
Nach einer Trennung dem gemeinsamen Kind den Kontakt zu beiden Elternteilen gleichermaßen zu erhalten, ist der Wunsch vieler Eltern, die als Paar getrennte Wege gehen. Einfach ist das oft nicht. Es müssen Wege gefunden werden, wie die Abgrenzung vom anderen gelingt, während der Kontakt wegen des Kindes weiter besteht. Noch immer sind weit über 90 Prozent der Alleinerziehenden Frauen, das heißt, die Kinder leben im Alltag bei der Mutter und sehen ihren Vater nur ab und zu. Viele Väter wünschen sich auch nach der Trennung regelmäßigen Kontakt zu ihren Kindern. Manchmal bestimmen aber eher die Bedürfnisse der Erwachsenen als die des Kindes, wie der Umgang sich gestaltet. Darüber schreibt Sovely, alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Sohnes, in ihrem Gastbeitrag.
Nicht der Papa
Es gab mal einen Zeichentrickfilm, in dem der Papa mit „Nicht die Mama“ gerufen wurde. Das hat sich in meinem Kopf festgesetzt. Heute bin ich „Nicht der Papa“. Als alleinerziehende Mama bin ich sogar noch vieles mehr. Ich bin alles, und eben auch „Nicht der Papa“.
Mein Minime sieht seinen Papa maximal alle 2-3 Monate. Im Corona-Jahr hat Papa sich tatsächlich über ein Jahr nicht blicken lassen. Geschenke kommen, wenn er es will, was auch immer er für richtig hält. Was seinem Sohn wichtig ist, muss nicht ihm wichtig sein. Besondere Feiertage seines Sohnes sind nur manchmal relevant. Die Einschulung fand für Papa erst statt, als Minime sich enttäuscht bemerkbar gemacht hat. Oft genug hat er sich Wochen lang gar nicht gemeldet. Er ist eben nur Papa, wenn er es will. Ein Papa, der nur selten glänzt. Ein Papa, der sich wiederum gern mit seinem Sohn schmückt und sich freut, wie toll er ist und was er ihm Tolles vererbt hat. „Nicht der Papa“ steht sich selbst am nächsten, Minime scheint keine Priorität zu sein. Ansprüche darf man nicht stellen, er zahlt schließlich Unterhalt und damit ist doch alles abgegolten. Nicht der Papa… So ist die harte Realität.
Sehnsucht und der Umgang damit
Mama ist ganz anders. Mir blutet das Herz. Oft spüre ich, wie es leise dahin plätschert, wenn der Egoismus und die Ignoranz von „Nicht der Papa“ mich erneut sprachlos machen. Minime muss für sich lernen einzuschätzen, woran er ist. Das ist schwer für ein Kind. Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Ich kann nur da sein, neutral und ruhig zuhören oder Trost spenden. So wie ich es immer tue. Er ist mein Minime. Mein Ein und Alles. So ist das mit dem Mama-Gen. Minime first. Für mich eine ganz bewusste Entscheidung.
Nachdem „Nicht der Papa“ kürzlich abgereist war, äußerte sich Minime nachdenklich: „Ich vermisse Papa jetzt schon.“ Minime vermisst einen Papa, den er nie hatte und der selten präsent ist. Das bringt mich ins Grübeln: Minime kennt unser Familienleben als ein kleines Zuhause zu zweit, plus Oma und Opa. Es war nie die Bilderbuch-Familie mit Mama und Papa und einer heilen Musterwelt, so wie es im herkömmlichen Sinne wäre. Mir war nie bewusst, dass Minime etwas vermissen könnte, was er nie hatte und eigentlich gar nicht kennt.
Familienbilder in vielerlei Form
Doch die Umwelt prägt uns, meist mehr als man annimmt. Bereits während der Kindergartenzeit musste Minime beobachten, wie andere Väter ihre Kinder abholten. In der Schule ist es auch so. Er sieht die Papas der anderen, wie sich diese in den Familienalltag einbringen. Unbemerkt absorbiert er das Leben der anderen Kinder. Mama und Papa ist dadurch ein Selbstverständnis. Ohne mein Dazutun hat sich ein Familienbild fest verankert.
In meinem Kopf hingegen gibt es viele verschiedene Familienkonzepte. Ich bin der Welt gegenüber aufgeschlossen, und so bin ich dabei, Minime die Welt zu erklären und ihn zu sensibilisieren, dass es da draußen so viel mehr gibt… Bei uns gibt es also „Nicht der Papa“.
Habt ihr als Alleinerziehende ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie gestaltet ihr den Kontakt zum anderen Elternteil? Was stärkt, was schwächt euer Kind dabei?
Herzlichen Gruß, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)
Wer schreibt?
Sovely bezeichnet sich als „alte, rastlose Seele und mutige Löwen-Mama“, die mit Mitte 40 das Leben mit sich und ihrem Sohn genießt. Ihre Website und Blog www.MurmelMeister.com sieht sie als „kreativen Spielplatz“, der die Augen für das Schöne im Alltag öffnet und zugleich Herausforderungen zeigt, die wiederum die Möglichkeit zu Wachstum beinhalten. „Erst wenn man sein Leben versteht und zu diesem steht, kann man über seinen eigenen Tellerrand hinaus wachsen“, so die Autorin.
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Liebe Sarah, hab herzlichen Dank für die Veröffentlichung auf Deinem Blog. Herzliche Grüße, Sovely
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Liebe Sovely, sehr gern! Passt vom Thema her ja wunderbar hierher. Liebe Grüße, Sarah
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Schwieriges Thema, aber schön, dass ihr was zusammen schreibt 😉
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Zum Glück gibt‘s ja viele Väter, die sich auch nach einer Trennung weiter liebevoll für ihre Kinder einsetzen. Aber leider auch welche, die‘s nicht tun. Wer diese Lücke dann irgendwie kompensieren muss, sind die Mütter (oder auch Großeltern, Onkel, andere Bezugspersonen) dieser Kinder – und das ist sicher oft tatsächlich schwierig, da stimme ich dir zu. Gerade, wenn das Kind den Vater offenbar gern häufiger bei sich hätte.
Danke fürs Kommentieren und viele Grüße! Sarah
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Danke für diesen schönen Beitrag. Leider sind wir auch in der Situation OHNE den Papa leben zu müssen. Mehr als alle paar Wochen ein Anruf oder ab und an eine WhatsApp-Nachricht kommt nicht. Selbst am Geburtstag des Kindes nicht. Für mich als Mama besonders schwer, weil mir ein solches Verhalten zutiefst verwerflich erscheint und weil ich es mir als Mama absolut nicht vorstellen kann, mich derart egoistisch zu verhalten. Für mich ist die Ignoranz und das Desinteresse des Papas tatsächlich die größte Herausforderung der Trennung und der Schmerz meines Kindes belastet mich teilweise mehr als mein eigener Schmerz.
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Liebe Miriam,
danke für deinen Kommentar! Ich denke, jeder Elternteil, der die Beziehung zu seinem Kind aktiv pflegt, kann deine Wut und deinen Schmerz verstehen. Vermutlich hilft nur das Vertrauen – wie auch Sovely es formuliert – dass dein Kind seinen Weg finden wird, mit der Situation umzugehen. Und dass du ihm das Beste gibst, was du ihm geben kannst: deine eigene unbedingte Liebe und dass du immer für es da bist!
Herzlichen Gruß, Sarah
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