Familie, Persönliches

Peng, Boom, Bäng – Warum aggressives Kinderspiel nicht immer schlecht ist

Matchbox-Panzer vor Umzugskarton

Bei unserem Sohn (5) ist der Krieg ausgebrochen. Wo bis vor kurzem noch Duplo-Rennautos um die Wette rasten, beschießen sich gerade Superpanzer, Kriegsroboter und kanonenbewehrte U-Boote. „Penggg – zerstööört!“ schallt es durchs Hause und: „Alle tooot!“ Puh, für mich als Pazifistin schwer zu ertragen – vor allem, da seine Stimme dabei nicht wirklich fröhlich klingt. Oder bilde ich mir das nur ein?

Vielleicht zeigt sich darin auch mein schlechtes Gewissen, denn unser Umzug hat nicht nur viel Schönes mit sich gebracht (Nähe zu meiner Familie, ein ruhigeres Umfeld, ein wunderschönes Haus mit Garten). Daneben stellt er unser Leben gerade auch ganz schön auf den Kopf. Alle gewohnten Strukturen (Beruf, Kindergarten, bekannte Wege, Freundinnen und Freunde) sind nicht mehr da, beziehungsweise müssen sich neu finden. Der Kindergartenplatz für unseren Großen ist noch nicht einmal sicher, wir alle vier – auch das neu – sind auf einmal unter einem Dach und nach rund zwei Wochen fehlen noch immer Möbel und wir leben unseren Alltag zwischen Kisten. Sehr viel Neues, Ungewohntes also. Das bringt tatsächlich auch uns Erwachsenen ins Straucheln, macht uns dünnhäutig und gereizt.

Zu alledem schläft unser Kleiner schlecht, ist tagsüber entsprechend quengelig und will am liebsten dauerhaft auf den Arm – und der Große schießt eben lautstark um sich. Mit vom Schlafmangel dünnen Nervenkostüm bin ich da nicht selten versucht zu sagen: „Hör endlich auf damit. Spiel mal was Ruhigeres, Netteres!…“

Und dann frage ich mich, was er da eigentlich spielt: die Guten bekämpfen erfolgreich die Bösen. Aus dem Schneemobil wird in Minutenschnelle das kanonenbewehrte Motorflugzeug. Und überhaupt: dieses Frachtschiff ist das größte, stärkste. Unbesiegbar.

Und wenn es genau darum geht?!

Hier ist er der Kapitän, der Pilot, er entscheidet, wer abstürzt und wer 1000 Leben hat. Dem Kampfroboter stellt sich so schnell keiner in den Weg, der Düsenjet schießt alle ab, die ihm quer kommen, während sonst – „Warte mal bitte, wir müssen noch eben…“, „Kannst du bitte mal…?“, „Sei bitte ruhig, hilf mit, sei vernünftig!“ 

Und das ohne seine Freunde, ohne seine gewohnten Abläufe und Strukturen, mit Mama und Papa, die gerade oft wie aufgescheuchte Hühner und nicht selten mit denkbar schlechter Laune durch die Gegend laufen… 

Gut, dass wenigstens im Spiel alles klar ist: da sind die Guten und da die Bösen. Ich bin stark und die bekommen eins auf den Deckel! Mit diesem Blick sehe ich die Kampfformation im Kinderzimmer auf einmal neu. Ist es nicht wunderbar und intuitiv klug, was unser Sohn gerade tut? Hilft er sich nicht selbst in einer Situation, in der sogar wir als Eltern ihm nur begrenzt helfen können? Und ist vielleicht das Friedlichste, was unser Sohn gerade tun kann, Krieg zu spielen?!…

Also setze ich mich zu ihm. Und spiele einfach mit. Wenigstens eine Viertelstunde lang. „Weißt du, Mama“, sagt unser Großer, „du hast jetzt Superpower. Du bist unbesiegbar!“ „Bäääm!“ antworte ich. Wir grinsen uns an, ich starte meinen Kampfjet und das fühlt sich richtig gut an. 

Herzliche Grüße 

Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familienthemen und Mutter eines Babys sowie eines Kindergartenkindes.

Mehr von mutter-und-sohn.blog?

Dann abonniere meinen Blog über die sozialen Netzwerke Facebook oder Twitter, oder vernetze dich mit mir über LinkedIn. Auch über nette „Likes“ und geteilte Beiträge freue ich mich!

[Foto: privat]

3 Gedanken zu „Peng, Boom, Bäng – Warum aggressives Kinderspiel nicht immer schlecht ist“

  1. P.S. Den Beitrag habe ich vor einer Woche geschrieben. Inzwischen ist – oh Wunder – ganz von allein wieder Frieden im Kinderzimmer eingekehrt. Ob es daran liegt, dass auch wir Großen inzwischen ein ganzes Stück mehr „angekommen“ sind und im Familienalltag bewusst für Ruhe und (freundliche) Struktur sorgen?! Würde ja bestätigen, dass die kurzzeitige Aufrüstung unseres Ältesten durchaus ihre (seelische) Funktion erfüllte – und jetzt offenbar nicht mehr nötig ist. Erfreulich! 🙂

    Gefällt 2 Personen

  2. Na das beruhigt doch. Ansonsten kann ich nur raten, immer eine weiße Fahne dabei zu haben ;-). Hier in der Normandie steht noch so einiges an originalem Kriegsgerät rum und Kids aller Herren Länder posieren davor. Aber deiner hat die Phase ja nun erst einmal durchgestanden und rüstet ab.

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s