alleinerziehend, Familie

Getrennt Familie bleiben – Was, wenn der andere nicht mitzieht?

Vier Tassen, zwei durch ein Band verbunden, aber getrennt voneinander stehend.


Wie soll „Familie bleiben“ funktionieren, wenn der andere Elternteil – Vater oder Mutter – nicht wirklich mitzieht, Absprachen sogar aktiv boykottiert oder gar nicht mehr am Leben des Kindes beteiligt ist?

Getrennt Familie bleiben ist möglich

Die gute Nachricht zuerst: Auch ein sehr angespanntes Verhältnis kann sich langfristig verbessern. Das berichtet zumindest die ehemalige Gerichtsgutachterin und Autorin Marianne Nolde in ihrem ehrlichen Ratgeber „Eltern bleiben nach der Trennung“. Sie macht keinen Hehl daraus, dass sie ihren Ex-Mann anfänglich am liebsten auf den Mond geschossen hätte, sich daher psychologische Unterstützung suchte und es damit schaffte, doch keinen Rosenkrieg anzuzetteln. Und dass nach vielen Jahren alle bei einem gemeinsamen Familienfest anwesend sein konnten: Sie, ihr neuer Partner, der Vater der Kinder und seine neue Partnerin. Einer der inzwischen erwachsenen Söhne der Autorin dankte seinen Eltern sinngemäß dafür, dass sie die Trennung so gut hinbekommen hätten. 

Hach, schön… In vielen Familien sieht das allerdings anders aus. Daher möchte ich hier zeigen, wie „Familie bleiben“ möglich ist, auch wenn der oder die Ex-Partner:in nicht mitzieht – oder nicht einmal im Alltag des Kindes präsent ist.

Situation 1: Der andere Elternteil ist nicht (mehr) präsent

Eine Bekannte, die ihr Kind nach einer Samenspende geboren hatte und bewusst allein aufzog, sagte mir einmal, ihr Sohn vermisse keinen Vater, er wisse ja gar nicht, wie es sei, einen zu haben. Das ist sicher möglich. Jede Familie, jedes Kind ist anders. Ich frage mich dennoch: Wie damit umgehen, dass „die andere Hälfte“, aus der jedes Kind ja rein biologisch besteht, nicht anwesend ist?

Tipps:

  • Gehe offen und selbstbewusst mit eurer Art, Familie zu leben, um: Auch zwei Menschen können als Familie komplett sein, gegebenfalls bewusst ergänzt um „Wahlverwandte“, Freunde und Bekannte, mit denen ihr euer Leben teilt. So beschreibt dies zum Beispiel Journalistin und Autorin Bernadette Conrad in ihrem Buch „Die kleinste Familie der Welt“. Auf der Seite Solomütter e.V. findet ihr dazu ebenfalls praktische Tipps und Erfahrungsberichte.
  • Schaffe dir im Alltag Netzwerke und Unterstützungsmöglichkeiten. Ganz allein auf euch gestellt ist euer Leben fast immer schwerer. Vielleicht sind auch ganz neue Wege des Zusammenlebens möglich. Alleinerziehenden-WGs oder Mehrgenerations-Wohnprojekte können eine Option sein. Oder ihr pflegt die Kontakte in eurer direkten Nachbarschaft.
  • Bist du alleinerziehend nach dem Tod eures Partners oder eurer Partnerin, könnt ihr gemeinsam die Erinnerungen an den anderen Elternteil wach halten durch Rituale wie Lieder oder Briefe, die ihr an sie oder ihn bei besonderen Anlässen schreibt. Weitere Anregungen findet ihr zum Beispiel hier. Dabei gilt: Dein Kind bestimmt, wie viel Nähe oder Distanz es zu dem Menschen haben will, dessen Gene es in sich trägt. Sprecht miteinander – und akzeptiert zugleich, falls euer Kind über diesen Teil seines Lebens (erst einmal) gar nicht sprechen mag. 

Situation 2: Nur noch Streit mit dem oder der Ex

Leider auch nicht selten: Nach der Trennung streitet ihr weiter, Absprachen, die eure gemeinsamen Kinder betreffen, sind nur schwer möglich. Wie könnt ihr unter diesen Umständen „Familie bleiben“?

