Care-Arbeit, die Fürsorge für Kinder, Alte und Kranke, ist das Rückrat unserer Gesellschaft und zugleich behandeln wir die, die diese Arbeit auf sich nehmen, oft mit einer Art gönnerhaften Wohlwollens. Super, das du das machst – ich wollte es nicht! So denken insgeheim vermutlich nicht wenige Entscheidungsträger/innen aus Wirtschaft und Politik, schmerzhafterweise gleichermaßen Männer wie Frauen, deren Karrieren davon profitieren, dass Personal, Au-Pairs, Erzieherinnen und Ehefrauen die Pflege von Kindern und alten Eltern übernehmen. Keine/r, der Kinder hat, kann von 8-20 Uhr in Sitzungen oder auf Geschäftsreisen sein, ohne eine (familiäre oder außerfamiliäre) Betreuung für seinen Nachwuchs in Anspruch zu nehmen. Das kostet, wenn man dafür bezahlen muss, schnell mehrere Hundert Euro. Glücklich, wer gar nichts dafür bezahlt, bzw. nur ein Taschengeld, weil eine Assistenz mit Dreimonatsvisum oder eben die eigene Ehefrau diese Arbeit übernimmt.
Tragisch ist, dass genau die Menschen, die diese emotional und körperlich fordernde Arbeit verrichten, oft in keiner Weise in der Lage sind, für ihre Rechte einzustehen. Eine Frau, die die deutsche Sprache nur unzureichend spricht, zwischen zwei Jobs pendelt, um sich finanziell über Wasser zu halten oder finanziell (und emotional) von ihrem Partner, der den Vollzeitjob innerhalb der Familie inne hat, abhängig ist, wird kaum zur Aktivistin. Auch wer allein- oder getrennt erziehend ist und neben der eigenen Berufstätigkeit seine Kinder betreut, hat oft weder Zeit noch Energie, sich gesellschaftlich zu engagieren.
Unsere alltägliche Stärke nutzen
Dabei ist sehr viel möglich, wenn gerade wir Frauen uns unserer alltäglichen Stärke bewusst sind. Ich möchte daher an dieser Stelle drei Projekte vorstellen, die ich selbst, berufstätig, Mutter eines 31/2-jährigen Sohnes und seit inzwischen gut zwei Jahren getrennt erziehend, im Verlauf der letzten 12 Monate ins Leben gerufen habe.
- Einen monatlichen Stammtisch für allein- und getrennt erziehende Eltern in Köln
- Ein nicht-kommerzielles Netzwerk für Kinderbetreuung im Notfall unter allein- und getrennt erziehenden Müttern im Raum Köln
- Eine „Moms’ Business Night“ zum Austausch und zur Vernetzung unter berufstätigen, allein- und getrennt erziehenden Müttern.
Stammtisch für Allein- und Getrennterziehende
Ich selbst fühlte mich vor gut zwei Jahren, frisch getrennt, mit einem 11/2-jährigen Kleinkind, durchaus „hilfsbedürftig“. Streitereien in der Partnerschaft hatten mich erschöpft und auch wenn ich nach der Trennung das Gefühl hatte, „zu neuen Ufern“ aufbrechen zu können, fühlte ich mich doch oft ziemlich einsam. Mein Impuls für einen Stammtisch für allein- und getrennterziehende Eltern, den ich schließlich im Sommer 2018 gemeinsam mit einer Freundin gründete, lag genau darin begründet: ich wollte mehr Kontakt zu Müttern und Vätern in meiner Situation und das für mich gut erreichbar, in ungezwungenem und zugleich persönlichem Rahmen. Die ersten drei „Stammtische“ organisierten wir als Picknick im Park mit unseren Kindern, wir legten lediglich Ort und Zeit fest und jede/r, der vorbeischaute, brachte etwas zu essen mit. Mit zunächst überschaubarem organisatorischen Aufwand zauberten wir so unter uns 6-8 Erwachsenen und 4-6 Kindern ein kleines Frühstücksbüffet auf Papptellern und Papierservietten. Als die Temperaturen im Herbst sanken, zogen wir in ein Lokal um und frühstücken seitdem dort. Wir genießen das leckere Essen, die Kinder beginnen sich bereits wiederzuerkennen und wir Erwachsenen führen gute Gespräche von ganz leichten bis hin zu manchmal auch ernsten Themen. Anfang des Jahres hat sich sogar die deutschlandweit erscheinende Frauenzeitschrift „Freundin“ für uns interessiert und berichtet in der März-Ausgabe 7/2019, die momentan am Kiosk zu finden ist, über unsere Initiative!🙂
Kinderbetreuung im Notfall
