Familie, Psychologie

Mein Kind schreit – und ich gleich mit. Was tun, wenn ich als Mutter (oder Vater) die Fassung verliere?

Grafik: Wütende Frau mit erhobenem Zeigefinger


Heute mal ein Thema, das vermutlich viele Eltern kennen: Dein Kind kommt buchstäblich geladen aus Kita oder Schule. Der kleinste „Funke“ reicht und – zack – Wütendes Geschrei, Tränen, Spielzeug, das durch den Raum geworfen wird. Dabei merkst du, wie die Wut in dir selbst hochsteigt. Und unvermittelt brüllst du los…

Stress in Beruf, Kita und Schule

Ganz klar: Als berufstätige Eltern haben wir bis zum Nachmittag auch schon „die erste Schicht“ hinter uns. Nach Beruf einerseits und Kinderbetreuung oder mehr oder weniger langem Schultag andererseits treffen wir als Eltern und Kinder aus zwei Welten aufeinander. Und nicht immer ging es dort stressfrei zu. Davon wissen wir aber erst einmal nichts. Unsere Kinder nichts von dem schwierigen Projekt auf Arbeit, bei dem gerade heute alles schief gegangen ist. Wir nichts von Silvan, der das Bobby-Car ewig nicht abgeben wollte oder von Robert, der in der Schule alle rumkommandiert. 

So begegnen wir einander: Müde, gegebenenfalls hungrig, schon grundgereizt. Fallen uns bestenfalls in die Arme. Halten uns idealerweise, kommen gemeinsam runter. 

Vielleicht fliegt aber auch einfach nur der Ranzen in die eine Ecke, die Socken in die andere. Wird über das Mittagessen gemäkelt, ist der Sitzplatz am Tisch plötzlich der falsche. Und schneller als gedacht ist es soweit: Haben wir uns als Eltern eben noch vorgenommen, mit unseren Kindern einen schönen Nachmittag zu verbringen, hören wir uns jetzt dabei zu, wie wir mit typischen „Elternsätzen“ auf sie einreden („Jetzt sitz doch mal ruhig!“ „Kannst du dein Zeug nicht wegräumen?!“) und womöglich nur Sekunden später herumschreien und alles andere als liebevoll sind. 

Was wichtig ist, wenn (mal) die Fetzen fliegen

Das alles ist nicht toll – aber, gute Nachricht: Es beschädigt das Verhältnis zu unseren Kindern nicht. Zumindest: 

  • Solange wir nicht von ihnen Selbstregulation erwarten, die wir in diesem Moment als Erwachsene selbst nicht hinbekommen. Sie schreien, wir schreien. Beides nicht schön, aber darf für den Moment sein.
  • Solange wir dabei den Respekt voreinander nicht verlieren. Also „Ich bin echt genervt, dass hier so ein Chaos ist/dass du in deinem Essen rumstocherst/dass du deine Sachen einfach auf den Boden wirfst!“ oder auch, direkter: „Seid ruhig, mir platzt der Kopf!“, aber nicht: „Du bist so schlampig/undankbar/du bekommst auch nichts hin!“ oder „Halt’s Maul!“ Kinder lernen von uns, wie sie ihre Wut ausdrücken können. Machen wir es ihnen so vor, wie wir es später von ihnen erwarten!
  • Solange wir hinterher klären, was war und uns wieder versöhnen. Aber nicht mit „Jetzt entschuldige dich bei…“, eher mit: „Ich setze mich zu dir und höre zu“ oder „Darf ich dich mal in den Arm nehmen?“ „Tut mir leid, mein Vormittag war wirklich stressig, deiner auch?“
  • Solange wir langfristig auf Spurensuche gehen und herausfinden, was die Eskalationen bewirkt, so dass Streit und Gereiztheit in unserer Familie nicht zum Dauerzustand werden. Verbringen wir zu wenig gemeinsame Zeit? Haben wir zu viel „Programm“ am Nachmittag? Ist da die Angst, nicht so geliebt zu werden, wie der Bruder oder die Schwester? Oder hast du als Erwachsene/r zu wenig Möglichkeit, Kraft zu tanken? Hilfe bei Fragen rund ums Elternsein bieten zum Beispiel Beratungsstellen der Caritas oder von Pro Familia sowie (telefonisch) das bundesweite Elterntelefon.

Den Rahmen eurer Familie bestimmst du

Die gute Nachricht: Du hast es selbst in der Hand, weniger oft laut zu werden. Und deine Kinder haben jeden Tag die Chance, ihre Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Wenn es trotzdem nachmittags öfter „knallt“? Dann schraubt vielleicht als erstes eure Erwartungen aneinander runter (beziehungsweise du deine an deine Kinder): Sie sind nicht dazu da, dir ein schönes Leben zu machen. Aber ihr habt alle das Recht, euch möglichst wohl miteinander zu fühlen.

Du musst als Mutter oder Vater nicht immer alles im Griff haben. Aber du setzt den Rahmen, der die Stimmung in eurer Familie bestimmt. Gegenseitige Wertschätzung und respektvolle Auseinandersetzung sowie das Achten von Bedürfnissen und Gefühlen lassen sich nicht „verordnen“. Du kannst es nur immer wieder vorleben, auch mal daran scheitern, dich entschuldigen, es beim nächsten Mal anders machen.

Lernen, wie Wut auf gute Weise geht

Immer gelassen, fröhlich und entspannt zu sein, ist keine Option. Wege finden, wie ihr mit Wut und negativen Gefühlen umgeht, ohne euch dabei körperlich und seelisch zu verletzen, schon! Genau das kannst du deinen Kindern zeigen: Ich bin auch nur ein Mensch, ich mache Fehler. Und du darfst das auch. Gemeinsam machen wir es besser. Warum? Weil wir uns lieb haben. 

Du lebst – und fühlst – auf diese Weise mit deinen Kindern? Dann bist du schon auf einem ziemlich gutem Weg mit ihnen. Herzlich alles Gute, auch in turbulenten Zeiten!

Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

2 Gedanken zu „Mein Kind schreit – und ich gleich mit. Was tun, wenn ich als Mutter (oder Vater) die Fassung verliere?“

  1. Danke für diesen Beitrag. So ähnlich sehe ich das auch und ich halte den Ansatz für wesentlich lebensechter und auch pragmatischer als manche beige- bis rosarotfarbene Influencertipps auf Instagram und Co.
    Da ist oft so übermäßig viel Liebe, heile Welt und Verständnis, dass ich mich unwillkürlich manches Mal frage, wie es in den Familien hinter den Kulissen aussieht (oder ob die Mütter sich selbst als Individuum komplett aufgeben)🤔.
    Liebe Grüße
    Anja

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