
Was haben Mütter und Bauern gemeinsam? Auf den ersten Blick wenig, oder? Tausende Bauern gehen aktuell auf die Straße, um gegen die geplante Streichung von Agrarsubventionen zu protestieren. Autobahnen und Fabriken werden durch ihre Traktoren blockiert, große Medien berichten deutschlandweit über die Proteste.
Dagegen auf der Seite der Mütter (und ihrer Kinder): Seit Jahren tragen Familien die Mangelwirtschaft im deutschen Kita-, Bildungs- und Pflegesystem mit und seit einigen Jahren wächst der Protest dagegen. #Petitionen werden eingereicht, es gibt auch Demonstrationen. Die Medien berichten hier und da darüber. Außerhalb der Blase der direkt Betroffenen scheint das Ganze aber noch immer niemanden wirklich zu interessieren.
Dabei liegt beiden Krisen derselbe Mechanismus zugrunde: Hohe Leistung bei niedrigen Preisen. Dass das Ganze schon lange nicht mehr funktioniert, zeigen die bis zur Erschöpfung ausgelaugten Pflegenden, Erzieher:innen und Menschen, die im privaten Rahmen täglich Fürsorgearbeit leisten – und umgekehrt kleine bis mittelgroße landwirtschaftliche Betriebe, die nur aufgrund großzügiger Subventionen überleben.
Hier wurde und wird (Wirtschafts-) Politik auf Kosten von Menschen und Natur gemacht. So lange, bis das ganze System beinahe kollabiert.
Dass Medien nun flächendeckend über die Proteste deutscher Landwirte berichten, mag – je nach Perspektive – ermutigend oder entmutigend wirken.
Ermutigend, weil so vielleicht doch auch Vertreterinnen und Vertretern aus Regional-, Landes- und Bundespolitik klar wird, dass wirtschaftliches Wachstum auf Kosten von Mensch, Tier und Natur nicht endlos möglich ist und dass der Protest der Betroffenen nicht dauerhaft überhört werden kann.
Entmutigend, weil das Prinzip der Wirtschaftlichkeit letztlich noch immer nicht hinterfragt wird. Den Bauern gelingt es, eine Diskussion um die Höhe ihrer Subventionen zu entfachen. Dass es an sich Wahnsinn ist, dass in landwirtschaftlichen Betrieben Überproduktion staatlich gefördert wird um den Preis der Erzeugnisse künstlich niedrig zu halten – es wird nach wie vor nicht in Frage gestellt. Genauso wenig, wie der Irrsinn, dass Menschen nach Minutenabrechnung Pflegeleistungen erbringen oder ohne ausreichend Ausstattung und Personal hochwertige Bildung vermitteln sollen.
Solange wir als Gesellschaft nicht grundlegend unseren Umgang mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen hinterfragen, solange wir Menschen und Natur benutzen, statt für sie zu sorgen, werden wir die Grenzen wirtschaftlichen Wachstums immer als Bedrohung erleben.
Denn tatsächlich stellt jede Rezession ein System, dessen Hauptzweck das Streben nach mehr ist, grundlegend in Frage. Geht es hier irgendwann nicht mehr weiter, kommen wir nicht um die Frage herum: Was dann? Chaos, Revolte, Aggression – oder doch etwas ganz anderes? Wenn höher, schneller, weiter nicht mehr möglich ist, was ist die Alternative?
Was ist eure Antwort?
Nachdenkliche Grüße, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.
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Du schreibst „Solange wir als Gesellschaft nicht grundlegend unseren Umgang mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen hinterfragen, solange wir Menschen und Natur benutzen, statt für sie zu sorgen, werden wir die Grenzen wirtschaftlichen Wachstums immer als Bedrohung erleben.“
Damit legst du den Finger in die Wunde. Wir, Krone der Schöpfung, Homo Oeconomicus. Bereits der erste Trugschluss.
Das angeblich intelligenteste Wesen, das aber das Einzige ist, welches meint, Grenzen ständig überschreiten zu können. Der erste Schritt wäre vermutlich, unsere Überheblichkeit (also nicht die des Einzelnen, sondern der ganzen Spezies) abzulegen.
Aber vor allem müssen wir ganz dringend das Gegeneinander ablegen, um das Miteinander wieder mehr einzuüben. Und damit muss nicht mal unbedingt Putin, Netanjahu, der Hamas-Oberste oder irgendeiner von den vielen großen Kriegstreibern anfangen, sondern jeder einzelne von uns, den ganz normalen Menschen. Und da wir so viele sind, findet man immer jemanden, auf den man den ersten Schritt abwälzen kann.
Eine allgemeingültige Antwort kann auch ich nicht beisteuern. Ich kann nur zusehen, mein Leben so zu führen, dass ich einigermaßen guten Gewissens beim Zähneputzen in den Spiegel sehen kann. Und das an meine Umgebung weitergeben.
Ratlose Grüße
Anja
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