alleinerziehend, Familie

Männer sind Schweine. Oder: warum der KV den Umgang vergisst

Wildschwein, das frontal in die Kamera schaut.


Männer beziehen ihr Bett durchschnittlich nur 4x im Jahr neu.

Die Aussage, gut lesbar auf einem der Info-Screens, die in U-Bahn-Stationen inzwischen üblich sind, verblüfft mich. Sie ist als „Unnützes Wissen“ betitelt, die Sorte Information, die man garantiert nicht mehr vergisst, obwohl man sie sich nie merken wollte…

Unwillkürlich schweifen meine Gedanken zu meinem ehemaligen Freund und Vater meines Kindes. Kann es sein, dass auch er nur vier Mal im Jahr?!… Interessiert betrachte ich die Menschen um mich herum. Einige starren ebenfalls den Bildschirm an. Faszinierend: offensichtlich findet jemand zu Recht die Behauptung, Männer hielten die Reinigung ihrer Bettwäsche maximal einmal im Quartal für notwendig, für ausreichend unterhaltsam, um sie in einer U-Bahnstation Hunderten von Leserinnen und Lesern zugänglich zu machen.

Der Subtext der Aussage („Männer sind Schweine“), von den Ärzten vor Jahren treffend besungen, erinnert mich an zahlreiche aufgeschnappte Bemerkungen befreundeter oder auch mir unbekannter Frauen, vorgetragen oft mit einer Art gereizter Nachsicht: „Ich habe ihm eine zweiseitige Einkaufsliste geschrieben und dann hat er die Hälfte vergessen.“ Oder: „Er hat Marie doch glatt Orangensaft zu trinken gegeben, während ich weg war und dann wundert er sich, dass sie am nächsten Morgen wund ist.“ Oder auch: „Wenn ich ihm abends nicht einen Zettel hinlegen würde, würde er den Geburtstag seiner eigenen Mutter vergessen. Ich warte nur auf den Tag, an dem er seinen eigenen vergisst!“

Männer sind Schweine?

Die Frauen, die diese Äußerungen machen, sind selten bösartige Menschen – zumindest erscheinen sie mir nicht so -, und auch mit ihrer Partnerschaft und dem Mann in ihrem Leben, den sie in dieser Weise beschreiben, scheinen sie nicht grundsätzlich unzufrieden zu sein. Warum dann diese Mischung aus Nachsicht und Abschätzigkeit? Der Mann, ein zwar williges, doch tendenziell trotteliges und zuweilen etwas rüpelhaftes Wesen, das mit sanftem Druck (wieder) an die Zivilisation herangeführt werden muss? Eine Zivilisation, die, aus dieser Perspektive, wohl klar durch die Frau verkörpert wird, der es gelungen ist, ihn zu zähmen…

„Männer sind Schweine
Traue ihnen nicht, mein Kind
Sie wollen alle nur das Eine
Weil Männer nun mal so sind.“
(Ärzte)

Ein Ort, an dem man, wenn auch nur virtuell, vor allem Frauen begegnet, sind sogenannte „Mami-Foren“ werdender und frischgebackener Mütter. Der Ton ist hier oft ähnlich wie eben beschrieben: Da hat der KV (= Kindsvater) ständig Lust auf Sex, obwohl der ET (= errechnete Geburtstermin) naht und die Frau alles im Sinn hat, nur nicht den ehelichen Beischlaf („Aber so sind sie halt!…:-) :-)“). Da kümmert sich der EZ (= Erzeuger) schon jetzt nicht um seinen Nachwuchs oder vergisst auch nur, die Wäsche aufzuhängen, was, hormonell bedingt, einen mittleren Wutanfall rechtfertigt… Und so weiter und so fort. Die in den Beiträgen verwendeten Abkürzung mögen der Zeitnot mit Säugling nach der Geburt oder der Bequemlichkeit geschuldet sein – bei mir wecken sie Assoziationen einer Art „geschlossenen Gesellschaft“: Wir Schwangeren/ Mütter/ Frauen wissen, wie der Hase läuft. Wir brauchen die zwar, und lieben sie vielleicht sogar, aber letztlich brauchen die uns nichts zu erzählen, diese – Kerle!…

