Familie, Psychologie

„Sag Entschuldigung, sonst…!“ Erpressung fördert keine Empathie

Kind mit verschränkten Armen und skeptischem Blick.


Achtjährige sind nicht immer höflich. Manchmal provozieren sie auch ganz bewusst. „Du Schwein!“, sagte vor kurzem ein Freund meines Sohnes zu einer meiner Freundinnen. In welchem Zusammenhang der Satz fiel, ob er tatsächlich ernst gemeint war – das alles erfuhr ich erst einmal nicht. Nur, wie meine Freundin darauf reagierte. 

Ohne Entschuldigung kein Keks

Der Satz war offenbar auf der Fahrt zu unserer Verabredung gefallen. Am Treffpunkt angelangt, gab meine Freundin eine Runde Kekse aus. Nur der besagte Junge bekam keinen. Er sollte sich erst entschuldigen. Vor versammelter Runde: „Sag Entschuldigung, sonst bekommst du keinen Keks.“ Sekundenlang beklemmende Stille. Dem Jungen war die Situation offensichtlich unangenehm. Den anderen Jungs auch. Aber zu einer Entschuldigung ließ er sich nicht bewegen. Meine Freundin ließ es schließlich gut sein. Eine Entschuldigung hatte sie nicht erhalten. Der Junge den Keks auch nicht. Ich selbst blieb nachdenklich zurück. 

Meine Freundin kenne ich als sensible, eigentlich sehr am Wohl ihrer Kinder interessierte Person. Den Jungen als netten und an sich höflichen Freund meines Sohnes. Was war da schief gelaufen? 

Was hättest du getan?

Als die Jungs spielten, sprach mich meine Freundin selbst an: „Was hättest du in der Situation getan?“ 

Ich hätte ihn zur Seite genommen. Ihm gesagt, dass mich seine Aussage verletzt hat, hätte ihn um eine Entschuldigung gebeten.

Aber das habe ich doch getan!

Er hätte sicher ehrlicher seine Reue zeigen können, wenn du die Entschuldigung nicht vor seinen Freunden und als „Gegenleistung“ gegen einen Keks gefordert hättest. So hat er sich vermutlich erpresst und bloßgestellt gefühlt. Eigentlich spricht es doch für ihn, dass er da nicht mitgemacht hat.

Meine Freundin sah mich nachdenklich an:

So habe ich das noch nicht gesehen!

Die Mär vom „bösen Kind“

Mir zeigt dass, wie tief wir, auch als bewusst handelnde Eltern, oft noch die alte Erzählung von „bösen Kind“ verinnerlicht haben. Ein Kind, das gegen seinen Willen zu Reue und Entschuldigung erpresst werden muss, dem ordentliches Benehmen bei Strafe „eingebläut“ werden muss und dem wir ein Gespräch auf Augenhöhe gar nicht erst zugestehen.

Wollen wir, dass unsere Kinder zu Erwachsene werden, die für ihre Bedürfnisse einstehen und mit Kritik konstruktiv umgehen können, dürfen wir heute ihre Integrität als Kinder bewahren

Ein erpresstes „Entschuldigung“ weckt Widerstand und zeigt nur, dass wir mehr Macht als unsere Kinder haben. Wollen wir sie tatsächlich zu Empathie und einem feinfühligen Umgang mit anderen bewegen, dürfen wir ihnen genau das vorleben: Indem wir uns zeigen („Du hast mich „Schwein“ genannt, das hat mich traurig gemacht“), sie nach ihren Beweggründen fragen („Warum hast du das getan?“) und ihnen zugleich die Möglichkeit geben, einen Ausweg aus der für Situation zu finden („Würdest du dich bei mir entschuldigen?“)

Eine kurzes Gespräch wie dieses ist eine Brücke, die Begegnung und damit gegenseitiges Verständnis ermöglicht. Gerade auch, wenn die Antwort sein sollte: „Das war nur als Spaß gemeint!“ Dann kann ich als Mutter sagen: „Ich fand es aber nicht lustig, sondern verletzend!“ Und schon verstehen wir einander etwas besser. 

Und wie geht ihr mit dem Thema „Entschuldigen“ um? Berichtet gerne davon ihn den Kommentaren!

Herzlichen Gruß, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

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