Gesellschaft, Persönliches

„Die Gabeln finden Sie an der Besteck-Station!“ (K)ein Lob auf die Selbstbedienung

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Kleiner Blick in die Zukunft, neulich im Café. Einige Monate lang war ich nicht mehr in dem gemütlichen, etwas tüddeligen „Oma-Café“ gewesen, in dem ich jedes Mal zu Mittag aß, wenn ich im entsprechenden Stadtteil etwas zu erledigen hatte. Dort saßen Oma und Opa samt Enkelkind beim Plausch, ebenso wie der ältere Herr, der sich mit einem Becher Kaffee über Stunden in seine Zeitung vertiefte. Ich fühlte mich wohl in der etwas altmodischen Atmosphäre, der Service war langsam, aber nett. Und jetzt?

Neu in Pink

Als erstes fiel mir die komplett neue Farbgebung des Cafés auf. Statt dunklem Grün und etwas angegegilbtem Weiß der Polstergarnituren knalliges Pink.  Dazwischen blitzende chromverkleidete Flächen, alles wirkte weiter, offener und moderner. Soweit so gut. Ich entschied mich, statt eines „Coffee to go“ eine Kleinigkeit dort zu essen. „Ich setze mich ins Café“, erklärte ich somit der Dame am Tresen. „Aber bestellen müssen sie hier“, war die knappe Antwort. Nun gut. Warum lagen dann an allen Tischen die knallig bunten Speisekarten aus? Ich steuerte also auf einen der Tische zu und blätterte noch im Stehen die Karte durch. Dabei fiel mein Blick auf ein getoastetes Brot mit Tomaten, Avocado und einem Spiegelei, das, wie ich dachte, zu Anschauungszwecken in der Vitrine auslag. „So eines hätte ich gerne“, teilte ich der Verkäuferin mit. Sie nickte und machte sich wortlos daran, das Brot aus der Vitrine zu heben. Auf meine Frage „Machen Sie das nicht frisch?“ entgegnete sie ungerührt: „Das haben wir gerade vor zehn Minuten gemacht. Ich wärme es Ihnen auf.“ Ehe ich noch etwas erwidern konnte, hatte sie das Brot samt Teller hinter sich in die Küche gereicht, wo es ihr Kollege Richtung Mikrowelle beförderte. Nun gut, aufgewärmtes Spiegelei… Ich bestellte einen Milchkaffee dazu. Die Dame nannte mir den Preis und beschied mir, ich solle mich setzen, sie bringe Gericht und Getränk vorbei.

Gabeln an der Besteck-Station

Immerhin: Kaum saß ich, kam ihr Kollege aus der Küche. Das Ei war aufgewärmt, der Kaffee frisch aus dem Automaten. Nur Besteck fehlte. Ich stand also nochmals auf und ging zurück zum Verkaufstresen. „Sie haben mir kein Besteck gegeben.“ „Das finden Sie an der Besteck-Station“, so die knappe Antwort. Okay. Inzwischen leicht gereizt ging ich auf die Suche nach der „Besteck-Station“ und wurde am anderen Ende der Theke fündig. Mit Messer und Gabel ausgestattet, konnte ich mich schließlich meinem Röstbrot widmen. Immerhin, es schmeckte auch aufgewärmt noch ganz passabel, so dass ich beschloss, mir zum Kaffee noch einen Nachtisch zu gönnen. Also wieder zurück zum Tresen. Dort musste ich diesmal in der Schlange warten, da gerade einige Laufkundschaft ihre Bestellung abgab. Ich wählte ein Törtchen aus der Vitrine, erhielt es – immerhin auf einem Teller samt Kuchengabel – über den Tresen gereicht und durfte es zurück zu meinem Platz balancieren.

Aus den Augenwinkeln beobachtete ich die drei Verkäufer/innen, die sich hinter dem Tresen auf die Füße traten. Neben einer Küchenkraft waren somit offensichtlich gerade vier Angestellte für den Verkauf sowie die rund zehn Leute im Café zuständig. Bin ich inzwischen selbst altmodisch, dass ich mich fragte, warum es nicht möglich war, dass eine der Thekenkräfte die Bedienung der Kunden im Café übernahm? Bestellung aufnehmen, das Gewünschte bringen samt Servierte und Besteck. Ein Lächeln vielleicht?

Self-Service um jeden Preis?