„Männer sind Säue
Glaube ihnen nicht ein Wort
Sie schwör’n dir ewige Treue
Und dann am nächsten Morgen sind sie fort.“
(Ärzte)

Interessanterweise bewege ich mich in letzter Zeit wieder in Kreisen, in denen fast nur Frauen versammelt sind: Alleinerziehenden-Veranstaltungen scheinen den unsichtbaren Stempel „Women only“ zu besitzen, jedenfalls verirren sich auf zehn bis zwanzig Frauen meist nur ein oder zwei Vertreter des männlichen Geschlechts dorthin… Entsprechend hat der Ton, der herrscht, zuweilen auch etwas Verschwörerisches: je nach Konstellation hatten zwei von drei Anwesenden schon mal mit ausbleibendem Unterhalt des KV (= Kindsvater, ihr erinnert euch?) zu tun, sicher stöhnt immer eine, dass „der Umgang“ schwierig sei und der GT (= Gerichtstermin), der ebendiesen Umgang regeln soll, wird mit Sorge erwartet.

Ich will mich an dieser Stelle in keiner Weise über die Sorgen und Belange schwangerer, bzw. getrennt lebender Mütter lustig machen. Zur ersten Gruppe gehörte ich selbst vor gut drei Jahren, als Mitglied der zweiten schreibe ich ja diesen Blog. Was mir jedoch auffällt, und auch aufstößt -, ist die Sprache, in der, manchmal sogar in Anwesenheit der Kinder, über eben jenen „Kindsvater“ oder „Erzeuger“ gesprochen wird. Eben im besten Fall mit nachsichtigem Spott, im schlechtesten Fall mit Verachtung.

Sprache drückt Haltung aus – und formt unsere Haltung zur Welt

Eine „Gebrauchsanweisung“ für Männer scheint es für uns Frauen nicht zu geben. Wir lieben sie, begehren sie – und dann wechseln sie nur einmal im Quartal die Wäsche ihrer Betten?! Uups… Wir verstehen sie offensichtlich nicht, „diese anderen“ – und zumindest in Momenten, in denen wir uns deutlich „bezogener“ auf unsere Männer fühlen, auch bedürftiger, was ihr Wohlwollen angeht (in Schwangerschaft und Babyzeit – ebenso wie kurz nach der Trennung), scheint das wilde Blüten zu treiben. Vielleicht hat die enttäuschte Frau, die akzeptieren muss, dass ihr Kind nach der Trennung einen Teil seiner Zeit bei seinem Vater verbringt, das Gefühl, zumindest ein Stück weit die Kontrolle zu behalten, wenn sie diesen als „Umgang“ bezeichnet. Ein KV ist weniger nah als „mein ehemaliger Partner“ und wen ich zum „Erzeuger“ degradiere wird hoffentlich keine Ansprüche auf sein „Erzeugnis“ erheben…

Schlimm nur, dass Worte oft große Macht entfalten. Wen ich ernsthaft als „Schwein“ betrachte, der kann mir nur schwer das Gegenteil beweisen. Wo ich Abschätzigkeit säe, wächst selten Achtung. Und auch wer sich wirklich „schweinisch“ verhalten hat, verdient meiner Meinung nach mehr als eine 2-Buchstaben-Kombination. Schon allein, weil der Wert der Zivilisiertheit, die jemand fordert, immer auch am Verhalten des Fordernden zu messen ist!

Was meint ihr dazu? Wie immer freue ich mich über Kommentare, mit und ohne Abkürzungen…;-)

Herzlich, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Text ursprünglich veröffentlicht im Jahr 2018 und leicht überarbeitet und ergänzt im Jahr 2022.

