eine Erfahrung ist, die das Leben mit der Zeit vermittelt: Bindung bringt Verpflichtung mit sich. Als (ganz) junger Mensch ist es vielleicht sogar meine Aufgabe, unerschrocken auszuprobieren, voranzustürmen und mich nicht groß um die Bedürfnisse z.B. meiner Eltern zu kümmern. Und dann werde ich älter: die erste Festanstellung, Partnerschaft, eigene Kinder, und das Leben steht mir nicht mehr „zur freien Verfügung“. Ob ich diesen Umstand als Beschränkung erlebe oder den Reichtum erkenne, der auch in beschränkten Optionen zu finden ist, entscheidet dann wohl darüber, wie glücklich ich mich fühle. Großes Thema – vielleicht schreibe ich dazu nochmal einen extra Blogbeitrag!🙂
      Lieben Gruß – schön, dass du hier mitliest, Sunnybee

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  3. Liebe Sunnybee,
    danke für deine ebenfalls sehr kluge (und nicht klugschei…) Antwort.
    Das Thema hat mich gedanklich noch beschäftigt. Ich merke, dass ich unglaublich viel Zeit und auch Nerven verschleiße, weil ich Menschen, die mir nahe stehen, in irgendeiner Form beistehe, das liegt bestimmt auch an meinem Alter. Ist man erstmal über 50, ist die Generation vor einem alt und meist bedürftig, es sind nicht nur die Eltern, sondern auch andere Menschen, die einen geprägt und begleitet haben und mit denen man sich solidarisch fühlt.
    Selbst, wenn auf meiner „Bucket List“ super sinnvolle Sachen stehen – ich komme nicht dazu, weil dauernd irgendwas ist. Das mir per Liste permanent vor Augen zu halten, würde mich, glaube ich, sehr unzufrieden machen.
    Von den vielen Bedürfnissen meiner doch recht speziellen Pflegekinder rede ich jetzt gar nicht. Man könnte sagen, die habe ich mir auf meine Liste gesetzt (es war beim ersten Kind ein wirklich sehr langgehegter Wunsch) und nicht bedacht, dass ich den Rest dann streichen muss.
    Nein, ich bereue die Aufnahme der Kinder nicht, ich liebe sie und ohne sie wäre mein Leben ärmer – nur ein bisschen desillusioniert bin ich doch – vielleicht ist das wirklich das Alter 😉
    Liebe Grüße
    Natalie

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    1. Liebe Nathalie,
      deine Antwort berührt mich und auch, dass mein Artikel noch etwas bei dir hat „nachklingen“ lassen! Ja, das „Sich-nur-um-sich-Drehen“, ebenso wie das „Vor-allem-für-andere-Dasein“, sind wohl zwei Extreme, die beide wenig Gutes in sich haben. Eine Freundin hat mich einmal auf eine Bewegung der Eurythmie aufmerksam gemacht: das sogenannte „M“, das offenbar auch dem Atem zugeordnet wird: (Ab-) Geben UND Annehmen in einer fließenden Bewegung. Jeder Versuch, an einem Pol stehen zu bleiben, bringt diesen (Lebens-) Fluss ins Stocken.
      Aber das sind schon viel tiefergehende Themen als eine „Ziele-Liste“… nun ja, mir macht es Spaß und ich empfinde es als bereichernd, mich diesen gedanklich zu nähern!🙂
      Herzlichen Gruß und danke für den schönen Austausch, Sunnybee

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