Persönliches, Politik

2022: KW 12 | Zeitenwende? Gedanken als Mutter zur Lage in Europa |

Edvard Munch „Der Schrei“ (Bildausschnitt)
Edvard Munch „Der Schrei“ (Ausschnitt)
Befinden wir uns gerade/
In einer Zeitenwende/
wie eine von mir geschätzte Autorin
vermutet?

Wenden wir uns/
Als Gesellschaft/
Als Einzelne/
Als Mütter, Väter, Großeltern/
Als Menschen mit Beruf, mit Verantwortung/
Als Bürgerinnen und Bürger/
Ab von einer Zeit, in der/
Die Rechte des Einzelnen von Bedeutung waren/
In der Schwache geschützt, Diskussionen mit Argumenten geführt und Konflikte mit Worten gelöst wurden?
Wenden wir uns einer Zeit zu/
In der gewinnt, wer stark ist - oder vorgibt, stark zu sein/
In der kein Raum ist für Zweifel, Ambivalenz, empathische Sorge für andere/
Auch für die Natur, die uns allen überhaupt erst unser Leben ermöglicht. 

Ist jetzt die Zeit/
Wo wir aufrüsten (100 Milliarden für die Bundeswehr)/
Krieg wieder mit Krieg beantworten wollen/
Die Jugend benutzen, statt sie voll Dankbarkeit ihre Zukunft entdecken zu lassen?/

Ist die Zeit, wo gilt/
Bist du nicht für mich, bist du gegen mich/
Sei wie alle und zieh/
Am Strick, der uns letztlich alle erwürgt/
Selbstgerechte Gerechtigkeit/
Bestimmt von denen/
Die Geld, Macht und Einfluss haben?

Wie erkläre ich meinen Kindern/
Dass nicht der gewinnt, der die besseren Argumente hat, sondern der, der seine Argumente lautstark verkündet/
Dass nicht der die Hilfe bekommt, der sie am meisten braucht, sondern der, für den wir uns gerade am meisten interessieren/
Dass wir zwischen Menschen unterscheiden, die an Europas Grenzen verrecken dürfen/
Und Menschen, für deren Wohl und Frieden wir zu Zehntausenden auf die Straße gehen.

Wie erkläre ich meinen Kindern eine Welt/
Vor der ich sie, wie sie ist/
Am liebsten beschützen möchte/
Oder sie ermutigen möchte/
Den Schritt zu gehen, mit mir an ihrer Seite/
Gerade nicht mitzugehen mit einer Welt/
In der sich Politik, Rechtsprechung und Berichterstattung/
Zu Teilen ihrer Menschlichkeit verschließen.

Es bleibt die Hoffnung, dass - ja/
Diese Welt, wie sie hier gerade vor uns entsteht/
Nicht die letzte aller Welten ist/
Und wir uns wieder dem zuwenden, was auch möglich wäre/
Statt Krieg, Repression und Gleichschritt
Frieden, Demut und ein sachtes Erwachen/
Aus der Illusion, die Herren dieser Welt zu sein. 

(15.03.2022)

Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

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[Foto: Wikipedia Common]

9 Gedanken zu „2022: KW 12 | Zeitenwende? Gedanken als Mutter zur Lage in Europa |“

  1. Hallo Sarah, deine Gedanken halte ich für wichtig und auf jeden Fall denkenswert. Allerdings habe ich das Wort „Zeitenwende“ bisher etwas anders ausgelegt als du: Diese Zeitenwende bedeutet auch, dass der Weg, den die Weltgesellschaft ungefähr 30 Jahre lang gegangen ist, leider auch nicht zielführend war. Wandel durch Handel hat eine Weile anscheinend (nicht unbedingt tatsächlich) funktioniert. Anders gesagt: die Doktrin des Kapitalismus, der alles glattzieht, ist nicht die Lösung.
    Wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, hat es nur für die westlich geprägten Strukturen einigermaßen gut ausgesehen, weil wir – ja, wir zählen auch dazu – uns auf der Sonnenseite recht sicher wussten, während es für andere Gesellschaften eigentlich kaum funktioniert hat. Aber solange hier die Turnschuhe billig waren, kümmerte uns auch Bangladesh herzlich wenig. Zum Beispiel. Oder die Kinderarbeit in den Kobaldminen, wenn wir nur immer das neueste IPhone bekamen. Natürlich ist auch das verallgemeinernd, aber im Großen und Ganzen passt es.

