Gesellschaft, Politik

Pandemie der Ungeimpften? Es gab sie nie!

Grafik „Covid-19 Vaccination Certificate“. Darunter Schriftzug „Vaccinated“


Es ist lange her, dass ich hier auf diesem Blog über die Corona-Pandemie und ihre sozialen „Nebenwirkungen“ geschrieben habe. Jetzt tue ich es noch einmal. Vor wenigen Tagen hat die Berliner Zeitung die kompletten und ungeschwärzten Protokolle des Robert-Koch-Instituts aus der Covid-19 Pandemie veröffentlicht. Warum das rund zwei Jahre nach offiziellem Ende der Pandemie noch wichtig ist? Lest hier!

Was half Menschen in der Corona-Pandemie wirklich?

In den Protokollen steht ganz klar: Auch gegen Covid-19 geimpfte Menschen konnten das Virus (sogar ohne Symptome) in sich tragen und andere anstecken. Das war der Bundesregierung spätestens seit Anfang November 2021 bekannt. Das, unter anderem vom heutigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach mehrfach wiederholte, Narrativ der „Pandemie der Ungeimpften“ war falsch.

In der Pandemie selbst habe ich hier im Blog immer wieder gefragt: Was hilft Menschen wirklich, durch diese schwierige Zeit zu kommen? Und warum verhalten sie sich so, wie sie sich gerade eben verhalten? Denn das Verhalten vieler Menschen in der Pandemie erschreckte mich. Ihr erinnert euch an 3G („geimpft, getestet und genesen“) und ab November 2021 2G („geimpft und genesen“) als Zugangsvoraussetzung zu Lokalen, Veranstaltungen und öffentlichen Einrichtungen? Menschen wurden massiv unter Druck gesetzt, wenn sie sich nicht gegen Covid-19 impfen ließen, durften zum Teil sogar ihren Beruf nicht mehr ausüben. Familienangehörige beschimpften sich gegenseitig als „Impfschafe“ oder „unsoziale Impfgegner“, die wissentlich ihre Mitmenschen gefährdeten.

Ich selbst stand im Herbst 2021 mit meinem einjährigen Sohn in der Kälte vor unserem damaligen Lieblingscafé. Ich hatte mich nach sorgfältiger Abwägung von Für und Wider nicht gegen das Covid-Virus impfen lassen. Daher durfte ich aufgrund der damals geltenden 3G-Regelung das Lokal ohne rund 100€ teuren PCR-Test nicht mehr betreten. Ebenso wenig wie die örtliche Stadtbücherei, viele öffentliche Veranstaltungen und sogar einige Geschäfte. Für Geimpfte war der Zutritt ohne Test möglich. Es war keine schöne Erfahrung. Ich fühlte mich ausgegrenzt, in Bezug auf eine höchst private Entscheidung unter Druck gesetzt und in meiner Freiheit beschränkt. Zugleich war das Narrativ, als „Ungeimpfte“ gefährde ich per se (also ohne krank zu sein und unter Einhaltung sonstiger Schutzmaßnahmen) meine Mitmenschen, äußerst einflussreich und viele glaubten ihm oder trugen die verordneten Maßnahmen zumindest widerspruchslos mit.

2G, 3G und die Spaltung der Gesellschaft

3G („geimpft, getestet und genesen“), ab November 2021 2G („geimpft und genesen“) und damit der Ausschluss von Menschen aus wichtigen Bereichen des sozialen Lebens, wurden vom damaligen Gesundheitsminister Spahn und dem heutigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach öffentlich und wiederholt begründet damit, dass das Covid-19 Virus in jedem Fall von ungeimpften Menschen stärker verbreitet würde als von Menschen, die gegen das Virus (mehrfach) geimpft waren. Genau das ist aber offenbar falsch.

Im Protokoll des Robert-Koch-Instituts vom 5. November 2021 (S. 8) steht:

„In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt. Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden?“

Einige Absätze weiter (S. 11) steht zudem explizit, in den ersten zwei Wochen bis zwei Monaten nach der Impfung bestehe ein sehr guter Schutz, nach diesem Zeitfenster sei der Schutz deutlich geringer, Geimpfte könnten sich infizieren und seien damit auch wieder potentiell ansteckend (und zwar ggf. ohne äußere Symptome):

„Die Erwartung ist, dass die meisten Geimpften nicht oder nur leicht symptomatisch sind, dass sie aber durchaus hohe Viruskonzentrationen im
Nasen-/Rachenraum aufweisen und kontagiös sind. […] Man sollte dementsprechend sehr vorsichtig mit der Aussage sein, dass Impfungen vor
jeglicher (auch asymptomatischer)
Infektion schützen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Impfung trifft dies immer weniger zu.“