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8 Gedanken zu „Männer sind Schweine. Oder: warum der KV den Umgang vergisst“

  1. Liebe Sunnybee,

    auch ich finde mich als recht neu- alleinerziehende plötzlich hauptsächlich in weiblicher Gesellschaft wieder. Und ich merke, dass ich im Moment weder große Achtung noch Interesse an Männern hätte. Das ist tatsächlich erstaunlich, da ich sie früher seeehr interessant fand, früher heißt vor der Geburt meiner Tochter…. ist das Biologie? Oder bin ich durch die schwierige Zeit mir ihrem Vater so desillusioniert? Aber auch die anderen „Väter“, die in den „Zwei-Eltern-Familien“, die ich beobachte oder von denen mir meine Freundinnen erzählen (ihre Männer) rufen bei mir keine Bewunderung hervor.
    Tatsächlich bin ich soweit, mir zu überlegen, ob ich mich für meinen weiterhin bestehenden Kinderwunsch auf die Suche nach einem „Partner“ begebe (ich habe im Moment leider keinen Glauben mehr daran, dass es das gibt-Partnerschaft) oder mich dem Familienkonzept Co-Parenting öffne, bei dem man sich einen Partner zum Zwecke des Kinderkriegens und -aufziehens sucht, ohne Liebesbeziehung, und vorher möglichst genau klärt, wer welche Vorstellungen und Erwartungen hat. Der Mann- für mich im Moment ein entmystifiziertes, endromantisiertes und tatsächlich auch unverstandenes Wesen. Ich bin an diesem Punkt etwas entsetzt von mir selbst und ratlos und kann das nur so feststellen.

    Noch ein Wort zu den Frauen:-) Ich bin, seit ich Mutter bin, unglaublich beeindruckt, was Frauen alles leisten! Nicht nur im Freundeskreis und in unserer Gesellschaft, sondern überall auf der Welt. STARK! Das war mir in diesem „früher“ auch nicht klar.

    Danke für den Anstoss, über Männer nachzudenken, das werde ich noch weiter verfolgen müssen…

    Die Feynsinnige

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  2. Hier noch drei Reaktionen, die mich außerhalb der Kommentarfunktion erreichten und die ich hier gern teilen möchte!

    „Guten Morgen,
    den Artikel find ich auch sehr treffend. Trotz aller Verletzungen sollte man nie vergessen, dass man seinen Partner mal geliebt hat und sich sehr nah stand. Ich bezeichne meine frühere Frau nie als „Ex“ oder „Kindsmutter“ oder „Erzeugerin“ und sie mich andersrum auch nicht. Darüber bin ich heilfroh, denn sonst wäre wohl kaum das gute und respektvolle Miteinander möglich, das wir mittlerweile (nach vier Jahren) haben. Und trotz aller Verletztheit sollte man nicht vergessen, dass zu allem was zwischen Menschen passiert immer zwei gehören und nie einer alleine die gesamte Verantwortung (am Scheitern) trägt.“

    Und:

    „Oh toll!!! Ich sehe das wie du. Ich finde die Formulierung auch ganz schlimm. Und ich kann nachvollziehen, dass viele sehr verletzte Gefühle reinspielen… Aber vor den Kindern sollte man das nicht zeigen. Meiner Meinung nach sogar darüber freuen, wenn die Kinder sich über einen Tag voller Burger King und Tablet freuen. Egal wie kacke man das eigentlich findet.“

    Und:

    „Gut geschrieben 👍🏼
    auch wenn es im ‚Rosenkrieg‘ manchem/r schwer fallen mag- für die kinder schafft man es!“

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  3. Liebe Sunnybee,

    sicher ist die Verachtung ein unzulänglicher und destruktiver Versuch, sich Distanz zu verschaffen, daher gefällt mir die Tapferkeit, mit der du dieser Versuchung zu widerstehen vermagst! Alle Achtung, sozusagen! Entsprechend meines schalkhaften Sprachverständnisses würde ich, glaube ich, die anderen verlassenen und verlassenden Mütter auf ihren Umgang mit Ausdrücken wie „Ex“ „Erzeuger“ „KV“ etc. aufmerksam machen, indem ich von „Papa“ oder meinem „Ex-Schatz“, „Ex-Schnucki“ oder dem „seinerzeitigen Liebling“ u.dgl.m. spräche.

    Frohe Pfingsten,
    Al the pal

    Gefällt 1 Person

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