
Jetzt hat es auch unsere Familie erwischt. Im engsten Familienkreis sind Vater, Mutter, zwei Kinder mittelschwer an Covid-19 erkrankt, mit eindeutigen Symptomen und per PCR-Test bestätigt. Er geimpft, sie ungeimpft, schleppen sich beide gleichermaßen krank durch den Tag und versuchen, für ihre ebenfalls kranken Kinder da zu sein. Übertragen hat das Virus aller Wahrscheinlichkeit nach ein mit Corona infizierter Freund der Familie, der, selbst geimpft, nur leichte Symptome hatte.
Und auch wir sitzen seit inzwischen vier Tagen zuhause, ein Selbsttest meines Mannes auf Arbeit war positiv, der PCR-Tests zwei Tage später negativ. Also falscher Alarm? Erleichterung! Kaum war mein Mann am nächsten Tag wieder auf Arbeit, war sein dort durchgeführter Selbsttest erneut positiv und er wurde unverzüglich nach Hause geschickt. Nun warten wir also auf das Ergebnis seines zweiten PCR-Tests innerhalb von 3 Tagen… Krankheitssymptome haben wir alle zum Glück nicht, dürften laut der Verordnung unseres Bundeslandes bis zum Ergebnis des erneuten PCR-Tests unser Leben einfach weiterleben. Was würdet ihr tun?
Wir bleiben freiwillig zuhause. Zermürbend ist das Warten. Aus dem Alltag herausgerissen zu werden, ohne zu wissen, ob es überhaupt nötig ist. Tja… immerhin verpassen wir draußen nicht allzu viel: die immer fast leere öffentliche Bibliothek unseres Städtchens ist inzwischen nur noch unter der Bedingung 2G+ zu betreten. Also auch Geimpfte und Genesene dürfen nur noch mit Maske, Abstand und getestet zwischen den Regalen stehen. Direkt daneben drängen sich die Menschen in den Läden. Das Oma-Café nebenan wiederum hat fast nur Laufkundschaft – auch hier gilt seit Beginn der Woche in unserem Bundesland 2G+. Offenbar haben Geimpfte und Genesene nicht viel Lust, sich auch noch testen zu lassen, um dann zu zweit in einem leeren Café zu sitzen. Gemütlicher ist es ohnehin zuhause. Wie viele Haushalte hier aufeinandertreffen und in welchem Test-, Impf- und Gesundheitsstatus, wird nicht weiter überprüft.
Tja, und so laviert sich unser Land weiter durch die Pandemie. Der Einzelhandel und Kinobetreiber monieren mittlerweile öffentlich Einkommenseinbußen wegen 2G (die ungeimpfte Kundschaft fehlt), ohne sich andererseits ebenso öffentlich an den eingeschränkten Freiheitsrechten ihrer Kund/innen zu stören. Politiker/innen, die noch vor zwei Monaten (vor der Wahl) nichts von einer allgemeinen Impfpflicht wissen wollten, zeigen sich inzwischen dafür aufgeschlossen. Im Alltag ist Solidarität und Freundlichkeit vielerorts spürbar, in der Berichterstattung großer Medien wird sie beschworen um damit diejenigen zu „überzeugen“, die sich noch immer nicht haben immunisieren (oder boostern) lassen. Geimpft darf ich selbst mit Familienangehörigen, die bestätigt an Covid-19 erkrankt sind, ohne eigenen Test zur Arbeit (z.B. in die Kinderintensivstation). Ungeimpft muss ich mich, um meine Arbeit ausüben zu dürfen, auch symptomlos (früher nannte man das „gesund“) täglich testen lassen.
Kinder tragen in der Schule wieder Masken am Sitzplatz und frieren bei geöffneten Fenstern und Minusgraden. Erwachsene schlürfen mit heruntergezogener Maske auf 2G-Weihnachtsmärkten ihren Glühwein. Amazon und Co machen weiter Rekordumsätze, Paketboten schuften zu Dumpinglöhnen und kleine Läden, inhabergeführte Cafés und Veranstaltungsorte bangen auch in diesem Winter wieder um ihre Existenz. Die niedergelassenen Ärzte ächzen unter dem Ansturm der Test- und Boosterwilligen, das Klinikpersonal schuftet weiter am Limit und kinder- und jugendpsychiatrische Praxen sind auf Monate hin ausgebucht.
Wer redet endlich ernsthaft über die psychischen und sozialen Folgen einer Politik, die mehr von ökonomischen Interessen und politischen Allianzen geprägt zu sein scheint, als vom echten Interesse am Wohl der Bevölkerung? In aller Klarheit: Jeder, der schwer an Covid-19 erkrankt, hat mein Mitgefühl. Ich habe großen Respekt vor der Erkrankung und versuche mich und andere seit mittlerweile fast zwei Jahren durch umsichtiges Verhalten und selbstauferlegte Kontaktbeschränkung zu schützen. Vor der Impfung gegen Covid-19 habe ich ebenfalls Respekt und spreche mich daher für eine freie Entscheidung für oder gegen eine Immunisierung gegen Covid-19 aus. Die aktuellen Widersprüche in der Umsetzung der Maßnahmen sowie ihre nur zu offensichtlichen sozialen Folgen finde ich in jedem Fall schwer erträglich.
Vielleicht kommt aber ja tatsächlich ungeachtet aller Einwände bald die Impfpflicht für alle. (SPD-Gesundheitsminister Lauterbauch denkt zumindest schon öffentlich darüber nach). Kurz danach werden die flächendeckenden anlasslosen Tests abgeschafft. Und dann wird alles gut. Das Pflegepersonal strömt in die Kliniken zurück. Die Arbeitsbedingungen dort verbessern sich wie von Zauberhand, die Einigkeit der Bevölkerung kehrt zurück. Reisen, Shopping und Spaß sind mit Impfpass wieder fast ungebremst möglich. Zumindest bis zum Herbst 2022. Dann wird „zum Schutz aller“ wieder 2G+ („Geimpft oder genesen plus Test“) eingeführt. Die Inzidenzen steigen. Und der Booster vom Booster steht an…
Zynisch und (zu) plakativ? Wir werden sehen, was 2022 uns bringt. Fröhliche (schein-) heilige Vorweihnachtszeit.
Mit besten Grüßen, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familienthemen und Mutter eines Babys sowie eines Kindergartenkindes.
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[Fotos: Pixabay]
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