Karlheinz isst gern Döner beim Türken, aber Pegida findet er auch ganz gut. Sein Bauch ist von Bier und Pizza schon ganz rund und die letzte Rate ALGII wurde pünktlich überwiesen – das hindert ihn jedoch nicht daran, auf die „Wohlstandsschmarotzer“ zu schimpfen, die sein Land allmählich „überfremden“. Sein kleiner Bruder (Lippenbart und Seitenscheitel) wird noch deutlicher: „DU ARSCHLOCH DRECKSMOSLEM, ich zeig dich an wg. Sozialbetrug!!!“
Letzteres Originalzitat aus einer an ihn gerichteten Mail hat Hasnain Kazim, Journalist und Autor, neben anderen „Schätzen“ rassistischer Polemik in seinem klugen Werk „Post von Karlheinz. Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte“ versammelt.
Als Sohn indisch-pakistanischer Einwanderer in Oldenburg geboren, bezog Kazim schon als 17-jähriger Gastautor einer überregionalen Zeitung Position gegen Fremdenfeindlichkeit und politische Stimmungsmache – und kassierte dafür seine ersten hasserfüllten Leserbriefe. Damals schüchterten ihn die Zuschriften nach eigener Aussage ein. Sein Buch mag also auch als eine Art Emanzipation verstanden werden von der Rolle des beschimpften „Anderen“. Kazim ist kein Opfer und er stellt sich auch nicht als (stumme) Projektionsfläche zu Verfügung. Statt dessen seziert und hinterfragt er – im Ton (fast) immer höflich und zugewandt -, was ihm die (oft anonymen) Schreiber „entgegenkotzen“. Sein erklärtes Ziel ist dabei nicht nur, sichtbar zu machen, dass dieser Hass existiert und wie „gesellschaftsfähig“ er teilweise bereits geworden ist. Darüber hinaus scheint ihm ein Anliegen zu sein, all die Derb- und Dummheiten, die hinausgegrölten Vorurteile ebenso wie die nur halblaut geäußerten Resentiments nicht unkommentiert zu lassen. Denn – so ein Zitat des jüdischen Autors und KZ-Überlebenden Elie Wiesel, das Kazim seinem Buch voranstellt: „Man muss immer Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“
Ein sehr lesenswertes Buch, mit großer Klugheit und manch (unfreiwilliger) Komik.
Leseprobe:
Peter S. schreibt am 1. Februar 2016 um 7.09 Uhr:
Leute wie dich sollte man in Deutschland vergasen!!!!!!! Geh zurück zu deinen Kamelfickern! Muselpack hat bei uns nichts verloren, Islam gehört NICHT zu Deutschland! Hierzulande gehört es vernichtet und ausgerottet!
Meine Antwort um 08.30 Uhr:
Hallo Herr S.,
danke für Ihre Zuschrift und für Ihr Interesse an meiner Person. Ist das eigentlich die bei Ihnen übliche Art, Kritik zu äußern?
Mit freundlichen Grüßen, Hasnain Kazim
Er schreibt um 17 Uhr:
Sorry, ich wusste nicht, dass die Mails jemand liest. War nicht so gemeint, hatte keinen klaren Kopf, als ich das geschrieben habe. Wirklich sorry!
Wow. Da ist wohl jemand etwas bipolar unterwegs. Oder aus versehen den falschen Textbaustein kommentiert. Wünsche Frieden und ein langes Leben.
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Hey Tilman, danke fürs Mitlesen, aber dein heutiger Kommentar bleibt etwas rätselhaft für mich: was meinst du mit „falscher Textbaustein kommentiert“? ‚Karlheinz‘ ist einer der Leserbriefschreiber aus dem Buch, das ich hier rezensiere – wurde das nicht klar? Lg, Sunnybee
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