Getrennt mit Kind über (gelingende) Beziehungen schreiben? – Warum nicht? 😉 Wann sprechen wir überhaupt von einer „starken“, tragfähigen Beziehung?
Eine Beziehung ist stark
- wenn sie in guten wie schlechten Zeiten Bestand hat,
- wenn sie Veränderungen aushält (sei es der Lebensumstände oder der Partner selbst),
- wenn sie den Beteiligten Raum gibt, zu wachsen und sich (weiter) zu entwickeln und zugleich der Raum ist, in dem alle Beteiligten sein können, wie sie sind.
Eine solche Beziehung kann zwischen Eltern und Kindern bestehen, zwischen Partnern oder sehr engen Freunden. In einer solchen Beziehung sage ich sinnbildlich zwei Dinge:
1) Ich vertraue dir, dass du mich (er-) tragen kannst.
2) Und ich lasse zu, dass du es auf deine Weise tust.
Vertrauen in mich und in andere
Besonders in einer Partnerschaft resultieren Eifersucht, Angst vor Erwartungen oder Verlustangst doch letztlich oft aus einer Sache: fehlendem Vertrauen. Das Vertrauen in meine eigene Stärke und in die Fähigkeit, für mich einzustehen – aber auch in die Vertrauenswürdigkeit des anderen: wird er oder sie mich tatsächlich (er-) tragen in guten wie in schlechten Zeiten? Meine Macken aushalten und mir beistehen über die ersten Hürden unserer Partnerschaft hinaus? Ist mein Gegenüber auch vertrauenswürdig in dem Sinn, dass er oder sie gut für sich sorgt und mir nicht die Verantwortung für das eigene Verhalten aufzubürden versucht?
Ich vertraue dir, dass du mich (er-) tragen kannst. Und ich lasse zu, dass du es auf deine Weise tust.
Schwäche, Bedürftigkeit und Fehlbarkeit (die eigene wie die der anderen) enthalten letztlich ein großes Potential: sie geben mir die Möglichkeit gut für mich selbst zu sorgen. Manchmal erhält eine Beziehung ja gerade dadurch Tragkraft, dass ich fürsorglich zu mir selbst bin und meinem Partner oder meiner Partnerin somit den Raum gebe, nach den eigenen Bedürfnissen zu handeln.
Was ist?
Ich wünsche mir mehr Fürsorge, Nähe oder Austausch mit meinem Partner oder meiner Partnerin?
Was kann die Lösung sein?
Ich bin fürsorglich zu mir selbst und lasse ihn oder sie mir genau soviel Fürsorge, Nähe und Austausch geben, wie für ihn oder sie stimmig ist. Ist das weniger, als ich möchte, suche ich mir Menschen, die mir geben können, was mir fehlt.
Was ist?
Ich möchte, dass meine Partnerin oder mein Partner mehr Initiative zeigt oder eigenständiger ist?
Was kann die Lösung sein?
Ich setze die Dinge um, die mir wichtig sind und erlaube ihr oder ihm, zu tun, was sie oder er möchte und vermag. Ist mir das nicht genug, suche ich mir Menschen, die mit mir umsetzen, was mir auf den Nägeln brennt.
Was ich mir wünsche, gebe ich
Aber was, wenn das Vertrauen innerhalb der Beziehung – oder, z.B. nach einer Trennung, in Beziehungen an sich – erschüttert ist und sich beide Beteiligten schwer damit tun, (wieder) aufeinander zuzugehen?
Ein kraftvoller Gedanke mag dann sein: was ich mir vom anderen wünsche, gebe ich ihm oder ihr zunächst selbst.
Was ist?
Ich wünsche mir, dass meine Partnerin mich annimmt, wie ich bin?
Was kann die Lösung sein?
Ich nehme sie an, wie sie ist.
Was ist?
Ich wünsche mir, dass mein Partner mir vertraut?
Was kann die Lösung sein?
Ich vertraue ihm.
Was ist?
Ich wünsche mir, bei meiner Partnerin schwach, fehlbar, unsicher, unbequem sein zu dürfen?
Was kann die Lösung sein?
Ich erlaube ihr, bei mir schwach, fehlbar, unsicher, unbequem zu sein.
Was ist?
