alleinerziehend, Beruf, Familie

Dinner for two

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Montag, 18.30 Uhr. Ich sitze mit meinem kleinen Sohn am Abendbrottisch. Er ist nach einem langen Kita-Tag müde, ich nach meinem Arbeitstag. Trotzdem ist es schön, so gemeinsam mit ihm am Tisch zu sitzen. „Magst du noch Nudeln?“ „Ja, da draußen fliegt ein Vogel. Ja, Flugzeuge fliegen auch und Ufos auch. Und nein -“ In diesem Moment stößt er leider beim Zeigen des „Ufos“ seinen Becher um und 200ml klebrige Apfelschorle ergießen sich auf Tisch, Kinderhose und Küchenboden.

An guten Tagen verdrehe ich jetzt die Augen und er hilft mir, die klebrige Sauerei aufzuwischen. Ich helfe ihm dafür dabei, eine neue Hose anzuziehen, und dann essen wir weiter. An schlechten Tagen schreie ich und er beginnt zu weinen, vor Schreck und vor Müdigkeit, und ein bisschen, weil der ganze Tag ihm in den Knochen steckt: die zehn Mal davor, wo er in der Kita schon „brav“ sein sollte, wo er ruhig sitzen, den Bagger teilen, beim Mittagessen nicht zappeln sollte. Und als er sich dann die Hose nicht ausziehen lassen will und nach mir schlägt („Papa, Papa komm! Mama weg!“…), merke ich, wie die Gereiztheit in mir aufsteigt… Denn auch ich habe genug nach einem Tag mit sechs Stunden Unterricht, einer Konferenz im Anschluss und dem Einkaufen auf dem Weg nach Hause.

Miss Sophie und ihr Butler

In solchen Momenten kommt mir unser Alltag zu zweit manchmal vor wie der Silvestersketch „Dinner vor One“: stoisch versucht ‚Miss Sophie’, die Form zu wahren, während ihr alter Butler, zunehmend betrunken, da er die Toasts aller (verstorbenen) Freunde übernimmt, über den immer selben Teppich (bzw. das immer selbe Tigerfell;-)) stolpert…

Ja, mein Leben als Alleinerziehende, berufstätig, mit einem kleinen Kind, dessen Vater ich, ein gutes Jahr nach der Trennung, durch das von uns gelebte Wechselmodell noch immer mehrmals in der Woche sehe, erscheint mir manchmal genauso: ein bisschen tragisch, ein bisschen komisch und mit einigen Hürden, über die ich – auch ohne Toasts – durchaus stolpere.

Vereinbarkeit?

„Vereinbarkeit“ von Beruf und (Klein-) Kind, Vereinbarkeit der Trennung als Paar und des gemeinsamen „Elternseins“, Vereinbarkeit meines Alltags als Alleinerziehende und meiner hohen Reizempfänglichkeit und Sensibilität – manchmal ist das (gefühlt) gar nicht „vereinbar“. Dann steigt die Wut – und die Trauer – in mir hoch und ich schicke zehn sarkastische SMS oder heule, allein auf dem Sofa, mein Handy an…

Zum Glück immer öfter gehe ich aber nach draußen: zum Alleinerziehenden-Frühstück und „Time-Out“-Tag für Mütter ohne Partner; ich schreibe in der Alleinerziehenden-WhatsApp-Gruppe, in der tolle Frauen, die ich zum Teil bereits persönlich kenne,  alles von der Frage nach dem richtigen Freizeitprogramm fürs Wochenende bis zur Suche eines Steuerberaters teilen; einmal in der Woche gehe ich abends tanzen, bis meine Muskeln locker sind und der Kopf ganz frei. Oder ich treffe mich – nach gefühlt zwei Monaten – wieder mal mit meiner Freundin zum Frühstück, während mein Sohn beim Papa ist. Oder ich schreibe eben diesen Blog.

Keine reine Privatsache

Denn mein Leben, so empfinde ich das inzwischen, ist keine reine „Privatsache“ (=> mein allererster Blogeintrag). Die Schwierigkeiten, denen selbst ich als „privilegierte“ Alleinerziehende mit aktivem Vater und einem Beruf, der mich und mein Kind gut ernährt, begegne, sind nicht „privat“, letztlich ebenso wenig wie das Gefühl von Einsamkeit und die aufsteigende Panik, wenn ich merke: nach einer Woche, in der mein Kind krank war, drohe auch ich krank zu werden. Wirklich „privat“ sind auch nicht die Streitigkeiten zwischen meinem Expartner und mir wegen Drucks, den sein Arbeitgeber macht („Soll deine Ex doch das Kind abholen. Wie sollen wir hier mit der Arbeit fertig werden, wenn du den Hausmann für sie spielst?“). Und auch nicht der Druck, den ich mir selbst mache („Bin ich (noch) eine gute Mutter?“ „Bin ich in meinem Beruf genügend engagiert?“) –

Meiner Meinung nach sind diese Schwierigkeiten (auch) gesellschaftlich bedingt. Durch das immer wieder offiziell transportierte Bild der „glücklichen Familie“ (Zwei Eltern, frisch geföhnt und heiter, zwei Kinder, lachend und gesund, er arbeitet Vollzeit, sie Teilzeit) sowie durch (noch) zu wenig Vernetzung unter Alleinerziehenden und überhaupt unter Müttern: hier kommen die Kontakte doch häufig nicht über die doch recht monothematischen (;-)) Spielplatztreffs hinaus.

Zumindest in der Großstadt besteht meiner Meinung nach auch noch viel zu wenig Kontakt zu realen Nachbarinnen und Nachbarn – denn ich finde, es tut, gerade, wenn man (momentan) ohne Partner ist, GUT zu wissen, wer über einem gerade seinen Teppich saugt und im Zweifelsfall tatsächlich mal wegen Eiern, die man zu kaufen vergessen hat, fragen zu können.

Leben im „Speisesaal“

„Vernetzung“ ist ein großes, auch abstraktes, Wort. Eigentlich geht es mir um die kleinen, eher unspektakulären, BEGEGNUNGEN. Ein nettes Wort hier, ein Vorschlag, sich zu treffen dort – die Erfahrung: Das „Dinner for two“ findet im „Speisesaal“ statt. Mit und neben uns ganz viele andere Genießer an Zweier-, Dreier- oder Vierertischen, viele auch alleine für’s Menü zuständig, und trotzdem essen wir gemeinsam!;-)

Auch zu zweit sind wir nicht allein: (auch) darüber will ich in diesem Blog schreiben.

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