
Alleinerziehend zu sein, bedeutet auch, dass deine Kinder und du eine ganz besondere Gemeinschaft bilden. In guten wie in schlechten Zeiten. Die Kunst dabei: Die Balance zu finden, wann du deine Kinder loslassen kannst, wann sie gemeinsam mit dir an Herausforderungen wachsen und wann du sie überfordern würdest.
„Ich will – und kann – gerade nicht mehr!“ Das war der Gedanke, der mir an diesem Tag gegen 15.30 Uhr durch den Kopf schoss. Nachdem um halb elf die Kita angerufen hatte, ich solle, mitten in meinem Arbeitsvormittag, meinen jüngeren Sohn abholen, er habe vier seltsame Pickel im Gesicht (sie stellten sich als Mückenstiche heraus, abholen sollte ich ihn trotzdem…). Nachdem mein größerer Sohn einen empörten Weinkrampf bekommen hatte, denn er wollte zur Halloween-Feier seines Freundes, organisatorisch schien das erst nicht möglich, nach mehreren Telefonaten klappte es doch. Nachdem ich in der Nacht davor nur fünf Stunden geschlafen hatte, weil mir ein anstehender Zahnarzttermin meines Jüngsten Sorgen machte. Nachdem ich schon seit Tagen einen leichten Infekt in mir spürte.
Was jetzt tun? Es brach einfach aus mir heraus: „Ich mag heute nicht mehr! Ich möchte mich einfach nur ins Bett legen und ausruhen!“
Meine Kinder starrten mich einen Moment lang an. War ich jetzt eine schlechte Mutter?
Auf die Schnelle jemanden finden, zu dem sie beide gegen konnten? In diesem Moment unmöglich. Einfach weitermachen? Ich brauchte eine Pause. Sie aber strotzten vor Energie. Also musste es so gehen.
„Könnt ihr eine Stunde lang gemeinsam zum Spielplatz gehen und ich ruhe mich in der Zeit aus?“, schob ich hinterher. „Danach wird es mir wieder besser gehen!“ Der Spielplatz ist bei uns im Quartier, zehn Minuten Fußweg entfernt. Die Strecke kennen beide, ich kann mich, das weiß ich, auf sie verlassen. Aber dennoch: Einen Neunjährigen und einen gerade Vierjährigen gemeinsam losziehen lassen, um kurz Zeit für mich zu haben?
Spannenderweise schienen die zwei das Ganze eine richtig gute Idee zu finden. Der Große war sichtlich stolz, dass ich ihm die Verantwortung übertrug, der Kleine entschlossen, mit seinem Bruder – sein Held – ein gutes Team zu bilden.
Tja, und so waren sie tatsächlich schließlich eine Stunde lang gemeinsam unterwegs, mit Uhr am Handgelenk, so dass klar war, wann sie wieder heimkommen sollten. Mit fester Absprache, wohin sie gehen würden und der Spielplatz, wie gesagt, nicht weit entfernt. Trotzdem wagemutig?
Vielleicht einfach eine Notwendigkeit, wenn der Alltag gerade wieder einmal alle (Unterstützungs-) Netze zerschießt und die Energie allein für zwei Kids für den Moment nicht reicht.
Für meine Kinder sehe ich das als Chance, dass sie erleben, dass auch Erwachsene nicht immer alles im Griff haben (müssen). Dass wir dennoch gemeinsam Lösungen finden. Dass sie viel bewirken können, wenn sie – und wir – zusammenhalten. Dass ich ihnen vertraue und ihnen viel zutraue.
Und klar – eine kleine Stimme in mir sagt: Was, wenn du sie in Gefahr bringst? Du bist doch egoistisch. Das darfst du (als Mutter) nicht.
Wirklich nicht? Wenn meine Kinder es sich zutrauen? Wenn auch ich es ihnen zutraue? Wenn ich als ihre Mutter einfach einen Moment Erholungszeit brauche, sie aber Bewegung an der frischen Luft?
Alleinerziehend zu sein bedeutet, in vielen Alltagssituationen auf sich gestellt und damit besonders herausgefordert zu sein. Das fordert auch meine Kinder heraus. Aber es bietet zugleich die Chance für uns alle, zu wachsen und als Familie zusammenzuhalten, auch wenn das für den Moment bedeutet, sich gegenseitig loszulassen.
Habt ihr – als Mutter oder Vater – eine ähnliche Situation auch schon erlebt? Wie geht ihr damit um, wenn ihr merkt: Genau jetzt ist eine Auszeit nötig, aber keine Unterstützung in Sicht? Welche Lösungen finden ihr? Ich freue mich auf eure Kommentare!
Herzlichen Gruß, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.
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[Foto: privat]