Ich wünsche mir, dass mein Partner seine Angst verliert, nicht zu genügen?
Was kann die Lösung sein?
Ich erlaube mir selbst meine Angst, nicht zu genügen. Will ich meinen Partner perfekt, kann ich das nur schwer verbergen – und zweifle meist selbst daran, gut genug zu sein, so, wie ich eben bin.
Eine starke Beziehung erfordert (innere) Stärke
Eine Beziehung zu führen erfordert die Bereitschaft zu Entwicklung und damit eine wichtige Form innerer Stärke. Andererseits erlaubt mir eine „starke“ Beziehung auch, in ihr schwach zu sein. Ich muss meine Unsicherheit und Fehlbarkeit nicht verstecken, denn mein Gegenüber nimmt mich mit ihr an. Andererseits darf meine Partnerin oder mein Partner selbst „unperfekt“ sein, bzw. Dinge auf eine Weise tun, die ich nicht schätze, weil ich stark genug bin, mich und unsere Beziehung dadurch nicht in Frage gestellt zu fühlen.
Insofern ist eine starke Beziehung auch immer bedingt durch die (innere) Stärke zweier Menschen: Die Stärke, dem anderen zu vertrauen – und ihn (oder sie) sein zu lassen, wie er (oder sie) ist.
Was ist für euch eine starke Beziehung? Stimmt ihr meinen Überlegungen zu oder seid ihr anderer Meinung? Ich freue mich über euren Kommentar!
Herzliche Grüße, Sunnybee
Liebe Sunnybee,
ich stimme Dir absolut zu und Dein Text hat mir ein paar gute Punkte aufgezeigt, an denen mein Partner und ich arbeiten können und müssen, aber auch einige, die mir zeigen, dass meine aktuelle Beziehung definitiv nicht schwach ist. Perfekt ist es wahrscheinlich nie, wenn naturgemäß unperfekte Individuen aufeinandertreffen und es ab und zu eben Reibungen und Inkompatibilitäten gibt, aber das sind alles lösbare Probleme. Die Strategie, sich so zu verhalten, wie mensch es sich vom Gegenüber wünscht, ist genau mein Weg. Ich halte ihn nicht immer perfekt durch und verfalle manchmal in dieses blöde Vergeltungsverhalten „wenn du doof zu mir bist, räche ich mich jetzt, indem ich mich auch unfair und schroff verhalte“, aber zumindest merke ich das jedes Mal, schäme mich in Grund und Boden und es spornt mich noch mehr an, so etwas zu vermeiden und wieder die Dinge vorzuleben, die ich für richtig halte. Wie mensch in den Wald hineinruft, so sollte es ja im Regelfall auch wieder herausschallen. Es ist unglaublich wichtig, sich in jeder Art von Beziehung mit Wertschätzung, Respekt und Geduld zu begegnen. Genau das passiert fast automatisch, wenn sich jede*r Einzelne so verhält, wie sie oder er es sich von der anderen Person wünscht, weil ja jeder Mensch selbst respektvoll, wertschätzend und nachsichtig behandelt werden möchte. Klappt nicht immer, aber meine Hoffnung ist noch sehr lebendig 😉
liebe Grüße
lea
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Liebe Lea, ganz herzlichen Dank für deine offenen und klaren Worte! Mir hat auf diesen Artikel hin eine Freundin einen Poscast geschickt, in dem es sinngemäß darum ging, dass ein tiefes Vertrauen in das Leben das ist, was jede Beziehung, aber auch uns selbst trägt: ich muss keine Angst vor der Zukunft haben, muss mich nicht sorgen und nicht zweifeln, denn letztlich schickt mir das Leben genau das, womit ich umgehen kann. Umso entspannter ich aufgrund eben dieses Vertrauens der Ungewissheit der Zukunft entgegentreten kann, umso mehr kann ich den Moment genießen. Ich möchte das ergänzen: Umso entspannter ich mit der grundsätzlichen Andersartigkeit meines Partners oder meiner Partnerin und damit letztlich mit seiner oder ihrer Unberechenbarkeit umgehen kann, umso mehr kann ich unser Zusammensein im Moment genießen. Herzlichen Gruß und alles Gute euch! Sunnybee
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