An manchen Tagen fühle ich mich sexy. An manchen Tagen bekomme ich das auch gespiegelt. Blicke, ein paar Sekunden zu lang, um zufällig zu sein; ein Lächeln, das sich als Aufforderung deuten lässt. Auch angesprochen worden bin ich schon.
Das in einen kausalen Zusammenhang mit meiner Rolle als Mutter zu bringen – darauf bin ich bisher eher nicht gekommen. Im Gegenteil: es gab Zeiten, v.a. im ersten Jahr nach der Geburt meines Sohnes, da fühlte ich mich, trotz persönlich empfundener Attraktivität, als Frau regelrecht unsichtbar, sobald ich den Kinderwagen vor mir herschob. Mutti eben.
Dass gerade der Mutti-Status für manche ein ganz besonderes Stimulanz zu sein scheint, musste mir erst ein guter Bekannter nahe bringen. „Noch nie gehört von MILF – „Mothers, I’d like to f…ck“ ( in etwa: „Mütter, die ich gerne flachlegen würde“)?!“ Nein, hatte ich nicht. Und wurde aufgeklärt, dass offensichtlich sowohl einschlägige Dating-Portale als auch ganze Pornofilm-Genre diesen Fetisch bedienten.
Darf ich als Mutter sexy sein?
Aber wie steht es um die „Sexyness“ als Mutter, jenseits ödipaler Klischees? Ein kurzes Stöbern durch die Weiten des Netzes macht deutlich: die Meinungen gehen auseinander. Kommentare reichen von „Klar, bin ich als Mutter sexy“ oder „Mutter sein, Frau bleiben – aber ja!“, bis hin zu „Muss ich als Mutter auch noch sexy sein?“
Dahinter steht einerseits das unausgesprochene Bild der Mutter, die ganz in der Fürsorge für ihre Kinder aufgeht und nach erfolgreicher Reproduktion ihre Anziehungskraft sozusagen „auf Eis legt“ sowie andererseits die Erwartung, auch mit milchgefülltem Busen, wenige Wochen nach der Geburt, vor allem eines zu sein: verfügbar und eben – sexy.
Ich will hier nicht in das Lamento über überstylte Mütter einstimmen, die sich, kaum dem Wochenbett entstiegen, präsentieren, als hätten sie nie ein Kind bekommen, rank und schlank und ohne jeden Brei- und Milchfleck auf der Bluse. Anderseits war ich persönlich – wohl durch das ausdauernde Stillen – wenige Monate nach der Geburt körperlich tatsächlich wieder weitgehend die „Alte“. Seelisch fühlte ich mich dagegen umso mehr wie „umgekrempelt“. Ja, Mutter- und Vater-Werden ist meiner Meinung nach nicht nur körperlich, sondern vor allem seelisch ein echtes Umbrucherlebnis. In dieser absoluten Weise Tag und Nacht für ein kleines, zunächst komplett abhängiges, Wesen zuständig zu sein, zehrt, erschöpft – und beflügelt.
Guckt wer? – Mir doch egal!
Zumindest mich hat es massiv davon abgelenkt, darauf zu achten, wie ich wohl „von außen“ wirken könnte. Ich erinnere mich an den „Antrittsbesuch“ dreier befreundeter Kolleg/innen bei uns zuhause, etwa einen Monat nach der Geburt unseres Sohnes. Wir aßen Kuchen, der Winzling bekam ebenfalls Hunger und ich stillte ihn – mit einem Tuch über der Brust – am Tisch. Den ernsthaft perplexen Blick des damals noch kinderlosen Kollegen werde ich wohl nie vergessen. Etwa 11/2 Jahre später erlebte ich eine ähnliche Szene, nun aus der Perspektive der nicht mehr Stillenden und weniger nachgeburtlich hormongeflasht, und konnte auf einmal durchaus nachvollziehen, dass dem jungen Mann mein freigelegter Busen in diesem Setting intim – und eventuell zu intim – erschienen sein mochte; für mich war das Ganze nach vier Wochen Stillen im 1-2h-Rhythmus schlicht Normalität.
