Wer regelmäßig meinen Blog liest, wird bemerkt haben, dass sich hier „nach außen gewandte“ Artikel zu gesellschaftlichen Themen und „nach innen gewandte“ Beiträge der Betrachtung und (Selbst-) Reflexion abwechseln. Ich folge damit dem, was ich den „Zyklus des Lebens“ nennen möchte.
Zyklus des Lebens? Vielleicht zeigt sich ein Fragezeichen in deinem Gesicht oder du spürst sogar Skepsis angesichts dieses scheinbar „esoterischen“ Themas.
Blindes Vertrauen in alles Rationale
Leider haben wir in westlich geprägten Gesellschaften, in denen die Maximen der Aufklärung seit dem 18. Jahrhundert unser Denken prägen, oft ein geradezu blindes Vertrauen in alles Rationale, Zertifizierte, mit dem Verstand Einordenbare. „Wage, dich deines Verstandes zu bedienen“: was ursprünglich einer von Kirche und Absolutismus geprägten Gesellschaft entgegengeschleudert wurde als innerer Befreiungsschlag gegen den dogmatischen Glauben an Gott oder einen absolutistischen Herrscher – genau dieser Schritt in die Freiheit ist in der heutigen Gesellschaft zu einem eigenen Dogma geworden: wir glauben, was ratifiziert und gemessen wurde und (scheinbar) einer kausalen Logik unterliegt. Aber nicht mehr, was einfach IST.
Dabei müssten wir nur aus der Tür gehen, um die tiefe Wahrheit des SEINS wahrzunehmen: jetzt im Herbst verfärben sich die Blätter an den Bäumen, es wird allmählich kühler, das Leben beginnt sich in sich selbst zu verschließen – um nach dem Winter, der Zeit der Ruhe und Regeneration, im Frühling mit neuer Kraft hervorzubrechen. Der Zyklus des Lebens ist ein Kreislauf aus Werden, Vergehen und Neu-Entstehen und unterliegt keiner kausalen Logik des Wenn-Dann. Es wird Herbst, nachdem es Sommer war, aber nicht, weil es Sommer war. Wir können diesen Kreislauf weder beschleunigen noch verhindern.
Der Zyklus der Natur
Auch der Tageszyklus (der äußere von Tag und Nacht, wie auch unser innerer von Wachheit, Müdigkeit und Ruhe) entzieht sich letztlich unserem Einfluss. Statt ihn zu ignorieren, könnten wir ihn zum Rhythmus machen, der uns durch unser Leben leitet.
Ich schreibe diese Sätze bewusst im Konjunktiv, denn wie oft stehen wir tatsächlich auf, wenn wir uns ausgeruht und wach fühlen und wann lassen wir uns von der Müdigkeit zum Schlaf geleiten? Der Wecker am Morgen, Kunstlicht am Abend und starre Zeitpläne sowie vermeintliche und reale Verpflichtungen bis in den Abend hinein führen uns oft weit weg vom eigentlichen Rhythmus des Tages und auch von der inneren Balance aus Aktivität und Anspannung, Entspannung und Ruhe.
Orientierung an Leistung und Effizienz
In einer an Leistung und Effizienz orientierten Gesellschaft ist auch der Beruf, den wir ausüben, oft weit vom natürlichen Zyklus des Lebens entfernt. Wer fragt danach, ob wir Ruhe bräuchten, wenn Öffnungszeiten, Schicht- und Stundenpläne oder wirtschaftliche Vorgaben eingehalten werden sollen? Die Auszeit schrumpft zur Mittags- oder Raucherpause zusammen und statt Entspannung finden wir lediglich eine Unterbrechung der Arbeitszeit. Im Zweifelsfall halten wir echte Ruhe gar nicht mehr aus, da sie uns ein Gefühl der Leere und Entfremdung spüren lässt, das wir, eingespannt im Hamsterrad des Lebens, meist zu verdrängen versuchen. Ich selbst bemühe mich, aus Gründen der Selbstfürsorge und um langfristig den Anforderungen meines angefüllten Lebens gerecht werden zu können, mir auch im Alltag immer wieder Auszeiten zu gönnen, innezuhalten und mich mit mir und meinem inneren Rhythmus zu verbinden.
Die Weisheit unseres Körpers
Seit der Geburt meines Sohnes vor vier Jahren nehme ich auch immer deutlicher die Bedürfnisse meines Körpers wahr sowie seine kraftvolle Wahrheit. So folgt der weibliche Zyklus zum Beispiel, ähnlich dem Jahreszyklus der Natur, Phasen des Aufbaus, der Fruchtbarkeit und Empfänglichkeit, der Reife und schließlich des Abbaus und Ausstoßens des Nährbodens, in dem sich im Fall einer Empfängnis die befruchtete Eizelle hätte einnisten können.
Die Phase des weiblichen Zyklus, in dem sich der Körper auf die Monatsblutung einstellt, der „Herbst“ im Jahreszyklus der Natur, geht für viele Frauen mit verwirrenden und auch bedrückenden Gefühlen einher. Sie fühlen sich weniger belastbar, empfänglicher für innere und äußere Stimmungen, manchmal von diffusen Ängsten oder auch aggressiven Gedanken erfüllt. Es ist, als ob sich emotional sammelt und staut, was sich auf der körperlichen Ebene mit der Monatsblutung lösen kann. Nicht umsonst verschwinden diese Symptome, die die westliche Medizin als PMS, „Prämenstruelles Syndrom“, bezeichnet, meist mit dem ersten oder zweiten Tag der Periode und geben neuer Leichtigkeit Raum.
Störung oder Anstoß zur Veränderung?
Was aber wäre, wenn wir genau diese Phase des Wandels auch als solche erkennen würden? Wenn wir, statt uns über eine verstärkte Empfindsamkeit und das Bedürfnis nach Rückzug zu ärgern, beides als Qualität erkennen könnten? Ein Raum der Einkehr, der Betrachtung und Erkenntnis möglich macht?
Meiner Meinung nach sind viele der seelischen und körperlichen Störungen, die Menschen in westlichen Gesellschaften plagen (Stress, depressive Verstimmungen, „Burnout“ und bei Frauen eben das Prämenstruelle Syndrom) Symptome eines Lebens, das nicht dem eigenen Rhythmus folgt. Wir arbeiten über unsere Kräfte hinaus, verweigern uns ausreichend Schlaf und Momente der Ruhe und Kontemplation. Wir lenken uns ab, statt einfach zu SEIN – und wundern uns, wenn schließlich der äußere Takt unser Leben bestimmt und wir das Gefühl für unseren ganz eigenen Rhythmus verloren haben.
Wie aber zurückkehren zu den wirklichen, großen und kleinen, Zyklen des Lebens? Mich interessiert: Was tut ihr, um wieder bei euch anzukommen? Um euren eigenen Rhythmus zu finden, während ihr dem Takt, den das Leben euch vorgibt, folgt?
Ich freue mich auf eure Antworten!
Herzliche Grüße, Sarah
[Foto: Pixabay]