Gesellschaft, Politik

2022: KW 7 | Weiter so? |

Champagnerflaschen auf Eis

Sehr viel Corona aktuell bei mir im Eltern-Blog. Dennoch schreibe ich jetzt noch einmal darüber. Denn was die Pandemie uns aktuell zeigt, ist ein Eltern- und Familienthema. Weil es ganz konkret diejenigen betrifft, für die wir Erwachsenen die Verantwortung tragen und deren Zukunft wir gerade verbocken… äh, gestalten – unsere Kinder! 

In aller Kürze: Weiter so geht nicht. Denn Weiter so bedeutet: wer in unserer Gesellschaft für andere sorgt, hat später Pech gehabt. Wer die Verantwortung für Menschen übernimmt und diese betreut oder pflegt, zahlt am Ende selbst dafür. Weil Fürsorge in Deutschland noch immer als nettes „Nice-to-have“ gesehen wird und nicht als das, was sie ist: Essenz und Grundlage einer Gesellschaft, die mehr sein will als ein herz- und hirnloser Ort des Konsums und Markt der Möglichkeiten. 

Wir können in dieser Pandemie Solidarität so verstehen, dass wir alles mitmachen, um danach bei allem wieder mitmachen zu können. Oder wir beginnen zu sehen, dass beides nur zu einem führt: wir sind dann wieder „im System“, das so schon längst mehr als marode ist. Das nur weiterläuft, weil diejenigen, die es am Laufen halten, ihre persönlichen, finanziellen und körperlichen Grenzen täglich überschreiten. 

Personalengpässe in der Pflege und fehlende Rücklagen bei Lufthansa, die 2021 staatliche Subventionen in Milliardenhöhe zur Rettung des Konzerns nötig machten, haben auf den ersten Blick nur wenig miteinander zu tun. Auf den zweiten offenbart sich darin die Logik eines Marktes, die besagt: Rücklagen, finanzielle und soziale Puffer, Entscheidungen mit Weitsicht – was interessiert mich das alles, wenn der (momentane) Gewinn stimmt. 

Me, me, me first! – Die Logik des Höher-Schneller-Weiter funktioniert so lange, bis mal nichts mehr geht: das kann der Beinbruch sein, das Burnout oder – wie zuletzt eben – ein fieses Virus. 

Der neoliberale Effizienzfetisch hat Systeme geschaffen, die stets gerade noch so funktionieren; selbst Megakonzerne müssen im Notfall handlaminierte Hinweisschilder zusammenkrakeln und Küchenfolie ausrollen, weil all die agilen Designs und Wordings nur fürs Weiter-so ausgerichtet waren.“ Diese Sätze schreibt Leo Fischer, ehemals Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“ Anfang 2022 in einem Kommentar: „So wird die eigentlich soziale Aufgabe, die Individuen vor Katastrophen zu retten, zum Gegenteil: Die Individuen nehmen Katastrophen hin, damit die Systeme nicht mehr in die peinliche Lage geraten, sie verhindern zu müssen. Systeme werden nicht mehr auf Schwankungen, Reserven oder auch nur konjunkturelle Zyklen ausgerichtet, sie haben Normalität zur unausgesprochenen Voraussetzung.“

Das führt zur Not der Pflegenden, der Überlastung bis hin zur Erschöpfung der Eltern und überhaupt all derjenigen, die ihr Leben nicht im Takt des Marktes führen wollen oder können. Wer dann klagt, daran seien Einzelne schuld, sollte schon hinsehen, wer die Misere, z.B. auch im 
Gesundheitssystem, tatsächlich zu verantworten hat: nämlich diejenigen, die der Meinung sind, dass Bürsten, Kämmen, Zähneputzen eines hilflosen Menschen im Minutentakt abzurechnen sei und wer zuviel Zeit (und Geld) koste, habe eben Pech gehabt.

Diese schwarze Seite unserer glücklichen Normalität hat die Pandemie uns gerade fein vor die Nase gehalten und zum Glück braucht‘s nicht mal den Booster, um hier solidarisch zu werden. Hinsehen reicht.

Mit besten Grüßen, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familienthemen und Mutter eines Babys sowie eines Kindergartenkindes.

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[Fotos: Pixabay]

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