
Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ist das nicht das, worum sich die Mütter kümmern? Tja, solange Frauen im Vorstellungsgespräch gefragt werden, wie sie neben ihrem Beruf die Kinderbetreuung organisieren wollen oder die Aufforderung zum Kuchenbacken fürs Sommerfest lediglich an die „lieben Mamas“ geht, könnte man das durchaus meinen. Umso erfreulicher, dass sich mit Birk Grüling ein Vater zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf äußert. „Eltern als Team“ heißt sein Buch, das Ende April im Kösel-Verlag erschienen ist.
Pragmatisch, smart und gut zu lesen
In einem Satz: Das Buch ist pragmatisch, smart und gut zu lesen. Als Leserin bekomme ich jede Menge Input: wie ich den Alltag mit meinem Partner oder meiner Partnerin so gestalten kann, dass die tägliche Planung und Organisation fair verteilt ist, dass wir beide noch Freiräume für uns selbst und füreinander haben und trotzdem all die Dinge, die täglich mit Familie, Beruf und sozialem Umfeld anfallen, einigermaßen bewältigt bekommen. Nicht umsonst verspricht der Untertitel „Ideen eines Vaters für gelebte Vereinbarkeit“.
Grüling behauptet dabei allerdings gar nicht erst, einen „Masterplan für Vereinbarkeit“ zu haben. Wie er sagt – und auch anhand konkreter Beispiele zeigt – gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, ein zufriedenes Familienleben zu führen und als Eltern wirklich als Team zu agieren. Das inzwischen schon fast klassische Modell „Er beruflich in Vollzeit, sie in Teilzeit“ verteufelt der Autor nicht, weist aber darauf hin, dass es durchaus Nachteile mit sich bringt. Nicht nur stehen Frauen im Fall einer Trennung mit deutlich weniger Einkommen da und sorgen weniger gut für ihr Alter vor – Väter nehmen sich dadurch auch die Chance, in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder ein wirklich enges Verhältnis zu diesen aufzubauen.
Familie leben als gleichberechtigtes Paar
Grüling zeigt Alternativen, indem er Familien zu Wort kommen lässt, in denen die Väter nach der Geburt ihres Kindes mehr als die üblichen zwei Monate Elternzeit genommen haben. Da berichtet der Vater dann vom Besuch im Stillcafé während der Elternzeit und die Mutter betont, wie sehr sie es genossen habe, wieder außer Haus zu arbeiten. Spannend hätte ich persönlich gefunden, noch mehr zu lesen, wie es Müttern und Vätern mit geringem oder sehr ungleichem Einkommen gelingt, trotzdem nicht ins klassische Modell „Mann schafft, Frau sorgt (oder schafft UND sorgt)“ zu fallen. Und natürlich können auch nicht alle Eltern ihre Arbeitszeit frei wählen oder im Homeoffice arbeiten. Immerhin wird im letzten Teil des Buches beschrieben, wie es einem Facharbeiter trotz Schichtarbeit gelingt, nachmittags und am Wochenende Zeit mit seiner Familie zu verbringen, indem er sich innerhalb seines Unternehmens andere Aufgaben zuteilen lässt.
Es erfordert also Kreativität und manchmal einen langen Atem, um tatsächlich als Familie neue Wege zu gehen. Grüling betont, dass Männer wie Frauen fürsorglich zu Babys sein können, dass auch Mütter nicht mit der natürlichen Veranlagung zum Babywickeln geboren werden und dass somit Aussagen wie „Ein Kind gehört im ersten Jahr zu seiner Mutter“ eigentlich ad acta gelegt werden können. Dennoch erleben es Paare oft immer noch als schwierig, mit Kind eine wirklich gleichberechtigte Partnerschaft zu leben; häufig auch, weil ihr berufliches Umfeld wenig familienfreundlich ist.
Neue Arbeitsmodelle für mehr Vereinbarkeit
Besonders spannend finde ich daher den Teil des Buches, in dem der Autor auf neue Arbeitsmodelle eingeht. Ortsunabhängiges Arbeiten, die 30-Stunden-Woche oder flexible Arbeitszeitgestaltung sowie geteilte Verantwortung beim „Jobsharing“ – all das kann Eltern ermöglichen, sich eben nicht allein im Beruf zu verausgaben, sondern Energie und Zeit für Beruf UND Familie zu haben und somit beides bestmöglich zu vereinbaren.