Wurden diese Informationen des RKI seitens des Gesundheitsministeriums berücksichtigt – oder gar kommuniziert? Die Antwort ist offensichtlich Nein. Denn bis Anfang 2022 wurde das Narrativ der geschützten und nicht mehr ansteckenden Geimpften und umgekehrt der „gefährlichen“ Ungeimpften weiter massiv verbreitet, mit bedenklichen gesellschaftlichen Konsequenzen. Um es in aller Klarheit zu sagen: Die Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen, die nicht gegen Covid-19 geimpft waren, wurde von der Regierung Deutschlands zu diesem Zeitpunkt in Kauf genommen, bzw. sogar legitimiert, mit der Begründung, dies diene dem Schutz der gesamten Bevölkerung.

Massiver Druck auf ungeimpfte Menschen

Die Folge? Menschen ließen sich reihenweise gegen das Virus impfen und alle sechs Monate „boostern“, einige, weil sie tatsächlich vom Nutzen der Impfung für sich und andere überzeugt waren. Viele aber ab Ende 2021/Anfang 2022 vor allem, um wieder ins Theater gehen zu können, Freunde unbeschwert treffen zu dürfen – oder, schwerwiegender, ihren Job nicht zu verlieren und einfach nicht mehr weiter sozial ausgegrenzt zu werden.

Warum die Bundesregierung und insbesondere das Bundesgesundheitsministeriums den Druck auf ungeimpfte Menschen aufrechterhielt und Ende 2021 durch 2G sogar noch verstärkte, obwohl das RKI dies zum damaligen Zeitpunkt laut der nun bekannten Protokolle als nicht sinnvoll erachtete? Damit sollte sich meiner Meinung nach ein Untersuchungsausschuss beschäftigen.

In Deutschland gab es zu keinem Zeitpunkt eine offizielle Impfpflicht. Die Repressalien gegen ungeimpfte Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche – wurden pandemisch begründet. Was, wenn der Grund dafür offenbar gar nicht gegeben war? Und die dafür Verantwortlichen schon relativ früh davon wussten? Was legitimierte die genau zu diesem Zeitpunkt verordneten freiheitsbeschränkenden Schutzmaßnahmen?

Werden die Protokolle Konsequenzen haben?

Auch das ist der Wert der Demokratie, in der wir leben: Dass Informationen wie die oben genannten veröffentlicht werden können, ohne dass die „Botin“, in dem Fall die Journalistin, die diese recherchierte, dafür diffamiert oder bedroht wird. Und dass diese Erkenntnisse (juristische) Folgen haben werden. Hoffentlich.

Welche Konsequenzen sich aus den nun veröffentlichten Protokollen und der Berichterstattung darüber tatsächlich ergeben? Ob sich daraus Konsequenzen ergeben? Oder wir als Gesellschaft lieber vergessen und verdrängen? Wir werden es sehen. Ich werde es jedenfalls mit Interesse verfolgen.

Wie seht ihr das? „Schwamm drüber“ oder politische Fehlentscheidungen während der Pandemie aufarbeiten mit entsprechenden – auch personellen – Konsequenzen?

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

2 Gedanken zu „Pandemie der Ungeimpften? Es gab sie nie!“

  1. Puh! Schweres Thema. Ich bin absolut für Aufarbeitung, denn ich kann nicht vergessen! Erst letztens saß ich meiner Freundin gegenüber und verstand die Welt nicht, als sie sagte, für sie sei das Thema abgehakt. Ich bin eine ungeimpfte Krankenschwester und alleinerziehende Mama eines damals Kindergarten- und eines Schulkindes. Ich habe es nur durchgestanden, weil ich so viele Freunde und Arbeitskollegen um mich hatte, die genauso dachten wie ich. Wir haben uns Mut gemacht. Es war die Hölle! Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass ich definitiv ein Trauma davongetragen habe. Ich vergesse nicht.

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    1. Danke für deinen Kommentar! Mich persönlich hat vor allem erschreckt, wie bereitwillig Menschen während der Pandemie andere Menschen ausgeschlossen und zum Teil auch verurteilt haben. Immer mit der Annahme, damit das „Richtige“ zu tun. Es ist vermutlich schwierig, dieses Verhalten im Nachhinein zu reflektieren, ohne sich schuldig zu fühlen. Es ist aber wichtig, wenn wir nicht (immer) wieder als Gesellschaft dem Mechanismus folgen wollen, Menschen oder Menschengruppen zum „Sündenbock“ für komplexe gesellschaftliche Probleme zu machen.

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