
Das Buch wurde mir von einer Freundin empfohlen: „Wäre das thematisch nicht was für deinen Blog?“ Das Wortspiel im Titel in Kombination mit der Grafik („Vorsicht, frisch geschieden!“) und die humorvollen Illustrationen von Meike Töpperwien, die ich schon aus anderen Veröffentlichungen kannte, machten mich neugierig. Also bestellte ich ein Rezensionsexemplar. Und jetzt? Was ich daran gut finde, was mir nicht so richtig gefällt und ob ich es meinen eigenen Kindern als Ratgeber rund um Trennung und Scheidung in die Hand drücken würde – ihr erfahrt es hier!
Für wen ist dieses Buch?
Vorab: Das Buch will viel. Kindern, deren Eltern sich getrennt haben, Mut machen. Eine Menge Information rund um Scheidung, Umgangsrecht und Unterhalt vermitteln. Kindgerecht sein, unterhaltsam und trotzdem ein ernsthafter Ratgeber zum Thema. Für Kinder – und ein bisschen wohl auch für ihre Eltern. Nachdem ich das Buch gelesen habe, frage ich mich: ist das nicht alles ein bisschen zu viel des Guten?
Klar, das Thema ist komplex und das gesamte Buch hat inklusive Anhang mit Anlaufstellen und Adressen nur knapp 140 Seiten. Außerdem ist es in großformatiger Schrift und mit zahlreichen Illustrationen gestaltet. Entsprechend wird alles um Hochzeit, Ehe und eben Trennung und Scheidung und dem Leben als (Patchwork-) Familie eher gestreift, als wirklich intensiv behandelt. „Fun facts“ wie die eines Amerikaners, der im Verlauf seines Lebens tatsächlich 29 mal verheiratet war, stehen da neben Protokollen von Kindern geschiedener Eltern, in denen diese die oft gar nicht witzige Geschichte ihrer Familie erzählen. Dazwischen statistische Daten und Infos zu Fachbegriffen aus dem Familienrecht.
Ich frage mich: Wer soll dieses Buch eigentlich lesen? Kinder im Grundschulalter? Kinder ab etwa 10 bis 12 Jahren? Der Verlag schlägt auf seiner Website ein Alter ab neun Jahren vor. Für die Jüngeren empfinde ich die Inhalte stellenweise aber doch als sehr komplex, für Ältere ist das Ganze reichlich verspielt, auch aufgrund der Illustrationen. Oder ist das mein Blick als Erwachsene mit zwei Söhnen, von denen der Ältere, mittlerweile sieben, allein von der Menge an Text und Fachbegriffen vermutlich bald erschlagen wäre.
Gut: konkrete Tipps und Anlaufstellen
Gut, keiner muss das Buch „am Stück“ und im Ganzen lesen. Und die zwei „Checklisten“ am Ende für Eltern UND Kinder, wie man gut aus einer Scheidung herauskommt sowie die Anlaufstellen und Adressen im Anhang finde ich wirklich gut. Aber im Buch selbst steht mir zu viel Unterschiedliches unkommentiert nebeneinander. Für ein echtes „Lesebuch“ ist die Information zu dicht und schwankt für meinen Geschmack zu sehr zwischen ernster Info und bloßer Unterhaltung. Als Nachschlagewerk ist das Buch für mich grafisch zu unübersichtlich gestaltet. Und als echte emotionale Begleitung für Trennungskinder geht es mir zu wenig auf den Schmerz und die Verunsicherung ein, die viele Kinder tatsächlich erfüllt, wenn die Beziehung ihrer Eltern zerbricht.
Unter der Überschrift „Wie sich euer Leben verändert“ geht die Autorin zum Beispiel erst einmal mehrere Seiten lang auf die verschiedenen Umgangsmodelle ein und drei Kinder berichten kurz, wie sie ihr Umgangsmodell im Alltag erleben. Dass die Entscheidung der Eltern, zum Beispiel für das Residenz- oder Wechselmodell, für Kinder viel mehr bedeutet als entweder nur ein oder zwei Kinderzimmer zu haben mit entweder einem oder zwei WLAN-Passwörtern, wie in der Beschreibung formuliert, bleibt ungesagt. Die Kinder selbst sprechen in den Protokollen davon, dass zum Beispiel der Wechsel zwischen zwei Wohnungen für sie anstrengend sei oder dass ihr Vater, bei dem sie im Alltag leben, bei ihren Freunden gut ankomme. Aber was die Trennung und Veränderung gefühlsmäßig für sie bedeutet, kommt nicht wirklich zur Sprache. Vielleicht, weil die Regelungen schon „normal“ für die porträtierten Kinder sind. Vielleicht auch, weil sie der Autorin gegenüber nicht über alle Gefühle reden wollten, die damit verbunden sind?
Das Buch soll Mut machen und es verhehlt nicht, dass die Zeit um Trennung und Scheidung herum für Kinder sehr schwierig sein kann. Aber ob diese kurzen Ausschnitte aus dem Leben von Kindern geschiedener Eltern, kombiniert mit einer Menge Sachinformation, tatsächlich tröstlich sind?
Unterhaltung, Trost oder Beratung – was möchte dieses Buch?
Am Ende unterscheidet die Autorin selbst zwischen Ratgeber und Roman: das eine wolle unterhalten und uns glücklich machen, das andere sei ein Buch für Menschen, die ein echtes Problem haben und Wege suchten, damit umzugehen. Dieses Buch versucht irgendwie beides: Ernsthaftigkeit, Sachbezug, Empathie und auch noch Leichtigkeit – zumindest meinem Geschmack nach hat sich die Autorin mit diesem Vorhaben ein wenig übernommen.
Aber werft gerne mal einen Blick ins Buch (hier geht’s zur Leseprobe) und berichtet in den Kommentaren, was ihr davon haltet. Ich freue mich auf eure Meinung!
Herzlichen Gruß, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.
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[Foto: privat; ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar. Der Beitrag gibt dennoch, wie bei allen Buchbesprechungen hier im Blog, ausschließlich meine persönliche Meinung wieder.]