Ein Magen-Darm-Infekt, der mich zwei Tage lang außer Gefecht setzte, brachte mich einige Monate später auf die Idee, ein (möglichst tragfähiges), nicht-kommerzielles Netzwerk zur Kinderbetreuung im Notfall unter uns Allein- und Getrennterziehenden zu organisieren. Der Gedanke war – und ist – dass sich genau diejenigen, die Hilfe brauchen, auch gegenseitig unterstützen können. Jede allein- oder getrennt erziehende Mutter weiß wohl um die leichte Panik, die aufkommt, wenn man selbst oder das eigene Kind, bzw. die eigenen Kinder krank zu werden drohen. Oft hat sich gerade alles ganz gut eingespielt zwischen Schule, Kindergarten, (Ex-) Partner und Co – solange eben nicht eine der (Betreuungs-) Säulen ins Schwanken gerät. Und dann, halb krank und unter Zeitdruck, nach professionellen Hilfsangeboten suchen? Auch hier dachte ich: mache es persönlich und direkt: 10-20 Frauen, die sich teilweise über den Stammtisch bereits kennen, geben mir ihre Kontaktdaten, ich sammle diese und schicke die so entstandene Liste an alle, die mitmachen wollen. So erhalten alle Beteiligten die Information, welche anderen allein- und getrennt erziehenden Mütter aus ihrem Stadtteil zu einer solchen Kooperation bereit wären. Die konkreten Absprachen treffen alle dann dezentral mit den ein, zwei Frauen, mit denen sie sich organisatorisch und von der Sympathie her wirklich ein privates „Notfallnetz“ vorstellen können. Innerhalb von zwei Tagen meldeten sich auf meinen Aufruf hin 24 (!) Frauen, die Teil dieses Netzwerks sein wollten. Ich erstellte die Liste, schickte sie an alle und werde auch hier im Blog berichten, was sich weiter aus den Kontakten ergeben hat!
Moms’ Business Night
Schließlich meine dritte Initiative, angeregt durch die Gespräche, die sich während unseres Stammtischs ergeben haben: all diese tollen, kompetenten Frauen haben, neben ihrer Fähigkeit als Mutter, oft berufliche und private Qualifikationen, von denen sicher noch andere aus der Gruppe profitieren können. Warum nicht den Rahmen schaffen, in dem alle von den Kompetenzen der anderen erfahren können? Die Idee zur Moms’ Business Night war geboren. Was etwas hochtrabend klingt, ist ein Treffen in einem Kölner Lokal am 8.3. (passenderweise dem Weltfrauentag), bei dem jede Anwesende kurz sich selbst und ihren Beruf vorstellt, sowie erklärt, welche Fähigkeiten sie der Gruppe zu Verfügung stellen kann. Der Rest ist dann ein Abend in lockerer Runde und die Möglichkeit, untereinander fleißig zu netzwerken. Auch über diesen Abend und was sich daraus ergeben hat, werde ich hier im Blog nochmals berichten.
Mutter-Sein stärkt!
In Bezug auf das Verfolgen eigener Ziele hat mich mein Mutter-Sein und die Erfahrung meiner Trennung vor gut zwei Jahren eindeutig verändert. Ich weiß inzwischen nicht nur, dass es gut und wichtig ist, seine eigenen Werte zu vertreten, sondern auch, dass ich den Mut haben muss, mir die Strukturen zu schaffen, in denen dies überhaupt möglich ist. Auf einmal bin ich selbst diejenige, die Dinge ins Leben ruft. Und ich kann sagen, es fühlt sich gut an!
Daher:
- Schaut, was eurer tiefes Interesse ist (bei mir der Kontakt und die gegenseitige Vernetzung) und dann macht es konkret: Welche Begegnungen und Initiativen können euch das geben, was ihr sucht?
- Dann legt los, zunächst so klein und mit so wenig organisatorischem Aufwand wie möglich: Ihr öffnet Türen, ihr braucht die Menschen nicht hindurch zu tragen! Wer mit euch gehen will, wird ganz von selbst Initiative zeigen.
- Und nicht zuletzt: Achtet beim Machen und Initiieren darauf, was sich für euch wirklich gut anfühlt. Denn dorthin fließt eure Kraft von ganz alleine. Ich möchte nicht unterschlagen, dass es Zeit und Energie kostet, Dinge nicht nur zu initiieren, sondern sie auch „am Laufen“ zu halten. Die Kraft dazu findet ihr meiner Meinung nach dadurch, dass ihr euch a) mit anderen zusammen tut, die eure Ziele teilen, b) nicht erwartet, dass euch alles gelingt und ihr jede/n für eure Pläne begeistern könnt und vor allem, dass sich c) euer Handeln mit euren Werten deckt. Ein Handeln, bei dem ihr in diesem Sinne auf eure Kräfte achtet und eurem „inneren Kompass“ folgt, kann eigentlich nur erfolgreich sein!🙂
Mein Fazit:
Frauen und Mütter, alleinerziehend, getrennt erziehend oder nichts von beidem: Wenn wir die Kraft haben wollen, gesellschaftlich etwas zu bewegen, müssen wir uns zunächst selbst stärken. Daher: Seid euch eurer Kraft und eurer Möglichkeiten bewusst. Und versucht eure Ziele gemeinsam zu erreichen. Es ist einfacher, erfolgsversprechender – und macht schlicht mehr Spaß!
