Familie, Persönliches

Der Tod gehört zum Leben. Wie wir mit unseren Kinder über das Sterben sprechen können

Bild aus Kinderbuch: Junge spielt „tot sein“.
„Uwe übt.“

„Mama, wirst du weinen, wenn ich tot bin?“, fragt mich mein Fünfjähriger vor ein paar Tagen unvermittelt, nur um hinterherzuschieben: „Ich würde weinen, wenn du tot wärst, hundert und tausend Mal… bis zum Wochenende!“ Ich sehe ihn verwundert, gerührt und etwas besorgt an. Dann muss ich lachen: „So schnell sterben wir aber hoffentlich beide nicht“, bemerke ich. Und: „Natürlich würde ich weinen. Sehr sogar!“ Wir umarmen uns einmal fest, dann spielt mein Sohn weiter, als sei nichts geschehen.

Corona bringt nicht nur Lockdowns, Homeschooling und viele Fragen mit sich. Das Virus bringt uns auch mit der Möglichkeit zu erkranken oder gar zu sterben in Berührung. Den Tod zu vermeiden, das ist das erklärte Ziel all der Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen. Dafür schränken wir uns ein, dafür treffen unsere Kinder zum Teil ihre Großeltern seit Monaten nicht mehr, erleben eine ganz neue Alltagsstruktur ohne Kindergarten oder Präsenzunterricht und bekommen zugleich unsere Gespräche und Sorgen mit.

Sollten wir sie dabei möglichst fernhalten von allem, was uns beschäftigt? Wie erklären wir Kindern im Kindergarten- und Vorschulalter „schwere Themen“ wie Krankheit oder Tod? Sind diese Themen für sie überhaupt schwer, oder haben sie zum Werden und Vergehen des Lebens noch ein viel unbefangeneres Verhältnis als wir selbst?

Der Tod – die große Unbekannte 

Mit 30, vielleicht sogar mit 40 oder 50 Jahren, haben wir Eltern oft noch keinen Toten persönlich gesehen. Vielleicht waren wir noch Kinder, als unsere Großeltern verstorben sind und unsere eigenen Eltern sowie enge Freunde und Verwandte leben noch. Dann ist der Tod für uns womöglich etwas Abstraktes, das wir je nach Haltung fürchten, mit vorsichtiger Neugier betrachten oder aus unserem Leben auszuklammern versuchen

Oder aber wir sind schon früh mit dem Tod naher Angehöriger konfrontiert worden. Dann prägt unsere Erfahrung unsere Haltung dem Sterben und der Vergänglichkeit gegenüber. Hat uns selbst der Tod einen lieben Menschen plötzlich, oder aber Stück für Stück, genommen? Durften wir trauern oder wurde der Verlust totgeschwiegen? Wie wurde über den Verstorbenen gesprochen? Als sei er vollkommen verschwunden, oder als lebe noch etwas von ihm – die Erinnerung an ihn, die Folgen seines Handelns, seine Seele – in dieser Welt weiter? Ist uns das Sterben selbst in einem größeren Kontext begegnet, als in irgendeiner Weise schicksalshaft, womöglich gar als Wille einer höheren Instanz? Wurde versucht, auch im Verlust etwas Sinnhaftes zu sehen, wie z.B. die Möglichkeit zu persönlichem Wachstum, die Gelegenheit, eigene Stärke zu erkennen oder Zusammenhalt innerhalb der Familie zu erfahren? Oder fühlten wir uns allein gelassen und konnten nur glauben, dass uns der Verstorbene sinnlos genommen worden war? 

Ich bin sicher, unsere eigenen Erfahrungen mit dem Tod und dem Sterben geben wir an unsere Kinder weiter. Wie reagieren wir, wenn wir beim Spaziergang ein totes Tier auf der Straße sehen? Ziehen wir unser Kind weiter, signalisieren wir ihm, hier sei etwas Schmutziges und Unangenehmes? Oder bleiben wir stehen, sehen uns die blicklosen Augen genau an, betrachten das schimmernde Fell und die noch unversehrten Federn – oder aber die Verletzungen, an denen das Tier gestorben ist?

Kinder nähern sich Tod und Sterben unbefangen

Ohne unsere spontane Abwehr wenden sich gerade kleine Kinder noch voller Neugier und Interesse den Dingen zu, die wir Erwachsenen möglichst zu umgehen versuchen: Exkrementen ebenso wie Blut oder Zeichen der Verwesung wie krabbelnden Insekten, die den Kadaver zu verarbeiten beginnen. 

Erfüllen dich diese Sätze mit Unbehagen? Ich denke, bereits dadurch wird deutlich, wie tabuisiert der Tod in unserer Gesellschaft leider ist. Alte und Kranke sterben fern von uns in Pflegeheimen und auf Intensivstationen und die Medien vermitteln Tod und Sterben meist nur als Schicksalsschlag, in Form dramatischer Unfälle, erschreckender Leidensgeschichten oder Verbrechen.

Erst wenn wir dem Tod direkt begegnen, wird uns offensichtlich vor Augen geführt, dass alles Leben endlich ist. Wir können es in den Augen unserer Kinder lesen, die mit Mitgefühl und Interesse diese Erfahrung machen, bei einem Haustier oder falls ihre Großeltern schon früh versterben, auch mit Trauer und Schmerz. 

So, wie mein Sohn nur kurz nach seiner Frage ganz unbeschwert sein Spiel wieder aufnahm, so ist der Tod für unsere Kinder erst einmal etwas, was natürlich zum Leben gehört. Zum Schrecken, gar zum Tabu, machen erst wir Erwachsenen ihn. Vielleicht sollten wir daran denken, wenn unser Kind das nächste Mal mit uns über das Sterben reden möchte. 

Herzlichen Gruß, Sarah (mutter-und-sohn.blog)

[Foto: „Was machen die Jungs“ von Nikolaus Heidelbach, Beltz-Verlag]

3 Gedanken zu „Der Tod gehört zum Leben. Wie wir mit unseren Kinder über das Sterben sprechen können“

  1. Mit den eigenen Kindern über den Tod zu sprechen, ist sicherlich für alle Eltern eine emotionale Herausforderung. Schließlich ist es schon nicht einfach, sich selbst mit dem Tod auseinanderzusetzen. Dennoch führt kein Weg daran vorbei, sich ab einem bestimmten Alter mit dem Thema Bestattungsvorsorge zu befassen. Diese Aufgabe wird nicht umsonst von dem meisten Erwachsenen gerne verdrängt.

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