Kürzlich sagte ein Bekannter zu mir:
„Vor dunklem Hintergrund leuchten helle Farben umso stärker.“
Wir hatten uns über Trennungen unterhalten, über die damit einhergehenden Verletzungen und was sich daraus für das weitere Leben ergeben kann.
Allein die Frage „Was kann sich daraus ergeben?“ legt ja bereits zwei Dinge nahe:
- Der Schmerz ist nicht der letzte Teil des Weges.
- Der Schmerz ist Teil des Weges.
Ich möchte hier eine kleine „Meditation“ versuchen über den seelischen Schmerz sowie den Versuch, einen Weg aus diesem Schmerz zu beschreiben, anhand dreier „Wegweiser“: Klarheit – Gelassenheit – Freude.
Klarheit
Am Anfang ist alles. Und nichts ist klar. Ich spreche von Momenten, in denen du in Aktionismus verfällst, um nicht fühlen zu müssen; – oder ganz erstarrt bist und meinst, nie mehr fühlen zu können. Momente, in denen du Schokolade frisst, weil sonst nichts süß und verfügbar ist. Weil es in dir ächzt nach der Berührung des einen, geliebten Menschen, der dich nicht mehr berührt. Momente, in denen du dich nicht wiederkennst, in denen alles roh ist und geöffnet und du ausbrichst in heiße Wut oder haltloses Schluchzen. In denen alles, was geordnet war, auf einmal nicht mehr wahr ist und du keine Ahnung hast, wie du von hier aus je wieder einen „Weg“ finden sollst. Die Schweizer Psychologin Verena Kast nennt diese Zeiten das „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ und das anschließende „Aufbrechen der Gefühle“.
Was hilft?
Ich würde sagen: Raum. Gib ihn dir selbst, so dass alles sein darf, was ist (Wut, Verhandelnwollen, Sehnsucht oder Schmerz). Und wenn du bei einer oder einem bist, der durch diese Zeit geht, lass alles da sein, was dir entgegenschlägt. Zorn, Trauer, Verletztheit: Bewerte nicht, gib keine Ratschläge, sei ein stiller, liebevoller Begleiter. Ein klarer Himmel entsteht nicht dadurch, dass man die Wolken zurückhält, sondern dadurch, dass sie sich ausregnen können!:-)
Gelassenheit
Wenn du aus dem Nicht-Wahrhaben-Wollen, dem Zorn und dem Hadern heraus bist, kommt oft eine Phase, die kaum leichter zu ertragen ist: du bist erschöpft. Es reicht. Du meinst, deine Kräfte schwinden: nach zwei, drei, fünfzehn Monaten Kampf mit dir, dem Ex-Partner, dem Leben, geht jetzt nichts mehr. Du drohst in tiefe, lähmende Trübheit zu versinken. Weniger Trauer als bittere Lethargie: „Wozu das alles?“ „Warum weitermachen?“ „Es ist so schwer, ich will keinen Schritt weitergehen“.
Was hilft?
Ich würde sagen: Zeit. Gib sie dir selbst, so dass du merken kannst: auch die lähmendste Erschöpfung ist immer nur ein „Zwischenstand“. Und wenn du eine oder einen begleitest, der durch diese Zeit geht: er oder sie muss nichts „machen“. Der Weg zeigt sich ganz von selbst, er oder sie muss jetzt gerade nicht „tatkräftig“ sein. Manchmal steht einfach geduldiges Warten an. Gras wächst nicht schneller, wenn man an ihm zieht.
Freude
Und dann lichten sie sich tatsächlich, ganz allmählich, die dunklen, tief hängenden Wolken und eine Ahnung – endlich wieder – von Leichtigkeit hält Einzug in dein Leben. Plötzlich hast du gelacht, richtig aus dem Herzen heraus, wie seit Monaten nicht mehr. Oder du isst ein Eis in der Sonne an einem Ort, an dem ihr schon einmal gemeinsam wart und da ist auf einmal vor allem das Eis – und nicht mehr der Schmerz darüber, dass ihr nicht mehr gemeinsam dort seid.
Was hilft?
Was hilft dieser ersten, wieder aufkeimenden Leichtigkeit? Freu dich an ihr! Nimm sie an, ohne Hintergedanken. Ohne Furcht: das kann doch gar nicht sein?Auch ohne Schuldgefühle: das darf doch gar nicht sein!… Und wenn du einen oder eine durch diese Zeit begleitest: freu dich mit an jedem zarten Pflänzchen. Es wächst schon allein dadurch, dass du diese Freude teilst!
Und so kehrst du am Ende vielleicht tatsächlich zu der Erkenntnis zurück:
„Vor dunklem Hintergrund leuchten helle Farben umso stärker.“
Und:
Der Schmerz ist Teil des Weges.
Der Schmerz ist nicht der letzte Teil des Weges.
In diesem Sinn: herzlich alles Gute auf deinem Weg!
Weitere Informationen zu den Trauerphasen nach Verena Kast sowie Hinweise für den Umgang mit Trauer bei Kindern findest du hier.