Herzliche, aktive Grüße, Sunnybee
PS. Wer zu allen vorgestellten Projekten mehr Informationen möchte, bzw. mit mir Kontakt aufnehmen möchte, wende sich gerne an mich über die Kommentarfunktion oder direkt per Mail über kontakt[at]mutter-und-sohn.blog.
PPS. Claire Funke, lange tätig in der Erwachsenenbildung und alleinerziehende Mutter zweier Söhne, weist zurecht, u.a. in ihrem Blog, laut und deutlich darauf hin, dass Fürsorge-Arbeit gesellschaftlich stärker wahrgenommen und honoriert werden muss. Ihre Petition haben bereits fast 31.000 (!) Menschen unterschrieben. Unterstützenswert!
[Foto: pixabay]
Wirklich toll, was du alles auf die Beine gestellt hast! Ich finde Vernetzung unter Müttern auch sehr wichtig. Mein Mann ist ein sehr engagierter Vater und ich bekomme auch Unterstützung durch unsere Familien. Aber manchmal reicht das trotzdem nicht aus. Zum Glück habe ich eine Runde befreundeter Mamas. Wenn mal irgendwo Not am Mann ist, helfen wir uns gegenseitig aus. Das funktioniert super 🙂
Liebe Grüße, Simone
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Liebe Simone,
danke für deinen Kommentar! Ja, wir sollten – auch als Familien und egal ob zu zweit, allein oder getrennt erziehend – viel weniger „Inseln“ sein, sondern uns auch im Alltag unterstützen und miteinander verbinden.
Sich so ein „Netz“ aufzubauen kostet zunächst einmal richtig Zeit und Energie, aber es ist so viel wert – und ich glaube, sehr, sehr viele Mütter und Väter haben ein solches Netzwerk, das über die eigene Familie hinausgeht, gar nicht mehr und insgeheim große Sehnsucht danach. Also los! Über diesen Wunsch sprechen, sichtbar werden und damit „Türen öffnen“ kann der erste Schritt sein. Wer mitmachen will, wird sich melden! 🙂
Herzlichen Gruß, Sunnybee
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Sehr schön, liebe Sunnybee. Du hast recht damit, dass wir alle mehr für unsere Werte und Rechte einstehen sollten, nicht nur am Weltfrauentag …
Und treffend ist auch dein Satz zu unserem Stammtisch: „Ihr öffnet Türen, ihr braucht die Menschen nicht hindurch zu tragen! Wer mit euch gehen will, wird ganz von selbst Initiative zeigen.“ Genau so sehe ich das auch.
Der Artikel in der Zeitschrift Freundin ist übrigens beeindruckend geworden, schau mal hier: https://www.getrenntmitkind.de/details/freundin.html
Viele Grüße,
Christina
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Liebe Christina,
danke für deinen Kommentar – und den Link zu deinem Blogbeitrag! Ja, ich freue mich sehr, dass wir mit unserem Stammtisch in der „Freundin“ im Kreis dieser tollen Initiativen vertreten sind. Und es stimmt wirklich: „Eine Frau ist stark, viele Frauen sind stärker!“🙂
Unterschlagen möchte ich ebenfalls nicht, dass es Kraft und Zeit kostet, eine solche Initiative am Laufen zu halten, gerade auch als allein- oder getrennt erziehende Mutter. Daher habe ich diesen Aspekt auch noch nachträglich in meinem Artikel ergänzt.
Herzlichen Gruß, Sunnybee
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Vielen Dank fürs Verlinken. Ich habe das in den sozialen Netzwerken geteilt. Herzliche Grüße, Claire
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Oh super, vielen Dank!🙂
Gerade heute habe ich wieder die Bestätigung bekommen, wie absolut notwendig das Engagement für die Bezahlung von Care-Arbeit ist. Was nichts kostet ist in der Wahrnehmung vieler einfach nichts wert! Wörtlich habe ich mir heute anhören müssen, ich habe ja neben meiner Teilzeitstelle „Freizeit“, im Vergleich zu einem (gleich alten) kinderlosen Kollegen, der aufgrund einer schulischen Aufgabe ebenfalls weniger unterrichtet, aber dafür veraussichtlich demnächst befördert wird… Begründung: er engagiere sich ja in besonderer Weise.
Igittigitt! Das ist einfach himmelschreiend ungerecht.
Ja, Care-Arbeit ist KEINE Freizeit und keine Privatsache! Diese Wahrnehmung vieler MUSS sich ändern!
Herzlichen Gruß
Sarah
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Liebe Sarah,
das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und tut mir sehr leid für Dich persönlich. Wir brauchen gesellschaftlich einen neuen Arbeitsbegriff, denn bis jetzt wird nur Erwerbsarbeit als Arbeit gewertet. Des Weiteren muss Care-Arbeit finanziell abgesichert werden, denn sie ist in vielen Fällen ein Grund für Armut und das darf wirklich nicht sein.
Herzliche Grüße
Claire Funke
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