Tipps:

  • Selbstfürsorge und bewusste Grenzsetzung sind das A und O. Werde dir deiner persönlichen Grenzen bewusst und vertrete diese klar und ohne deinerseits den anderen Elternteil anzugreifen. Professionelle Beratung, zum Beispiel im Rahmen einer Mediation (Adressen zum Beispiel über den Bundesverband Mediation), kann hier hilfreich sein. Gönne auch dir selbst – und gegebenfalls deinem Kind – psychologische Begleitung, falls du den Wunsch danach verspürst.
  • Lass die Hoffnung auf eine „harmonische Elternbeziehung“ los. Vielleicht ist tatsächlich nur eine parallele Elternschaft möglich, in der ihr beide für das Kind sorgt, untereinander aber nur über das Nötigste kommuniziert. Psychologin und Autorin Turid Müller und andere empfehlen bei manipulativer Kommunikation entsprechend deeskalierende Gesprächsmodelle, mit denen du dich innerlich schützen und dennoch in den erforderlichen Kontakt gehen kannst.
  • Setze den Fokus auf dein(e) Kind(er) und dich! Ein wichtiger Schritt, die Spirale aus Verletzung und Gegenverletzung zu durchbrechen, kann sein, dass du Familie neu definierst. Ihr seid als Eltern keine Einheit mehr – aber dennoch durch euer Kind oder eure Kinder verbunden. Was du tun kannst, um die Situation für dich und dein Kind gut zu gestalten, das tue! Was der oder die andere tut, ist letztlich seine oder ihre Sache.

Situation 3: Als Paar getrennt, als Eltern verbunden 

Und schließlich doch noch die Situation, die viele sich wünschen, aber die gar nicht so leicht zu erreichen ist: Eure Liebe ist erloschen, ihr seid kein Paar mehr – aber ihr habt eine neue Ebene gefunden, tauscht euch als Eltern respektvoll und wertschätzend über eure Kinder aus, verbringt vielleicht immer noch – oder wieder – gerne Zeit miteinander. Ihr achtet, was der oder die andere als Vater oder Mutter für eure gemeinsamen Kinder tut. 

Tipps:

  • Gebt einander Wertschätzung dafür, dass der oder die andere diese Form des Elternseins möglich macht. Soweit zu kommen, kann das Ergebnis eines langen Prozesses sein; es kann auch relativ schnell gelingen, je nachdem, wie ihr zuvor als Paar zusammen gelebt habt. In jedem Fall ist gelingende Elternschaft nach einer Trennung keine Selbstverständlichkeit und damit Grund genug für echte Dankbarkeit.
  • Akzeptiert zugleich, dass Schmerz, Wut und Trauer sowie Momente der Eifersucht und Enttäuschung auch bei einer an sich funktionierender Elternbeziehung Teil eures Alltags sein können. Gerade, wenn neue Partnerinnen oder Partner dazu stoßen, kann euch das mit Gefühlen wie Enttäuschung oder Trauer konfrontieren. Eltern zu bleiben nach einer Trennung ist in jedem Fall eine Herausforderung, auch wenn ihr es beide wollt und die Voraussetzungen gut sind. 
  • Überprüft Absprachen und passt sie gegebenenfalls an die Bedürfnisse aller Beteiligten an. Eure Kinder werden älter und möchten mehr Raum für sich? Oder ihr seht euch mit neuen beruflichen Herausforderungen konfrontiert? Bleibt miteinander im Gespräch. Das Gute, wenn die Elternebene grundsätzlich funktioniert: Ihr seid flexibler und damit offener für Lösungen, die zu euch allen passen.

In diesem Sinn: Getrennt Familie bleiben kann so manches heißen, von klarer Abgrenzung, bis hin zu (neuem) Wohlwollen und Offenheit. In jedem Fall bedeutet es, dass du dein Bild von „Familie sein“ hinterfragst und gegebenenfalls neu definierst. Hier schreibe ich, wie das konkret aussehen kann.

Für mich persönlich ist Familie heute der Ort, wo wir uns zeigen, wie wir sind und füreinander sorgen. Welche Menschen das dann konkret ein- oder ausschließt, entscheidest du. Familie ist, was du – gemeinsam mit deinen Kindern – daraus machst.

Herzlich alles Gute auf eurem Weg, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

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