Familie, Gesellschaft

Tiefkühlfisch, Politik und gleiche Chancen: Meine Gedanken zum Muttertag 2023

Mittagessen (Fisch, Spinat und Kartoffelpüree) auf Holztisch.

Letztes Wochenende lud ich mich selbst zum Essen ein. Meine zwei Söhne gut betreut von ihrem Papa. Schön, oder? Sich als Mama Gutes zu tun, ist eine tolle Sache. Und zugleich ein ziemliches Privileg. Es bedeutet: ich habe jemanden, der meine Kinder in diesem Moment betreut. Ich habe genügend Geld für das Essen vor mir. Ich habe die Fähigkeit, meine Bedürfnisse wahrzunehmen und mir selbst Gutes zu tun. Ich habe Strom, Licht und ein Dach über dem Kopf. All das ist für uns Mütter in Deutschland selbstverständlich. Oder doch nicht?

Wenn Fisch am Ende des Monats Luxus ist

Ich kenne persönlich Mütter, bei denen am Ende des Monats finanziell vielleicht noch Kartoffeln und Spinat, aber kein Tiefkühlfisch für sie und ihre Kinder mehr drin ist. Und ja, auch bei mir gab es letzte Woche „nur“ Tiefkühl-Fischfilet, nett angerichtet… Ich kenne Mütter, deren Kinder nicht mal eben so von anderen betreut werden können, weil sie körperlich oder seelisch mehr oder weniger schwer beeinträchtigt sind. Ich kenne Mütter, die sich zwischen Erwerbsarbeit, Fürsorge für ihre Kinder und tausend Aufgaben im Alltag fast verloren haben und gar nicht auf die Idee kämen, sich selbst – erst recht allein – zum Essen einzuladen. 

Und auch ich kenne Momente, in denen mir als Mutter alles zu viel wird.

Als Mütter haben wir dann ein Problem. Aber es ist in den seltensten Fällen (allein) unser Muttersein. Und es sind erst recht nicht unsere Kinder. Was uns als Mütter belastet, ist eine Mischung aus Gesellschaftskultur und gesellschaftlicher Struktur. Die Sprüche und Gedanken, wie eine „gute Mutter“ zu sein habe, was sie tun und lassen solle (ja, hierzu gehört auch der Anspruch einer „Mutterliebe“, die sich vor allem an den Bedürfnissen anderer orientiert). Dazu die Erwartung, alles zu verbinden – Beruf, Familie und Pflege von Partnerschaft und Freundeskreis. Aber auch strukturell eine Gesellschaft, die Mütter einerseits überhöht und als Konsumentinnen feiert, sie zugleich aber an den Rand des sozialen Lebens drängt. Das beginnt bei der medizinischen Geburtshilfe, die Mutterwerden als Risiko sieht, statt Mütter in ihrer Kraft und Kompetenz unter der Geburt zu bestärken. Geht weiter bei Städten, die für Autos und nicht für Menschen mit Kindern gebaut sind. Dazu kommt eine Arbeitswelt, die Mütter – und übrigens auch Väter – feiert. Aber nur, so lange sie verfügbar sind wie Menschen ohne Kind. Schließlich ein Steuer- und Rentensystem, das auf Eltern und ihren Nachwuchs setzt – aber Familien jenseits der klassischen „Versorgerehe“ – Alleinerziehende, unverheiratete Eltern, Paare, in denen beide gleich viel verdienen – schamlos benachteiligt und als systemunbedeutend brandmarkt. 

Mütter am Rand der Gesellschaft?

Das alles hat konkrete Konsequenzen für uns Mütter – das sage ich parallel zu aller Freude und Dankbarkeit, mit der mich persönlich das Muttersein oft erfüllt: Wir haben statistisch belegt schlechtere berufliche Chancen, ein durchschnittlich geringeres Einkommen, weniger Chancen auf politische und soziale Teilhabe (so viele Entscheidungen in Hochschulen, Gremien oder in der Politik werden getroffen, während wir gerade unsere Kinder versorgen). Wir erledigen täglich die für unsere Gesellschaft im Ganzen so enorm wichtige Sorgearbeit, ohne dafür bezahlt, entlastet oder – je nach Blickwinkel – entschädigt zu werden. Statt dessen sind wir als Mütter – auch das statistisch belegt – durchschnittlich weniger gesund, weniger wohlhabend und im Alter rund ein Drittel ärmer (und damit abhängiger vom Wohlwollen anderer) als Väter oder Menschen ganz ohne Kinder. 

Was ihr als Mütter – und Menschen, denen Mütter am Herzen liegen – konkret tun und an wen ihr euch wenden könnt? Ihr findet es ab 01.09.2023 in unserem Buch „Mütter. Macht. Politik. – Ein Aufruf!“. Vorbestellung ab sofort HIER möglich.

Es geht auch anders! Die Frage ist: Wie?

Das klingt frustrierend? Muss es nicht, wenn wir uns bewusst machen, wie viel wir trotz all dem täglich leisten als Mütter. Wenn wir merken: wir schaffen so viel, trotz echter struktureller Benachteiligung – die noch dazu häufig kaum gesehen, geschweige denn thematisiert wird. Und: In unserem Wunsch und Willen, als Mütter mit unseren Kindern ein gutes, selbstbestimmtes und wirklich gleichberechtigtes Leben zu führen, sind wir nicht allein. Wir haben bereits heute Mitstreiter:innen und Fürsprecher:innen an unserer Seite in Verbänden, politischen Gremien und privaten Initiativen. Über all das habe ich in den letzten zwei Jahren ein Buch geschrieben („Mütter. Macht. Politik. – Ein Aufruf!“). Und ich nehme es gerade jetzt wieder besonders deutlich wahr. In der kostbaren Zeit für mich allein, bei Fischfilet und Kartoffelpüree.

Muttersein ist wunderbar. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen Mütter hierzulande leben, müssen – trotz vieler im internationalen Vergleich wahrnehmbarer Errungenschaften – noch viel mütterfreundlicher werden. Über eine Arbeitswelt, die familiäre Aufgaben ganz selbstverständlich als Qualifikation erkennt und in Arbeitsabläufe integriert. Über eine längst überfällige Reform von Unterhalts-, Steuer- und Familienrecht (eine Petition zur Anhebung des Elterngeldes nach 16 (!) Jahren, in denen der Betrag unverändert blieb, hat es gerade in den Bundestag geschafft). Indem wir überdenken, wie wir über Mütter und ihre Lebensentscheidungen reden und welchen Stellenwert wir familiärer Fürsorgearbeit geben. Indem wir uns solidarisch mit (anderen) Müttern zeigen und konkret Gesetzesänderungen und einen Wandel wirtschaftlicher Prioritäten fordern.

Mein Fazit: Wir sind weiter als auch schon, aber es gibt noch genug zu tun. Fangen wir an – es ist zum Wohl aller Menschen, die in unserer Gesellschaft leben! Was Müttern hilft, tut allen gut. Es ist Zeit, das wir das auch als Gesellschaft im Ganzen erkennen.

Herzlich, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

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[Foto: privat]

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