Familie, Gesellschaft

Dazugehören: Warum es so wichtig ist – und wir es Menschen nicht verwehren sollten

Mädchen am Strand von hinten, das Muscheln sammelt.


„Du darfst nicht mehr mitspielen!“ „Hab sowieso keine Lust mehr, spiel doch allein!“ Betrachte ich meine Kinder, merke ich, wie wichtig Zugehörigkeit für sie ist. Die größte „Strafe“, die ihnen einfällt, ist, dem anderen das Mitmachen zu verwehren oder ihm oder ihr gleich ganz die Freundschaft zu kündigen – zum Glück oft nur für die nächsten zehn Minuten. Aber gilt, was für unsere Kinder wichtig ist, letztlich nicht für uns alle? Was macht es mit uns, wenn uns dauerhaft die Zugehörigkeit verweigert wird? Ein Thema, das mich aktuell, auch vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung unserer Gesellschaft, stark beschäftigt. 

Gehörst du dazu? Ja oder nein?

In einem interessanten Blogpost lese ich das Beispiel einer Kirchengemeinde, die Neuankömmlingen den Zutritt mehr als schwer macht. Trägt er oder sie die „richtige“ Kleidung? Vertritt er oder sie die erwünschte Meinung? Ist er oder sie gläubig genug? Was dem christlichen Glauben der Nächstenliebe diametral entgegensteht, nämlich das Urteil und die Abwertung anderer und die damit einhergehende Abgrenzung vom „bösen Außen“, ist gerade für konservative Gemeinden durchaus normal. Der Blogpost spannt von hier aus den Bogen zur Offenheit – oder eben Verschlossenheit – unserer Gesellschaft im Ganzen. Heißen wir also zum Beispiel Menschen, die aus Notsituationen heraus zu uns kommen, willkommen – oder machen wir ihnen das Ankommen möglichst schwer? Warten sie wochen- bis monatelang gezwungenermaßen in Flüchtlingsunterkünften, bis ihr Antrag auf Asyl überhaupt bearbeitet wird? Dürfen sie sich innerhalb unseres Landes frei bewegen, eine Arbeit ausüben, oder erwarten wir, dass sie sich erst möglichst komplett an die deutsche Kultur anpassen,  bis sie die Tür zu unserer Gesellschaft passieren dürfen? Wie wiederum soll genau das passieren, wenn wir ihnen den Zugang dazu massiv erschweren?

Ich frage mich in diesem Zusammenhang, ob diejenigen, welche die Hürden für „Fremde“, sei es in einer Gemeinde oder in Deutschland im Ganzen, möglichst hoch sehen wollen, begeistert wären, gälte für sie in einer ähnlichen (Not-) Situation dasselbe. Man braucht sich nur vorstellen, man wäre selbst zugezogen – oder eben zugewandert: Wie würde es sich wohl anfühlen, monate- bis jahrelang als Bitt- und Antragsteller/in vor „verschlossenen Türen“ zu stehen? 

Wenn dein Name dich ausschließt…

Aber wir brauchen noch nicht einmal so weit nach „außen“ blicken, um Mechanismen der Abgrenzung und des Ausschlusses wahrzunehmen. Auch hier in Deutschland entscheiden dein Name, dein Geschlecht, deine Herkunft, leider auch dein Familienstand und dein Einkommen darüber, ob du zum „Inner Circle“ gehörst, ob du Zugang zu wirklich guter Bildung erhältst, beruflich erfolgreich wirst und über die notwendigen Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe verfügst. Natürlich, es gibt strahlende Ausnahmen: Die türkisch stämmige Herzchirurgin aus der Gastarbeiterfamilie. Der Minister im Rollstuhl, die alleinerziehende Unternehmenschefin. Aber sie entkräften nicht die Regel, die in Deutschland leider auch heute noch gilt: Gehörst du nicht qua Geburt und Herkunft zum inneren Kreis der weißen, wohlhabenden Bundesbürger, musst du als Eingewanderte/r (oft auch der zweiten und dritten Generation), als Frau, als Kind aus sozial schwachem Milieu, als Mensch mit nicht heterosexueller Identität, als Mensch mit Handicap oder chronischer Erkrankung, doppelt gut sein, um dasselbe zu erreichen wie die, die von Anfang an selbstverständlich dabei sind. 