Im Billigflieger kostet jede Erdnuss, so dass mein Sohn, als wir kürzlich einmal mit Lufthansa flogen, ganz begeistert bemerkte: „Mama, wie nett, hier bekommt man Wasser geschenkt“, als ihm die Stewardess ein Glas Wasser reichte. Im Hotel suche ich mir mein Essen am Buffet zusammen und balanciere es selbst zum Platz, meine Pakete bekomme ich an der Packstation, mein Besteck im Bäckerei-Café inzwischen offensichtlich an der „Besteck-Station“.

Klar, alles möglich. Self-Service perfektioniert. Aber erscheint das nur mir unangenehm an Effizienz und Kostengünstigkeit orientiert? Der Gast bewirtet sich gleich selbst? Vielleicht hatte ich auch nur noch zu deutlich den altmodischen Charme des vorherigen Cafés in Erinnerung. Im Café der Zukunft geben wir vermutlich, wie in einer der einschlägigen Fastfood-Ketten bereits heute, die Bestellung am Touch-Screen im Eingangsbereich ab. Der „Buzzer“, den uns das Personal an der Kasse überreicht, erinnert uns wenig später durch sein Vibrieren, dass wir unser Heißgetränk abholen können. „Personal Service“ am Platz ist bei der Bestellung buchbar, kostet aber extra.

Na dann… trinke ich meinen Kaffee vielleicht bald doch lieber zuhause. Im Sitzen auf dem Sofa statt „to go“ im Café.

Herzlichen Gruß, Sarah

PS. Übertreibe ich? Ist euch diese Entwicklung auch schon aufgefallen und was haltet ihr davon? Wie immer freue ich mich über eure Kommentare!

[Foto: Pixabay]

 

4 Gedanken zu „„Die Gabeln finden Sie an der Besteck-Station!“ (K)ein Lob auf die Selbstbedienung“

  1. Liebe Sarah,
    Du übertreibst nicht. Beim Lesen Deines Beitrags gruselte es mich ein wenig, weil ich mir gerade vorzustellen versuchte, wie ich als blinde Frau in diesem Café zurechtgekommen wäre – nämlich gar nicht. Wer eine Speisekarte nicht lesen kann, ist allein schon aufgeschmissen genug, aber wer sich alles selbst zusammensuchen und durch einen Raum voller Hindernisse tragen muss, ist ausgeliefert. Blinde Menschen sind mit solchen Selbstbedienungsläden einfach überfordert, weil wir uns mit Zeug in den Händen nicht mehr orientieren können, weil dann weder ein Langstock noch ein Blindenführhundgeschirr noch in irgendeiner Hand Platz hat. Ich hätte also dort entweder das Thekenpersonal anbetteln müssen, mich ausnahmsweise doch am Tisch zu bedienen, oder, wesentlich wahrscheinlicher, ich hätte dort einfach nichts konsumiert und der Laden hätte mich als Kundin verloren.
    Gastronomie ohne Service ist für mich nicht nutzbar, abgesehen von der unfreundlicheren und ungemütlicheren Atmosphäre.
    Von mir also Daumen hoch für Deinen Text und Daumen runter für dieses Café – schade, denn wie es vorher war, hörte es sich echt nett an.
    liebe Grüße
    Lea

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Lea,
      danke für deinen Kommentar, der meiner Meinung nach den Artikel um einen wichtigen Aspekt ergänzt. Für mich ist der „Self-Service“ vielleicht lästig und ich empfinde ihn als kühl, aber für andere, wie z.B. Menschen mit einer Seheinschränkung oder auch Rollstuhlfahrer/innen, ist er eine wirkliche Barriere. Ich finde es wichtig, solche „Kleinigkeiten“ im Alltag wahrzunehmen und darauf hinzuweisen. Zum Glück gibt es ja noch andere Cafés!…🙂
      Herzlichen Gruß, Sarah

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  2. Mir macht Kaffee trinken so keine Freude. Das habe ich dann zu Hause gemütlicher, sowohl allein, als auch mit Freundin. Schade, dass immer mehr zur To-Go Mentalität verkommt.

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    1. Liebe Britta, danke für deinen Kommentar! Ja, „to-go“ im Café ist ziemlich sinnlos… zum Glück gibt es ja noch einige Positivbeispiele mit nettem und aufmerksamem Service. Dann eben dort hingehen!😉 Lg, Sarah

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