
Der Titel knallt. Und trägt sicher maßgeblich dazu bei, dass Frauen dieses Sachbuch kaufen. Denn ein bisschen erinnert es von seiner Aufmachung her an einen Schlüsselroman. Auch mich treibt die Neugier: Mal sehen, was ihr Kerle wirklich über uns Frauen denkt…
Das (bittere) Fazit: Gleichberechtigung ist nicht. Im beruflichen Kontext reihen sich, will man den Autoren Martin Speer und Vincent-Immanuel Herr glauben, Stereotype und Sexismen munter aneinander. Übrigens auf Männer UND Frauen bezogen. Offen ausgesprochen werden sie aber offenbar nur, wenn Frauen nicht dabei sind.
„Wer Führung will, muss sie einfordern und Ellenbogen einsetzen. Frauen müssen das endlich mal lernen.“
Das nur eine der harmloseren Aussagen eines Typs Mann, den Herr und Speer in ihrer Klassifikation den „Alphamann“ nennen. Überzeugt von der Sinnhaftigkeit „natürlicher Auslese“ im beruflichen Kontext, sieht er Frauen qua Geschlecht außer Konkurrenz. Während ihm und seinesgleichen schon kaum ein Mann das Wasser reichen kann, sind Frauen in seinen Augen allein durch ihr Frausein weniger durchsetzungsstark und damit für Top-Positionen ungeeignet.
Was die Aussage des „Alphamannes“ komplett negiert, worauf das Sachbuch aber klar hinweist: Strukturelle Hürden wie die Gläserne Decke, Männerseilschaften oder im Privaten die ungleiche Verteilung von Carearbeit machen es Frauen, ganz unabhängig von ihrem Ehrgeiz und ihrer Durchsetzungsfähigkeit, schwer, sich im beruflichen Kontext zu behaupten.
Ein weiteres Beispiel, wie strukturelle Ungleichheit komplett ignoriert und der Versuch, Frauen zu fördern, sogar als Ursache allen Übels dargestellt wird, zeigt folgende Aussage:
„Bei uns wird man mittlerweile nur noch befördert, wenn man eine Frau ist.“
Ach, die bösen Frauenquoten und Diversity-Programme… Aus diesen Worten ist neben dem Wunsch, an vermeintlich altbewährten Strukturen festzuhalten, eine klare Verunsicherung erkennbar. Denn kann ich als Mann noch mithalten, wenn plötzlich die Möglichkeit besteht, dass ich qua Quote mit einer Frau zu konkurrieren habe?
In eine ähnliche Richtung gehen Aussagen wie: „Wir sollten nach Kompetenz entscheiden und nicht nach Geschlecht“ oder etwas indirekter: „Feminismus ist doch ein diskriminierender Begriff. ‚Humanismus‘ würde mir besser gefallen.“ oder – auch gut: „Geschlechtergerechte Sprache ist so was von ablenkend. Da kann man sich gar nicht mehr auf den Inhalt konzentrieren.“
Wer braucht heute noch Frauenquoten?!
Klar, alle Menschen sind Brüder, deswegen brauchen wir auch keine Frauenquote, keine gendergerechte Sprache und überhaupt keine Frauenförderung. Wer aber innerhalb eines Systems, das Menschen qua Geschlecht unterschiedlich behandelt, diese unterschiedliche Behandlung ignoriert, handelt eben auch sexistisch.
All das zeigen Martin Speer und Vincent-Immanuel Herr sehr anschaulich und anhand vieler konkreter Beispiele und Zahlen.
Und sie zeigen – das gefällt mir besonders gut -, dass genau dieser Sexismus nicht nur Frauen, sondern auch Männern schadet. Nicht nur, weil Männern dadurch positive Vorbilder fehlen, die ihnen ein gleichberechtigtes Verhalten vorleben. Auch, weil sie in eine Rolle gepresst werden, die längst nicht jedem Mann entspricht: Als immer verfügbarer, Carearbeit auslagernder, „Herr der Lage“. Das aber beraubt auch Männer einer Vielzahl an möglichen Lebensentwürfe. Im Beruf und außerhalb. Es macht sie schlicht unfrei.
Mein Fazit: Das Buch ist ein echter Augenöffner. Sorgfältig recherchiert, prall an Fakten und zugleich gut zu lesen. Für Frauen wie Männer empfehlenswert. Also: Zugreifen!
Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer: „Wenn die letzte Frau den Raum verlässt. Was Männer wirklich über Frauen denken“. Ullstein 2025, ISBN 978-3-550-20306-0.
Wer hat rezensiert?
Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.
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[Foto: privat. Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar. Der Beitrag gibt dennoch ausschließlich meine persönliche Meinung wieder.]
