
Lesung in Köln. Premiere unseres Buches „Mütter. Macht. Politik“. Wenige Stunden vor der Veranstaltung laufe ich mit einem Kaffee auf der Hand durch die Stadt. Morgens um zehn sind die Straßen schon belebt. Viel Asphalt und schmuddeliges Pflastergrau. Die typisch rheinischen Kachelfassaden. Dazu Reklame überall. Am Boden liegt zwischen den Geschäften eine Taube. Tot. Daneben zwei Obdachlose, tief in ihre Schlafsäcke vergraben. Wenige Meter weiter die Kölner Philharmonie. Davor Menschen in edlen Sommerkleidern und feinem Leinenstoff.
Müll in den Straßenecken. Spielende Kinder. Kippen auf dem Boden, hochhackige Schuhe. Ein Bettler, der interessiert die Passanten betrachtet. Frisch gebräunt, parfümiert, mit glatt geföhntem Haar, schlendern sie ohne einen Blick an ihm vorbei.
Hier, in dieser Stadt, habe ich insgesamt fast 20 Jahre meines Lebens verbracht. Auch noch fünf Jahre, als mein älterer Sohn schon geboren war. Ich frage mich: Ist mir der Kontrast aus Armut und sattem Wohlstand, die grelle Mischung aus Elend, Konsum und demonstrativer Lustigkeit damals nicht so hart aufgestoßen?
Ich weiß noch, dass ich mich, gerade mit Kleinkind, in der Stadt nicht mehr richtig wohl gefühlt habe. Wir sind letztlich 2021 auch in eine Kleinstadt im Süden Deutschlands gezogen.
Ich möchte die Stadt – das städtische Leben an sich – nicht verurteilen, aber es berührt mich schon, wie hart hier Arm und Reich, Elend und Vergnügen aneinander stoßen. Vermutlich, weil wir im Ganzen, als Gesellschaft, noch immer so wohlhabend und relativ behütet sind, irritiert mich das besonders.
Nachdenklich kehre ich ins Hotel zurück, um mich umzuziehen, noch einmal den Ablauf unserer Lesung durchzugehen. Die Fragen „In was für einer Welt wollen wir leben? Wie sieht die Gesellschaft aus, in der ich auch mit meinen Kindern glücklich bin? Was tun wir für echte soziale Gerechtigkeit?“ klingen in meinem Kopf.
Es ist Zeit. JETZT. Das merke ich auch bei diesem kurzen Spaziergang durch Köln.
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[Foto: Sofia Wagner Fotografie]

So wahr.
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Danke. Und ja: leider!
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