Mit dieser Anekdote möchte ich zeigen, dass meine eigene Selbstwahrnehmung, seit ich Mutter geworden bin, sich immer wieder massiv gewandelt hat. Als Schwangere fühlte ich mich sehr sinnlich, schön und sexy, als Mutter in den ersten 11/2 Jahren tauchte ich tatsächlich in eine Art „Fürsorgeblase“ ab, wo vieles wichtig war, aber kaum meine eigene „Sexyness“. Tja – und dann begann ich irgendwann die Blicke und positiven Reaktionen wieder zu bemerken und mich auch an ihnen zu erfreuen. Begehrenswerte Frau sein (wollen) und zugleich Mutter, das schließt sich, zumindest für mich, nicht aus.
Muss ich als Mutter deswegen sexy sein? Mich gar daran messen lassen, wie attraktiv ich als Frau und Mutter (noch) bin? Begriffe wie die unsägliche MILF (s.o.) reduzieren meiner Meinung nach Frauen auf ihre „Funktionalität“. Sie sind klar sexistisch, da sie mich als Mutter potentiell auf meine sexuelle Verfügbarkeit beschränken.
Bin ich sexy?
Bin ich mir meiner eigenen Attraktivität bewusst – auch heute, als Mutter eines kleinen Sohnes – dann sind das vor allem Momente, in denen ich mir gerade nicht „verfügbar“ vorkomme, sondern in denen ich vielmehr sehr klar „bei mir“ bin, mich stark und genussvoll fühle, mich an meiner Sinnlichkeit und Lebendigkeit erfreue.
Mein Mama-Sexyness-Potential ist die Gelassenheit, die ich durch das Leben mit meinen Sohn entwickle, dass ich weiß, mein Körper, meine Seele, mein Geist haben in den letzten Jahren eine ganz unglaubliche, großartige Leistung vollbracht und erbringen sie jeden Tag neu. Ich bin mir meiner Beschränkungen und Möglichkeiten zunehmend bewusst. An manchen Tagen habe ich Lust, mich hübsch zurechtzumachen und mich auf die Blicke anderer auszurichten. An anderen Tagen bin ich fest in mir verschlossen. Und immer öfter bin ich einfach nur ich selbst – das sind wohl die Momente, in denen ich das Selbstvertrauen ausstrahle, das echte Attraktivität ausmacht, ein wahres inneres Leuchten.
In diesem Sinn, ihr lieben Mütter und starken Frauen: lasst uns unsere ganz besondere Schönheit und Sexyness feiern. Und berichtet, wenn ihr wollt, wann ihr euch zuletzt richtig sexy gefühlt habt. – Oder warum euch andere Dinge viel wichtiger sind!🙂
Herzlichen Gruß, Sunnybee
[Foto: privat]
Liebe Sunnybee,
spannende Gedanken! Ich bin zwar keine Mutter, aber kenne diesen Zwiespalt. Als Frau mit Behinderung falle ich für viele auch durchs Raster, bzw. werde einfach gar nicht erst als sexuelles und sexuell interessantes Wesen wahrgenommen – bei einer körperlichen oder geistigen Behinderung wäre das sicherlich noch krasser, aber selbst mit Sinnesbehinderung ist mensch für viele Nichtbehinderte schon zu behindert. Und das ist keine Phase von ein paar Monaten nach einer Geburt, wo frau eh in der Fürsorgeblase steckt und viel zu busy für Sexyness ist – das ist dann ein Dauerzustand.
