
Ein Film über fünf Freundinnen, die sich rund 25 Jahre nach dem Ende der DDR und ihrem damaligen Aufbruch in die Welt wieder treffen. Wie sind ihre Leben verlaufen? Wofür und wogegen haben sie sich entschieden und an welchen Punkten hat das Leben für sie scheinbar die Entscheidungen getroffen? Eine von ihnen, die Dokumentarfilmerin Sabine Michel, verfasst das feinsinnige Porträt dieser fünf Frauen um die 40, die mit 18 eng befreundet waren und sich jetzt wieder begegnen: mit tastender Neugier, erkennbar noch immer bestehender Nähe und zugleich spürbarer Distanz.
Wer bin ich? Was hat mich geprägt? Was war eindeutig und worüber wurde nie gesprochen in meiner Kindheit und Jugend? Habe ich auch jetzt noch – oder wieder – Gewissheiten? Wohin geht heute mein Weg? Was davon wurde angelegt durch die Dinge, die ich im untergegangenen Land DDR erlebt habe? Drei der Frauen haben zeitweise im Ausland gelebt, eine ist französische Staatsbürgerin geworden. Eine ist ihrer Heimatstadt Dresden die ganze Zeit treu geblieben. Sie sind nun Lehrerin, Filmemacherin, Anwältin, arbeiten in der Jugendarbeit oder führen als Geschäftsführerin ein Lokal. Sie haben – ganz offensichtlich – allmählich eine Ahnung davon, wer sie sind – und sind sich bewusst, dass diese Gewissheit doch wieder nur momentan ist, ein Zwischenstand – oder Zwischenzustand – bevor sich das Leben wieder wandelt.
Umbruch, Wandel – und die Frage: was bleibt?
Ich persönlich erkenne mich in dieser Erfahrung wieder: Umbruch, Wandel, Aufbruch – und auch Rückkehr zu dem, was in all diesem Wandel eine Konstante darstellt. Für diese Frauen ist es offensichtlich (auch) ihre Freundschaft, es ist ihre Kindheit und Jugend in der damaligen DDR. Es ist die Erfahrung der Wende 1989.
Ich selbst bin im Westen Deutschlands aufgewachsen. In einer Kleinstadt, nicht in einer Großstadt wie Dresden. Ich war knapp zehn Jahre jünger als diese Frauen, als das Land DDR auf einmal verschwunden ist. Der Vater meines Sohnes hat dort zumindest seine frühe Kindheit verbracht. Eine enge Freundin, zu der ich gerade leider wenig Kontakt habe, auch. In gewisser Weise empfinde ich sie beide als anders als meine im „Westen“ Deutschlands aufgewachsenen Freunde. Osten und Westen Deutschlands, gibt es das im Jahr 2020 immer noch?
„Irgendwann habe ich mich dazu entschlossen, mich eher zu fragen, wo ich hinwill – und gar nicht so sehr, woher ich herkomme“, sagt eine von ihnen. Eine der anderen Frauen sagt, sie trage zwei „Heimaten“ in sich: die DDR, den nun nicht mehr existierenden Ort ihrer Kindheit, – und Paris, den Ort, den sie als junge Erwachsene gewählt hat und an dem sie seit fast drei Jahrzehnten lebt.
Ein wunderbar sensibler, feingeistiger Film über das Suchen, das Finden und Weitersuchen. Über Frau-Sein. Heimat, Herkunft und Ausrichtung im Leben. Sehenswert!
Hier der Link zur Dokumentation.
Noch bis zum 20.09.2020 frei verfügbar in der ARD Mediathek: „Zonenmädchen“ von Sabine Michel (2013).
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[Foto: MDR]
Danke für den Filmtipp 🙂 Ich finde auch sehr interessant, wie der Film angegangen wurde mit den Freundinnen aus Dresden, die immer noch in Kontakt zueinander stehen und ihre Erfahrungen in der DDR sowie die Zeit danach und ihr aktuelles Leben 2013 in den Mittelpunkt rücken. Für jede war und ist es anders. Dennoch: Trotz 90 Minuten ging mir der Film leider zu wenig in die Tiefe, kratzte immer nur an der Oberfläche. Vielleicht wollte er mit den 5 Geschichten auch zu viel auf einmal zeigen.
Ich selbst bin erst 1989 geboren, also ganz klar kein „Zonenmädchen“ mehr. Meine Mutti aber schon: Sie war 23 Jahre alt, als die Mauer fiel, schon Mama von 2 Kindern. Ehrlich gesagt, habe ich mir nie intensiv Gedanken darum gemacht, was diese Wende mit ihr persönlich gemacht hat. Ob der Wechsel DDR zu BRD für sie auch so gravierend war wie für die Mädchen im Film? Was bedeutete das? Gingen tatsächlich Werte verloren?
Ich werde sie mal ausfragen müssen.^^
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Ja, fände es ja spannend, wenn der Film dann deine Mutter und dich zu einem solchen Gespräch anregen würde! 🙂 Wo im Film hättest du dir denn gewünscht, dass er mehr in die Tiefe geht? Lg, Sarah
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Es ging in dem Film unter anderem darum, dass die Mädchen mit anderen Werten und einer anderen Gesellschaftsordnung aufgewachsen sind. Mich hätten Geschichten, Situationen und Gedanken interessiert, in denen es dann zum Widerspruch kam. Woran merkte man, dass man anders tickte, als es dann in der BRD gewünscht war? Und hat man die eigenen Kinder eigentlich eher ostdeutsch oder westdeutsch erzogen? Wie ging es den Mädchen/Frauen, als sie das Konzept „Hausfrau“ kennenlernten (das war mir bis zum Umzug in den Westen auch nur vom Hören-Sagen bekannt gewesen) und was halten sie davon? Hätten sie sich gewünscht, im Westen aufgewachsen zu sein? Warum haben sie sich eigentlich für ihre Herkunft geschämt? In welchen Situationen, in welchen Gesprächen? … Vieles wurde angerissen, was vom Thema wirklich sehr interessant ist und gern viel tiefer hätte gehen können.
