Familie, Gesellschaft

Sommerzeit: Wo ist bloß die Zeit geblieben?

Teddybär mit geschlossenen Augen.


Passend zur Sommerzeit hat der Winter noch einmal Einzug gehalten. Raureifglitzernde Geländer laden auf dem Weg zu Kindergarten und Schule zum Spielen ein. Mit den Fingerspitzen kratzen meine Jungs über die weiße Pracht – uuuh… kalt! Dass die zwei kurz nach sieben schon so vergnügt draußen unterwegs sind – nun, dem ging volle Konzentration meinerseits in der Stunde davor voraus… denn gegen 6.30 Uhr waren sie erst einmal nur eins: müüüüde. Kein Wunder, gefühlt war es ja eine Stunde früher, kurz nach der Umstellung auf Sommerzeit.

Sommerzeit und Winterzeit. Was ursprünglich die wirtschaftliche Produktivität erhöhen und den Energieverbrauch senken sollte, da Arbeitnehmer:innen nun noch eine Stunde länger im Hellen tätig sein konnten – letztlich bringt es nicht viel mehr, als jedes Jahr wieder drei bis vier Tage lang die spürbare Verwirrung: wo ist die Zeit hin – und was soll das alles?

Abends hellwach, morgens verschlafen…

Als Mutter sind meine Kinder nach der Zeitumstellung abends um acht, zu ihrer eigentlichen Zubettgehzeit, noch hellwach. Kein Wunder – ihr Körper signalisiert ihnen: eine Stunde früher. Und hell ist es draußen noch dazu. Oder wie mein Großer sagt: „Jetzt ins Bett, Mama? Es ist doch noch Mittag!“… Dafür dann morgens das Aufstehen im Halbdunklen, gefühlt eine Stunde zu früh – es fällt uns allen nicht leicht. Also kuschle ich als Mama mit meinen Jungs, dann gibt es warmen Kakao – alles für mich mit der Uhr im Blick, deren Zeiger erbarmungslos schnell voran rücken. Ja, ohne das Ganze dramatisieren zu wollen – auf den Zeitdruck am Morgen, das ständige „Antreibenmüssen“ meiner Kinder, könnte ich gut verzichten. Sie vertiefen sich in ihr Spiel, albern herum – je hektischer ich werde, umso aufgedrehter werden sie.

Damit bleibt mir, schon zum Selbstschutz, nur übrig, selbst langsam zu machen. Ich stehe, soweit möglich, etwas vor ihnen auf oder dusche, auch wenn sie um mich herumtoben, erst mal stoisch. Danach das gemeinsame Frühstück, wenn auch nur für zehn Minuten, die Brotdosen sind schon am Vorabend gepackt und liegen im Kühlschrank bereit. So bleibt am Ende an guten Tagen noch Zeit für den Extra-Knuddler vor dem Losgehen oder das schnell verarztete Knie, wenn sich beim Toben einer gestoßen hat. An schlechten Tagen endet das Ganze in Gegrummel, Geschwisterzank und genervten Blicken meinerseits. Denn: WIR MÜSSEN LOS!

Als Familie im Zeitkorsett

Dass wir als Familien uns in das feste Zeitkorsett aus Arbeit, Schul- und Kindergartenzeiten fügen, ist ein Teil unserer „Zivilisation“ und Kultur. Manchmal kommt es mir, wenn ich ehrlich bin, aber einfach nur primitiv vor. Was hier den Takt vorgibt, sind nämlich keineswegs die Bedürfnisse derjenigen, die angeblich die Errungenschaften dieser Zivilisation genießen. Es ist doch eher stumpf das Interesse, dass wir ordentlich funktionieren. Mama und Papa im Job, die Kinder in der Schule – und schon die Kleinsten leben im Kita-Takt. Wenn Essenszeit ist, wird gegessen – in der Spielzeit gespielt, in der Schlafenszeit geschlafen – und wehe, einer kann oder will nicht: das bringt den ganzen Betrieb durcheinander. 

Unsere Kinder lernen schon sehr früh, dass nicht sie selbst, sondern das Außen den Takt vorgibt. Bis zum Alter von etwa sechs oder sieben Jahren entziehen sie sich dem noch nonchalant. Zeitdruck, pünktlich sein müssen, was ist das? Nun – spätestens im Grundschulalter, wenn sie zum ersten Mal vor der verschlossenen Tür des Gebäudes stehen, in dem der Unterricht fünf Minuten zuvor begonnen hat, begreifen sie, was in unserer Kultur wirklich zählt – pünktlich sein. Im Takt. Und das möglichst von klein auf.

Als Lehrerin von Menschen aus anderen Kulturen habe ich viele Jahre lang immer wieder gehört: „Was ist typisch für euch Deutschen?“ – „Die Pünktlichkeit!“

Jetzt, wo mir durch die Zeitumstellung der Takt der Uhr wieder besonders laut in den Ohren klingt, denke ich: schön blöd, dass wir uns so bestimmen lassen. Dass wir mitrennen. Jeden Morgen wieder. Und als Erwachsene die Anspannung, pünktlich und nicht „zu spät“ zu sein, so ungefiltert an unsere Kinder weitergeben. 

Aber was ist die Alternative? Ideen herzlich willkommen!

Die Autorin ist Lehrerin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen und Mutter eines Kindergarten- sowie eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

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