Gesellschaft, Politik

2021: KW 35 | Recht und Gesetz |

Grafik eines Hammer für die Bekräftigung eines Urteils vor Gericht. Im Hintergrund eine Waage und Paragraphenzeichen.

Als Germanistin und Liebhaberin der deutschen Sprache achte ich aktuell nicht nur auf den Inhalt öffentlicher Statements, sondern auch auf deren Formulierung. Ein Fundstück der besonderem Art begegnete mir zuletzt im Archiv des Deutschen Bundestages. Bereits Ende Januar 2021 veröffentlichen die Wissenschaftlichen Dienste für Abgeordnete des Bundestages ein Dossier mit „Fragen zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Ungleichbehandlungen von geimpften gegenüber ungeimpften Personen“. Zimperlich geht es darin nicht zu: Gesunde werden zu „Nichtstörern“ erklärt, Menschen mit positivem Test zu „Krankheitsverdächtigen“, „Ansteckungsverdächtigen“ oder „Ausscheidern“, deren „Beobachtung, Absonderung und Tätigkeitsverbot“ zu regeln sei.

Hier ein Auszug aus der Publikation:

„Zulässigkeit von Einschränkungen gegenüber Geimpften: § 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ermächtigt die Landesregierungen, Rechtsverordnungen zum Schutz der Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten zu erlassen. Gemäß § 28 Abs. 1 S. 1, § 28a IfSG darf die zuständige Behörde darüber hinaus notwendige Schutzmaßnahmen treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Adressat der Schutzmaßnahmen sind vorrangig Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider i.S.v. § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG. Gleichwohl können Schutzmaßnahmen auch gegenüber sog. Nichtstörern ergriffen werden, d.h. solchen Personen, von denen keine Gefahr ausgeht, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten. § 29 bis § 31 IfSG regeln die Beobachtung, die Absonderung und das berufliche Tätigkeitsverbot; diese Maßnahmen können allerdings nicht gegenüber sog. Nichtstörern angeordnet werden. Wie alle staatlichen Grundrechtseingriffe bedürfen auch die zum Infektionsschutz ergriffenen Maßnahmen stets einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Insbesondere muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Die Frage nach „Sonderrechten“ oder „Privilegierungen“ für geimpfte Personen ist daher untrennbar mit der Frage verknüpft, inwieweit die Aufrechterhaltung grundrechtseinschränkender Maßnahmen zum Infektionsschutz gegenüber geimpften Personen überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Letztere Frage wiederum ist insbesondere davon abhängig, ob von geimpften Personen weiterhin eine Gefahr ausgeht, den Krankheitserreger weitergeben zu können.“

„Solidarität“, die ausgrenzt und Menschen unter Druck setzt

Ich beschäftige mich seit Beginn der Pandemie intensiv mit den sozialen Folgen, die deren Bekämpfung in Deutschland hat. Ich schreibe auch seit Beginn der Pandemie immer wieder darüber. Immer vor dem Hintergrund, dass ich mir für meine Kinder und mich eine Gesellschaft wünsche und bewahren möchte, in der nicht der (Lobby-) Stärkste die meisten Rechte erhält, sondern in der das Miteinander – zumindest zu großen Teilen – auf der Akzeptanz unterschiedlicher Standpunkte, gegenseitiger Wertschätzung und Mitgefühl beruht. 

Wenn jedoch, wie seit Beginn der Pandemie geschehen, genau diese Solidarität beschworen und die sozialen Folgen des „Pandemiemanagements“ zwar öffentlich wiederholt benannt, aber offenbar kaum in die weiteren Entscheidungen mit einbezogen werden, macht mich das sehr skeptisch. Ebenso, wie wenn Impf-Skeptiker/innen oder Kritiker/innen der Maßnahmen persönlich angegriffen werden. 
Trotz wiederholter Forderungen von Medizinstatistiker/innen, Epidemiolog/innen und weiteren Fachleuten, endlich für fundierte wissenschaftliche Legitimation der gegen Covid-19 ergriffenen Maßnahmen zu sorgen, wurde deren Wirksamkeit bis heute nicht valide bestätigtZu diesem Ergebnis kommt Ende Juni 2021 sogar das Robert-Koch-Institut. Statt dessen werden auch 1 1/2 Jahre nach Pandemiebeginn immer wieder ad hoc Entscheidungen getroffen, die den davon Betroffenen kaum wirkliche Beteiligung am Entscheidungsprozess ermöglichen, sondern lediglich nachträglichen Protest oder das Hinnehmen der neuerlichen Beschlüsse.

