
Noch einen Kaffee… Es fühlt sich an wie Luxus: Im Frühstücksraum meines Hotels, das die Veranstalterinnen der Lesung an diesem Wochenende für mich gebucht haben, nippe ich in aller Ruhe an meinem Kaffee. Um mich herum an diesem noch frühen Morgen nur Männer. Der Kleidung nach Ingenieure? Oder Messebauer?
Lesung in der Hanns-Seidel-Stiftung
Am späten Nachmittag sitze ich dafür jeder Menge Frauen gegenüber. Sie sind in das imposante Gebäude der Hanns-Seidel-Stiftung gekommen, mitten in München. Die CDU-nahe Stiftung setzt sich nach eigener Aussage für Frieden, demokratische Beteiligung und Rechtsstaatlichkeit ein. Susanne Veit vom Landesverband der Mütter- und Familienzentren in Bayern konnte die Verantwortlichen der Stiftung davon überzeugen, mich für eine Lesung aus unserem Buch „Mütter. Macht. Politik“ nach München einzuladen. Danke an dieser Stelle an sie und Karin Kamleiter von der HSS für die tolle Organisation!
Für mich ist das spannendes Neuland: Bisher habe ich aus unserem Buch auf Einladung der Grünen oder der Frauen in der SPD gelesen, hier sitzen mir nun Frauen aus der CDU und CSU gegenüber. Wie ich nach und nach erfahre, sind unter den Zuhörerinnen auch die Geschäftsführerin des Bayerischen Landesfrauenrats, die Vorsitzende der WIR! Stiftung pflegender Angehöriger und Politikerinnen aus dem Münchner Stadtrat. Auch Stefanie von Winning, Leiterin des Instituts für politische Bildung der Hanns-Seidel Stiftung, schaut vorbei – und bleibt am Ende bis zum Schluss.
Was brauchen Mütter?
Wir sprechen über Gesundheit von Müttern, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Normen und Werte, die unseren Alltag als Frauen bestimmen. Was brauchen Mütter? Darin sind sich die anwesenden Frauen nicht einig. Ist es Zeit, um bei ihren Kindern zu bleiben und dabei dennoch sozial abgesichert zu sein? Oder die Möglichkeit verlässlicher Betreuung in Kitas und Schulen für einen frühen Wiedereinstieg in den Beruf? Sollten sich Mütter ihren Partnern gegenüber einfach besser behaupten, reißen sie gar zu viel Verantwortung in der Familie an sich, wie eine der Rednerinnen aus dem Publikum meint – oder sind es doch gesellschaftliche Strukturen, die Frauen, ebenso wie Männern, eine gleichberechtigte Aufgabenverteilung erschweren? Und – eine kritische Anmerkung aus dem Publikum: Ist es nicht sehr privilegiert, in gediegenem Rahmen über die Verteilung von Care-Arbeit zu diskutieren? Mütter mit Migrationshintergrund oder in prekärer finanzieller Lage haben dazu gar nicht die Zeit und Kraft.
Was mir auffällt: Es sind – bis auf genau einen Mann – wieder einmal nur Frauen bei der Lesung anwesend. Die Veranstaltung wurde auch als „Seminar für Frauen“ angekündigt. Und um 17 Uhr als „After Work Lesung“. Nun, als alleinerziehende Mutter von zwei noch relativ kleinen Kindern weiß ich: Um diese Uhrzeit ist meine Arbeit noch lange nicht beendet. Sitze ich nicht gerade selbst als Autorin auf dem Podium, betreue ich dann nämlich meine Kinder. Und das fühlt sich – neben aller Freude – weit mehr nach Arbeit an als die gepflegte Diskussion bei Wein und Häppchen hier.
Ein schöner Abend – mit gemischtem Fazit
Insofern ist mein Fazit nach dieser – auch für mich wieder sehr spannenden – Lesung gemischt.
Toll, dass ich in einem so schönen Rahmen unser Buch vorstellen konnte.
Allein: Die Fakten sind bekannt. Jetzt geht es darum, Veränderung wirklich umzusetzen. Wenn die Politik sich nicht oder nur langsam bewegt, dann direkt in Institutionen und Unternehmen. Zum Beispiel, indem Unternehmen das Gehalt aller Mitarbeiter:innen transparent machen – ein praktischer Schritt gegen den Gender Pay Gap. Oder indem Frauen und Männer ihre Verantwortung in der Familie bei Einstellungsgesprächen offen thematisieren – und fordern, dass dafür Raum und Zeit geschaffen wird. Oder indem Geschäftsführer:innen bewusst Alleinerziehende oder Mütter mit Migrationshintergrund einstellen. Weil sie wissen: Wer das schafft, wird auch für das Unternehmen ein Gewinn sein.
Wo sind die Väter?
Zugleich kann der Weg nicht sein, dass wieder wir Frauen vor allem Veränderung fordern. Wo sind die Väter? Wir brauchen sie an unserer Seite.
An diesem Wochenende war ich selbst als „Geschäftsfrau“ unterwegs. Für meine Arbeit als Autorin bezahlt und mit freundlichen Worten überschüttet. So glamourös ist mein Alltag als Mutter nicht. Da ist schon ein Kaffee morgens in Ruhe Luxus.
Mein Fazit: Den Veranstalterinnen der nächsten Lesung schlage ich vor, Eintritt zu erheben. Mit Rabatt, wenn die Zuhörerin einen Mann aus ihrem direkten Umfeld mitbringt. #Müttermachtpolitik heißt auch: Ich will neben den Frauen auch mit den Männern ins Gespräch kommen. Und zwar nicht „nur“ mit denen, die sich in Bündnissen wie dem Equal Care Day oder in Männerverbänden organisieren. Sondern mit den ganz „normalen“, die früh morgens an einem Freitag, unbehelligt von jeder Care-Arbeit, im Hotel ihren Kaffee trinken und abends ihr Feierabendbier, bevor sie um 21 Uhr, wie gestern, das EM-Eröffnungsspiel ansehen.
Solange genau diese Väter nämlich nicht im Boot sind, bleibt Gleichberechtigung letztlich eins: Ein Frauenthema. Und damit auch im schönsten Rahmen vor allem eins: Ein Wort auf Papier.
Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.
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[Foto: privat]