    Ebenso wenig ist es hilfreich, wenn der Reflex greift, alles was schiefgeht, Regierungen anzuhängen, denn solange alles mehr oder weniger in Butter war, sahen nur wenige einen Grund, nachzuhaken. Was zum Beispiel die Bundeswehr angeht: Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde sie abgewirtschaftet, denn unser Land war ja mit fast allen gut Freund. Sozusagen von einer Seite des Pferdes auf die andere gerutscht. Wir wollten mit aller Macht eine Welt, in der Landesverteidigung nicht notwendig ist. Eine absolut wünschenswerte Utopie, aber eben eine Utopie. (Ich kann ja auch beim Autofahren nicht auf Sicherheit verzichten, nur weil ich weiß, dass ich gut fahren kann. Ich muss immer auch mit der Unfähigkeit anderer Verkehrsteilnehmer rechnen.)

    Aber weißt du, was mich so richtig anpi..t in dieser Situation? Alles, was in puncto Nachhaltigkeit eventuell demnächst wegen steigender Energiepreise durchgesetzt wird, funktioniert erst durch den Innovationstreiber Krieg, und nicht, weil wir unseren Kindern eine intakte Welt hinterlassen wollen!
    Es gibt ganz sicher, wie du schreibst, vieles anzupacken für Gerechtigkeit in allen Bereichen. Und da hat jeder einzelne Mensch so seine Baustellen. Ein Problem dürfte sein, dass nicht jeder seine Baustelle als solche wahrnimmt. Daher ist diese Zeitenwende sowohl Risiko als auch Chance. Ich wäre sehr froh, wenn wir die Kurve Richtung Chance nehmen…
    Danke für deinen Denkanstoß.
    Liebe Grüße
    Anja

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    1. Liebe Anja… herzlichen Dank auch dir für diese fundierte Ergänzung zu meinem Kommentar in Versform! Ich stimme dir in Bezug auf viele Punkte zu, insbesondere was den Umstand angeht, dass uns Dinge oft dann besonders schmerzen, wenn wir persönlich von ihnen betroffen sind und dass einfache Antworten meist schlicht nicht zu dauerhaft tragfähigen Lösungen führen. Die Hoffnung auf eine humane Zukunft hoffe ich dennoch bewahren zu können – gerade auch mit Blick auf meine noch kleinen Kinder!
      Herzlichen Gruß, Sarah

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  2. Also das „fundiert“ geht ja runter wie Öl, ob das so berechtigt ist, lasse ich mal dahingestellt😉. Aber hoffen tu‘ ich auch wie doll und verrückt. Unsere älteste Tochter und ihr Mann beginnen gerade mit der Familienplanung, auch für diese noch nicht geborenen Kinder finde ich, jede Anstrengung lohnt.
    Trotz aller schweren Gedanken wünsche ich dir und deinen Kindern einen schönen Tag.

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  3. Hallo Sarah, das Wort Zeitenwende stammt in diesem Zusammenhang nicht von mir, sondern von unserem Herrn Bundeskanzler (Sondersitzung des Bundestages am 27.2.), ich sehe eine solche sprachliche Dramatik sehr kritisch und halte mehr von deeskalierender Sprache, zumindest wenn einer sich offiziell in so einem hohen Amt äußert.

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    1. Danke für die Erklärung, was für mich allein aus deinem Text nicht so ersichtlich war.
      Ich bin selbst zutiefst überzeugt, dass Gewalt (auch verbale Gewalt) immer nur vordergründig zur Beendigung eines Konflikts führt, eine echte und dauerhafte Lösung aber verhindert. Und ich nehme – auch bereits während der Diskussion um nationale Interessen in Europa während der letzten Jahre und zuletzt während der Corona-Pandemie in Deutschland – sehr wohl eine Rhetorik der Eskalation seitens vieler Politiker wahr: sei es die aggressive Brexit-Rhetorik in Großbritannien, das öffentliche Wettern gegen Flüchtlinge an Europas Grenzen oder zuletzt die Stigmatisierung ungeimpfter Menschen als „Pandemietreiber“ – differenziert geht anders. Und ja, diesen offen aggressiven Ton gegen angeblich Schuldige auch seitens „moderater“ Politiker empfinde ich als neu und die daraus resultierende Polarisierung als sehr bedenklich.

      Gefällt 1 Person

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