Den Begriff „sexy“ muss mensch tatsächlich auch differenzieren. Geht es um die Wahrnehmung der anderen oder um meine eigene? Und bezieht meine eigene Wahrnehmung sich dann auf mein ureigenstes Körpergefühl oder eben auch wieder nur auf die Wirkung, die ich auf andere zu haben glaube? Auf all dieses nach außen gerichtete Sexysein in der Wahrnehmung anderer lege ich absolut keinen Wert (mehr) und will erst recht nicht als verfügbar wahrgenommen werden (vielleicht ist es eigentlich eh viel sexier, nicht verfügbar zu sein und wie ein Promi aus der Distanz bewundert zu werden ;)). Das eigene, schöne Gefühl, meinen Körper zu lieben, mich mit mir selbst gut und im Reinen zu fühlen und all das als positive Ausstrahlung und innere Ruhe mit mir herumzutragen, ist die Sexyness, auf die ich Wert lege und die bei anderen als etwas viel Erwachseneres und Aufrichtigeres ankommen dürfte als das bloße hübsche Aussehen und die nett gestylte Oberfläche. Wenn ich das jetzt auch noch permanent schaffen würde, wäre ich wohl bewundernswerter als die meisten Promis 😉 – natürlich empfinde ich so nur in Ausnahmesituationen. Aber diese häufiger und immer mehr zum Normalzustand werden zu lassen, ist für mich ein sehr erstrebenswertes Ziel.
Liebe Grüße
Lea
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Liebe Lea,
danke für deinen ausführlichen und anschaulichen Kommentar! Interessant auch, was du bezüglich des Blicks auf die Außenwirkung schreibst. Klar, in einer idealen Welt würden wir unsere (gefühlte) Attraktivität nur von unserem eigenen (Körper-) Empfinden abhängig machen. Aber vermutlich werden gerade wir Frauen dafür einfach zu lange „hirngewaschen“: Ich nehme es jetzt ja schon im Kindergarten wahr: während bei Jungs Bezug genommen wird auf Wesenszüge und körperliche Merkmale („Was bist du stark und mutig!“), bekommen Mädchen doch oft zu hören, wie „niedlich und hübsch angezogen“ sie seien. Auf diese Aspekte beziehen sich Kindergartenkinder dann oft schon selbst, wollen der „starke Ritter“ oder die „schöne Prinzessin“ sein.
Als Mutter kommt dann noch die Komponente der Reproduktion dazu. Klar, wir werden nicht plötzlich zum „Muttertier“, bloß weil wir stillen und sich unser Körper durch die Schwangerschaft verändert – sich frei zu machen vom Bild einer normierten Schönheit (jung, unversehrt, körperlich und psychisch fit), ist aber, wie ich finde, eine – wenn auch lohnende – Herausforderung! Und darüber wollte ich hier mal schreiben!🙂
Tja, lange Antwort – schicke dir einen herzlichen Gruß zurück, Sunnybee
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Du bist eine Frau, du bist eine Mutter – du bist ganz selbstverständlich unwiderstehlich sexy und schön und besonders!
Ich, die ja den Sohn immer und überall gestillt hat (dezent, aber immerhin) hatte damals festgestellt, dass dies auf die seltsamsten Typen eine unglaubliche Anziehungskraft gehabt hat. Nicht, weil ich das wollte, aber da hat man wohl eine besondere Ausstrahlung.
Ich musste über den Titel deines Artikels grinsen. Ich wohne im Landkreis Miltenberg/Obernburg. Unser KFZ-Kennzeichen ist immer MIL, was für mich immer eine Kombination bedeutet, bei der Nummernschilder wie MIL-KA herauskommen . Dass auch ein MIL-F entstehen könnte und was das bedeutet, weiß ich erst, seitdem ich Blogs lese.
Liebe Grüße Sabienes
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Liebe Sabienes,
oh, wie schön (der Anfang deiner Nachricht): danke für diese selbstbewussten, warmherzigen Worte! Und als ich zum Ende deines Kommentars kam, musste ich breit grinsen. Tja, MIL-F… Bloglesen und -schreiben bildet wohl tatsächlich😉 Ganz herzlichen Gruß in den Landkreis Miltenberg, Sunnybee
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