Das fühlt sich nicht nur für die, die immer wieder darum kämpfen müssen, dazuzugehören, übel an. Auch diejenigen, die zum „Inner Circle“ gehören, nehmen sich dadurch die Chance, ihren Blick zu weiten und neue und befruchtende Perspektiven kennen zu lernen. Und nicht zuletzt sorgt die Frustration, die aus dieser Ungleichbehandlung von Menschen entsteht, zu nicht geringen Spannungen in unserer Gesellschaft. Populisten, die sich als Vertreter/innen der ungerecht Behandelten aufspielen, profitieren davon.

Kindern die jeweils andere Seite zeigen

Meinen Söhnen versuche ich, wenn sie einander wieder einmal nicht mitspielen lassen wollen, zu vermitteln, wie sich das für die jeweils andere Seite anfühlt und welche anderen Möglichkeiten sie haben, sich mit ihrem Anliegen zu behaupten. Dem anderen zuzuhören, seine oder ihre Sichtweise zu erfahren, mit offenem Ergebnis zu verhandeln – das ist nicht nur für denjenigen wertvoll, der neu dazu stößt; auch für denjenigen, der bereits dabei ist, zuhört und fragt. 

Meiner Meinung nach sollten wir das nicht nur unseren Kinder vermitteln, sondern auch als grundlegenden Wert unserer Gesellschaft erkennen. Wir sind, insofern wir zum „Inner Circle“ der weißen, gebildeten und wohlhabenden Bundesbürger/innen gehören, sehr privilegiert. Lasst uns dieses Privileg für  selbstbewusste Offenheit nutzen – wir brauchen nicht aus Angst heraus Menschen die Tür vor der Nase zu verschließen. 

Was bedeutet Zugehörigkeit für dich und wie gehst du auf Menschen zu, die anders sind als du? Schreibe es gern in die Kommentare!

Herzlich, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

7 Gedanken zu „Dazugehören: Warum es so wichtig ist – und wir es Menschen nicht verwehren sollten“

  1. Liebe Sarah, das kann ich unterschreiben. Ich bin aber – wie ich es ja auf meinem Blog auch immer wieder schreibe – der Meinung, dass man / frau auch denen, die du hier als „Populisten“ bezeichnest; die Zugehörigkeit nicht verwehren sollte, weil sie eine einem falsch erscheinende Meinung vertreten.
    Sondern, dass man / frau im Sinne einer wirklich gelebten Demokratie und gegenseitiger menschlicher Wertschätzung gerade auch denen zuhören sollte, deren Ansichten man / frau zunächst mal (reflexartig) abgelehnt hat, weil sie so anders als die eigenen sind.
    Herzliche Grüße und schönes Wochenende
    Maren

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    1. Nun, Zuhören gern. Klares Widersprechen gegebenenfalls genauso gern. Zumindest dort, wo Lösungen auf Kosten von Menschen versprochen werden. Um den Preis ihrer Ausgrenzung und indem sie zum „Bösen anderen“ gemacht werden. Das erregt immer meinen Widerspruchsgeist. Recht unabhängig davon, wer sich gerade – aus welchen Beweggründen heraus – solcher Propaganda bedient.
      Vielleicht noch zur Erklärung: Ich bin überzeugt, dass die Menschen, die am klarsten die Schatten bei anderen sehen, sich ihrer eigenen Schattenseiten oft am wenigsten bewusst sind. Wer seine eigenen Untiefen, seine Ambivalenz und Fehlerhaftigkeit gut aushält, dem fällt das auch in Bezug auf andere nicht schwer und er hat ihre Abwertung gar nicht nötig. Genau daran mangelt es aber Menschen, die klare Feindbilder kultivieren, meiner Meinung nach oft.

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  2. Liebe Sarah,

    danke! Da, wo ich nur angerissen habe, hast du weitergedacht. Wunderbar, deinen Beitrag werde ich auch mal direkt verlinken (obwohl ich gerade im Pausenmodus bin, aber das muss jetzt sein).

    Viele Grüße

    Anja

    Gefällt 1 Person

  3. Danke für diesen wirklich lesenswerten Post. Ich habe beinahe vierzig Jahre lang in der Gastronomie gearbeitet, bin mit Menschen aus allen Ländern der Welt zusammen gekommen, entweder als Kolleg:innen oder als Gäste, und kann es demzufolge in keinster Weise nachvollziehen, wieso man Mitmenschen die Teilhabe, die Zugehörigkeit, den Respekt und die Toleranz verweigert.

    Liebe Grüße!

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