Gesellschaft, Persönliches

Frohe Ostern!

324F044D-8BF1-442F-BF83-D818D5172FDA

Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten.

Hilde Domin (eigentlich Hilde Löwenstein) schrieb diese Sätze im Exil der Dominikanischen Republik, wohin sie die Politik der Nationalsozialisten samt „Notstandsgesetzen“, „unlebenswertem Leben“ und dem Ruf nach dem „totalem Krieg“ 1932 gezwungen hatte. Sie ging dorthin als Jüdin und Autorin. In Deutschland war ihr Leben nicht mehr sicher.

Ich selbst denke diese Worte an diesem Ostern, an dem ich meine Mutter zu deren Schutz nicht sehe, seit vier Wochen überhaupt niemanden persönlich getroffen habe außer dem Vater meines Sohnes und meinem eigenen Kind, den öffentlichen Raum nur noch unter bestimmten Bedingungen nutzen darf und „zum Schutz aller“ auf Grundrechte, die ich in Deutschland als unumstößlich erachtete (Versammlungsfreiheit, freies Aufenthaltsbestimmungsrecht etc.) verzichten muss. Kindergärten und Schulen, Restaurants und viele weitere Orte des öffentlichen Lebens sind seit dem 16.3.2020 deutschlandweit geschlossen. Seit dem 23.3.2020 gilt in NRW ein weitreichendes Kontaktverbot.

Ich merke, dass ich mich nach Freiheit sehne, nach echter Gemeinschaft jenseits von Skype und Telefon und schlicht nach der Normalität meines Lebens vor wenigen Wochen.

Osterwunder

Nicht müde werden / sondern dem Wunder / leise / wie einem Vogel / die Hand hinhalten.

Hilde Domin schrieb diese Sätze, nachdem sie ihre Heimat hatte verlassen müssen, mit Blick auf eine ungewisse Zukunft. So dramatisch ist die Lage für die meisten von uns bei weitem nicht. Und dennoch fühlen wir uns vielleicht müde, überfordert von all dem Wandel gerade und von dem, was er mit uns und unseren Mitmenschen macht.

In der christlichen Ostergeschichte tritt Jesus seinen Jüngern nach 40 Tagen gegenüber, „auferstanden von den Toten“. Er bestätigt ihnen damit, dass er über seinen Tod hinaus mit ihnen verbunden ist. Jesus’ Anhänger waren allerdings keinesfalls sofort begeistert. Sie verlangten nach Zeichen, dass er es wirklich sei, betrachteten ihn mit Furcht und Skepsis. Auch ich selbst bin gerade nicht unbedingt begeistert von all dem Neuen, das in mein Leben einbricht: vieles bedrückt und belastet mich – und nichts davon habe ich selbst gewählt.

Dabei wird mir durch ein Gedicht wie das von Hilde Domin bewusst: ich muss den Blick auf das richten, was gerade jetzt wertvoll und wunderbar ist. Die Supermarktverkäuferin, die meinen Sohn und mich trotz ihres anstrengenden Alltags mit einem Lächeln begrüßt. Freunde, die sich über meinen Anruf freuen. Eine neue Art des Familienlebens: wir sind aufeinander angewiesen, ohne Ablenkungen von außen, und merken, welche Ausdauer und Kraft das in uns mobilisiert.

Diese Wunder der Verbindung sind ebenso real wie die Beschränkungen, die wir gerade erleben. Nein, an staatlich verordnete „Kontaktsperren“, die Einschränkung meiner Grundrechte und Hamsterkäufe will ich mich nicht gewöhnen. Dagegen schreibe ich an, und nutze alle demokratischen Mittel, die mir zu Verfügung stehen (die Öffentlichkeit meines Blogs, Petitionen, Leserbriefe), um dies nicht zu unserer „Normalität“ werden zu lassen.

Aber es gibt ja nicht nur Dinge, die mich blockieren. Meiner Meinung nach schenkt uns Hilde Domin in ihrem Gedicht eine tiefe Wahrheit: wir können das Leben nur so nehmen, wie es ist. Und haben zugleich immer die Wahl. Was uns widerfährt, kann uns bitter machen, uns vor Angst erstarren oder resignieren lassen. Wir können unsere Hand aber auch immer wieder dem Wunder hinhalten, der Verbundenheit und dem Vertrauen.

Wandel ist die Essenz des Lebens. Eben warst du mir noch vertraut, jetzt bist du ganz anders. Eben habe ich meinen Urlaub geplant, jetzt bin ich froh, meinen Alltag zu bewältigen. Eben war alles sicher, jetzt hat mich das Leben aus meiner Normalität gerissen. Dass uns dieser Wandel widerfährt, können wir nicht beeinflussen. Unsere Haltung dazu hingegen schon.

In diesem Sinn: Gesundheit, Zuversicht und Vertrauen euch allen an diesem besonderen Osterfest!

Herzlich, Sarah

[Foto: Pixabay]

7 Gedanken zu „Frohe Ostern!“

    1. Liebe Mitzi, das freut mich! Dann geht es dir wie mir immer wieder bei deinen Texten. Schön, dass einem Worte in dieser Weise begleiten können, oder?🙂 Lg, Sarah

      Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s