Grüling macht deutlich, dass uns ein familienfreundliches Arbeitsumfeld und auch die faire Aufteilung von Aufgaben zuhause nicht in den Schoß fällt. Wir müssen uns zuerst damit auseinandersetzen, was wir eigentlich wollen und anschließend klären, was finanziell, organisatorisch und strukturell überhaupt möglich ist. Und schließlich müssen wir mutig genug sein, unsere Wünsche zu kommunizieren und Möglichkeiten auch einzufordern. Beruflich kann das bis zu dem Punkt gehen, dass wir uns nach einem neuen, familienfreundlicheren, Arbeitgeber umsehen müssen. Manchmal reicht es aber auch, unsere Prioritäten festzulegen und wie der oben genannte Facharbeiter innerhalb des Unternehmens eine andere Tätigkeit zu übernehmen, um dadurch mehr Zeit für die Familie zu haben.
Faire Aufgabenverteilung und Zeit zu zweit
In der Familie selbst müssen wir uns damit auseinandersetzen, dass auch wenig sichtbare Aufgaben Arbeit machen und entsprechend fair verteilt werden müssen. So verringern wir die Gefahr, einander irgendwann vorzuwerfen, der andere lasse uns im Stich. Darüber hinaus betont Grüling, wie wichtig es ist, dass wir auch für uns selbst sorgen und das Miteinander als Paar regelmäßig pflegen. Gut und richtig finde ich den Hinweis, auch hier pragmatisch lieber die fünf Minuten Auszeit vom Familientrubel auf dem Klo zu genießen oder den innigen Kuss des Partners oder der Partnerin am Morgen, als ewig auf den perfekten Zeitpunkt für Yoga, Meditation oder die Leidenschaft zu zweit zu warten.
Schließlich weist der Autor darauf hin, dass es natürlich nicht nur unsere private Aufgabe ist, für Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen. Auch die Politik muss sich endlich bewegen und Anachronismen wie das Ehegattensplitting oder ein wenig familienfreundliches Arbeitsrecht nachbessern. Sich dem Arbeitgeber gegenüber für Bedingungen einzusetzen, die ein Leben mit Kindern für Mütter und Väter gut möglich machen, hat somit auch immer eine politische Komponente: es ist ein Schritt in Richtung einer Gesellschaft, in der Fürsorge für andere den Stellenwert hat, den sie verdient – und wo daher ohnehin klar ist, dass ein gutes Leben nur möglich ist, wenn wir auch als Eltern Beruf und Privatleben gut vereinbaren können.
„Vereinbarkeit – so schwer kann das doch nicht sein! Das dachte ich jedenfalls, bevor ich Vater wurde“, wird Grüling auf dem Cover zitiert. Ich stimme ihm zu. Und würde sagen, sein Buch zeigt wertvolle Wege auf, wie wir trotz (noch) zahlreicher Hürden unseren ganz eigenen Weg zu mehr Vereinbarkeit finden können.
Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familienthemen und Mutter eines Babys sowie eines Kindergartenkindes.
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[Foto: privat; ich danke dem Verlag für das zu Verfügung gestellte Rezensionsexemplar. Der Beitrag gibt dennoch ausschließlich meine persönliche Meinung wieder.]
Ich finde es cool, dass sich ein Vater diesem Thema widmet. Wie auf LinkedIn bereits diskutiert, ist für mich zwar die verlässliche Kinderbetreuung das A und O, allerdings sind das vielleicht auch einfach Luxus-Gedanken. Ich habe da nochmal drüber nachgedacht. Es ist ja nun mal so, dass mein Mann kein Buch über Ideen zur Vereinbarkeit lesen braucht, denn er lebt sie gut. Also wir. Er hat nicht nur drei Jahre Elternzeit genommen, er hat auch den letzten Kindergeburtstag fast allein geplant (und der war mega gut). Er kennt die meisten Freunde unserer Kinder und stimmt sich inzwischen sogar per WhatsApp mit anderen Eltern ab. So als Beispiele. Ich finde super, dass Papas sich gegenseitig supporten und überhaupt über Vereinbarkeit reden. Es ist nämlich keine Frauensache.
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„Ich finde super, dass Papas sich gegenseitig supporten und überhaupt über Vereinbarkeit reden. Es ist nämlich keine Frauensache.“ So ist es! Und so sei es noch viel mehr!😀
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