Was wir dringend fragen müssen – und worauf ich endlich Antworten möchte!

Welchen gesellschaftlichen Werten folgt das alles? Welche Prioritäten werden hier gesetzt? Was bedeutet das tatsächlich für die Gesellschaft, in der meine Kinder und ich in fünf oder zehn Jahren leben werden? Hier noch einmal, was wir – Stand Ende August 2021 – (nicht) wissen, aber endlich wissen müssen: 

  • Noch immer ist unklar, in welchem Umfang von geimpften Personen weiterhin eine Gefahr ausgeht, den Krankheitserreger weiterzugeben. Dennoch sind sie aktuell von gesellschaftlichen Restriktionen wie dem Zugangsverbot zu öffentlichen Räumen, von regelmäßigen Testungen oder der Quarantäne nach Einreise aus einem Risikogebiet ausgenommen. Diese gelten seit Mitte August 2021 lediglich für ungeimpfte Erwachsene. Mit welcher Legitimation geschieht dies und welche Folgen hat es für das Infektionsgeschehen?
  • Noch immer fehlt die umfassende und valide Evaluation der bisher eingesetzten Schutzmaßnahmen. Nach 1 1/2 Jahren Pandemie ist weiterhin schlicht unbekannt, ob nicht auch „milde“ Maßnahmen wie konsequent durchgeführte Hygiene, die (Selbst-) Isolierung von Menschen mit offensichtlichen Krankheitssymptomen oder auch eine gute Durchlüftung öffentlicher Räume die Verbreitung von COVID-19 ähnlich wirkungsvoll unterbinden würden, wie dauernde kostspielige Testungen, das Tragen von Mund-Nasenbedeckungen in Schulen oder aktuell die Impfung.
  • Noch immer ist unklar, welchen Einfluss saisonale Faktoren auf das Pandemiegeschehen haben, also der Umstand, dass in Herbst und Winter viel mehr Menschen in geschlossenen Räumen aufeinandertreffen, wobei grippale Infekte und sonstige durch Tröpfcheninfektion übertragbare Krankheiten auch vor Covid-19 jeden Herbst und Winter gehäuft auftraten.
  • Noch immer fehlt völlig der öffentliche Fokus auf Präventionsansätze, die das Immunsystem auch ohne medizinischen Eingriffe stärken, wie zum Beispiel Bewegung an der frischen Luft, gesunde Ernährung, Stressreduktion oder ein gesundes Maß sozialer Kontakte. Statt dessen werden genau diese Faktoren seit Monaten vernachlässigt oder sogar – wie bei der präventiven Quarantäne für positiv getestete Personen – bewusst eingeschränkt.
  • Noch immer fehlt auch die breite Aufklärung über wirkungsvolle Therapieansätze und Medikamente gegen COVID-19, die den Krankheitsverlauf mildern und damit ebenfalls Menschen schützen, ein Gefühl von Zuversicht vermitteln und das Gesundheitssystem entlasten würden.

Vielleicht ist aber ein solch ganzheitlicher, lösungsorientierter Blick auf die Pandemie und ihre Bekämpfung schlicht nicht möglich (oder erwünscht?), wenn der Schutz des Lebens darin gesehen wird, „Störer“ zu isolieren sowie Menschen auf ihr Infektions- und Gefährdungspotential zu reduzieren. Und wenn durch angstfördernde und ausgrenzende Maßnahmen letztlich dem Leben selbst ein Riegel vorgeschoben wird.

Mit besten Grüßen, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familienthemen und Mutter eines Babys sowie eines Kindergartenkindes.

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[Fotos: Pixabay]

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