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Wow, danke für die konkreten Ideen, das würde ja Stoff für eine ganze weitere Doku bieten. Vielleicht sollte ich deinen Kommentar an Filmemacherin Sabine Michel weiterleiten!😊 Hast du selbst denn noch das Gefühl, dass du – oder deine Eltern – irgendwie anders ticken als Freund/innen, die im Westen aufgewachsen sind? Oder findest du, das verwischt und vermischt sich allmählich? 30 Jahren nach der Wiedervereinigung…😉😅 Lg, Sarah
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Du regst mich zu vielen Blogartikeln an, die ich mal schreiben müsste 🙂 Tatsächlich konnte ich anfangs keinen Unterschied zwischen den im Westen und den im Osten aufgewachsenen Jugendlichen ausmachen, als ich mit 18 in den Westen gezogen bin. Die Klischees wurden nicht bestätigt, im Gegenteil. Nur dass viele Freunde und Freundinnen Mütter hatten, die „Hausfrau“ waren, war mir ganz neu und auch fremd. So wurde der Unterschied zwischen Ost und West tatsächlich auch erst in der nächsten Lebensphase deutlich: als Eltern tickten wir noch anders. Während Ost-Freundinnen und Freunde ihre Kinder ganz selbstverständlich mit einem Jahr in der Kita angemeldet haben, war das im Westen eher gemischt und wenn Mütter so früh arbeiten gingen, dann rechtfertigen sie sich dafür. In der Regel war es dann eine Teilzeitarbeit. Es schien einfach weniger normal, als Mutter direkt wieder erwerbstätig zu sein und so ist ja auch die Kinderbetreuung im Westen zum Teil wirklich elternunfreundlich … also hier gibt es viele Unterschiede. Insgesamt vermischt sich viel. Die meisten meiner Freundinnen sind wie ich in den Westen gegangen und in unseren Köpfen ist Ost/West auch kaum mehr präsent, aber natürlich existiert es noch.
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Liebe Nadine,
dann wäre/bin ich ja gespannt auf deinen Blogartikel zum Thema! Passt ja aktuell wieder, kurz vor dem „Tag der deutschen Einheit“!🙂
Ich hatte kürzlich ein interessantes Gespräch mit dem Papa meines Sohnes, der seine Kindheit ja noch in Ostdeutschland verbracht hat. Er meinte, von einem – zehn Jahre älteren – Kollegen (ebenfalls in Ostdeutschland aufgewachsen), erlebe er großes Unverständnis, dass z.B. ich als Mutter neben meinem Beruf nicht automatisch einspringe, bzw. eine Betreuung organisiere, wenn unser Sohn krank ist, sondern dass er selbst Kinderkranktage nimmt. Hinter der Äußerung des Kollegen steht meiner Meinung nach die Erwartung, als Mutter in beiden Bereichen immer einsatzbereit zu sein, möglichst Vollzeit im Beruf und nach Arbeitsschluss als Mutter und Ehefrau zusätzlich zuhause. Das verstehe ich, ehrlich gesagt, auch nicht unter Gleichberechtigung. Mein Weg, den übrigens der Vater meines Sohnes und ich inzwischen auch leben – ist: BEIDE sind für BEIDES verantwortlich: Für den Gelderwerb, aber eben auch für die Kinderbetreuung, wenn z.B. das Kind mal krank ist oder nicht in die externe Betreuung kann. Das führt zu einer Partnerschaft, bzw. Elternbeziehung wirklich auf Augenhöhe, weit weg von der „Hausfrauen-Ehe“, die Frauen potentiell in finanzielle Abhängigkeit bringt , aber andererseits auch weg von der „Mutti-macht-alles“-Erwartung, bei der de facto die Mütter mit dem Vorwand der Gleichberechtigung die doppelte Last und Verantwortung tragen. Diesbezüglich können „Ost- und Westdenken“ sich innerhalb der Familien eben doch ergänzen und befruchten, finde ich – jenseits irgendwelcher Klischees! Lg, Sarah
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Oh absolut! Tatsächlich kann ich mich zwar auch nicht daran erinnern, dass mein Papa früher mit uns kranken Kindern zu Hause geblieben wäre, aber die Zeiten haben sich ja grundlegend geändert. Wir jungen Menschen sehen heute vieles anders und leben auch anders. Kaum vorstellbar, dass einige Leute im Jahr 2020 noch denken, nur Mama könne mit dem kranken Kind zu Hause bleiben 😮 … Wuah! Nein, in meiner bisherigen Arbeitserfahrung – übrigens in Ost und West – bleiben Papas sehr wohl mit kranken Kindern zu Hause. Das ist normal und gut so.
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Meine Rezension und unser Austausch darüber hat „Dresden-Mutti“ Nadine sogar zu einem eigenen Blogbeitrag inspiriert. Ticken wir im „Osten“ und „Westen“ doch noch anders, rund 30 Jahre nach dem Mauerfall? Spannend!:-) Lest hier: https://dresdenmutti.com/2020/10/03/szenen-aus-ost-west/
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