Familie, Psychologie

Boys don’t cry: Warum Jungs ihre Tränen doch brauchen! (Gastbeitrag)

Weinender kleiner Junge.


Jungs weinen nicht? Oder sollten zumindest nicht weinen? Warum das Blödsinn ist und was wir tun können, um unsere Söhne in all ihren Gefühlen – also auch in Trauer und Wut – zu unterstützen, darüber schreibt Eltern-Coach Miriam Maja Gass in ihrem Gastbeitrag. Übrigens bereits dem zweiten für mutter-und-sohn.blog: Hier geht’s zu ihrem ersten Artikel. Als Mutter von zwei Söhnen freue ich mich besonders, Miriam gerade zu diesem Thema willkommen zu heißen!

Weinen zu dürfen, stärkt dein Kind

Tränen der Wut, Tränen der Enttäuschung und Trauer. Tränen des Schmerzes und Tränen des Abschieds…

Wenn ich eins gern gewusst hätte, als mein Sohn noch klein war, wäre es: Wie wichtig Tränen sind! 

Und ja, mein Sohn hat viel geweint als er klein war. 

So wie alle kleinen Jungs und Mädchen viel weinen sollten! 

Hä? Viel weinen sollten? 

Jepp, es ist ein gutes Zeichen, wenn dein Sohn leicht zu seinen Tränen findet. 

Und es ist ein gutes Zeichen – und ein Kompliment an dich und deine Eltern-Kind-Beziehung, wenn dein Sohn sich dir mit seinen Tränen und seiner Verletzlichkeit anvertraut! 

Und klar – natürlich müssen wir diese Tränen als Eltern auch erst einmal aushalten!

Aber sieh es mal so: 

Tränen unterstützen deinen Sohn 

• angesammelten Stress und Spannung zu entladen und zur Ruhe zu kommen

• Frustrationstoleranz und Resilienz zu entwickeln

• emotionale Verletzungen und Verluste zu heilen

• ein weiches Herz zu bewahren und

• zu einem emotional gesunden und reifen Menschen heranzuwachsen.

Boys don’t cry? Schaffe deinem Kind einen Raum, in dem es ganz sich selbst sein darf

Doch immer noch wird in vielen Büchern oder Filmen oder auch durch Gleichaltrige hartnäckig vermittelt, was schon the Cure wußte: „Boys don’t cry“.

Gerade deswegen ist es aber wichtig, dass du deinem Sohn zu Hause etwas anderes vermittelst! 

Dass du deinem Sohn vermittelst, dass Euer Zuhause ein sicherer und beschämungsfreier Ort ist, um Tränen und Traurigkeit zu zeigen. 

Dass du ihm vermittelst, dass alle Emotionen – vor allem aber die verletztlichen Emotionen – zu uns Menschen gehören! 

Denn: Tränen und Trauer sind verletzliche Emotionen! 

Weitaus verletzlicher als Wut und Aggression.

Aus Jungs, die Empathie erhalten, werden Männer, die Empathie geben können

Möglicherweise zeigt dein Sohn vor allem Tränen der Wut statt Tränen der Trauer. 

Auch diese sind wichtig – vor allem wenn sie danach in die „weicheren“ Tränen der Trauer münden. 

Auch sie wollen begleitet und getröstet werden! 

Die Elternberaterin Lelia Schott schreibt dazu: „Wenn wir unsere Söhne mit ihren Tränen nicht mehr beschämen – sondern trösten würden: Vielleicht gäbe es dann weniger wütende und unempathische Männer auf dieser Welt….“ 

Es lohnt sich also…  

Mein Sohn weint nicht – was bedeutet das?

Und wenn du jetzt denkst: „Mein Sohn? Der hat schon sooo lange nicht mehr geweint…“

Dann hilft dir vielleicht, dich daran zu erinnern, dass manchmal Dinge schlichtweg zu groß sind, als dass wir sie fühlen können. 

Zum Beispiel: Wenn ein Elternteil schwer erkrankt. Oder das geliebte Haustier stirbt. 

Auch wenn dein Sohn sehr empfindsam ist, kann es sein, dass er nur selten weint – weil es sich zu verletzlich anfühlt und sein Gehirn sich gegen die Intensität der Emotion ein wenig panzert. 

Dann braucht es die Zuversicht, dass die Trauer sich vielleicht bei kleineren Schrammen, zu anderer Zeit oder an anderer Stelle zeigt. 

Tränen fließen nun mal nicht auf Knopfdruck…

Es braucht deine Geduld und deinen Weitblick

Was heißt das konkret? 

– Pflege und nähre einen warmen, fürsorglichen Beziehungsraum mit deinem Sohn.

– Schütze – wenn möglich – deinen Sohn vor Situationen und Kontakten, in denen er emotionaler Verletzung ausgesetzt ist.

– Lebe Offenheit für Verletzlichkeit vor und vermittle Verletzlichkeit als Stärke und Wert („es braucht mehr Kraft, Verletzlichkeit zu fühlen als cool zu sein!“).

– Lade deinen Sohn immer wieder mit seinen Emotionen ein – aber ohne Druck oder Drängen.

– Zeige Wertschätzung für den Ausdruck von Traurigkeit – sei es bei einem traurigen Film oder bei trauriger Musik.

Tränen sind nicht immer sichtbar – gerade im Teenageralter

Und: Möglicherweise sind die Tränen deines Sohnes vielleicht eher innerlich als äußerlich. 

So wie bei meinem Sohn, der jetzt ein Teenager ist. 

Da ist es eher die melancholische Stimmung und der traurige Ausdruck auf seinem Gesicht und in seiner Haltung, der mir zeigt: „Oooh – hier zeigt sich gerade eine Welle von Traurigkeit!“ 

Und jetzt braucht’s gaaanz viel Behutsamkeit.

Eher weniger als mehr Worte.

Eher das Antupfen der Emotion.

Und das energetische Wiegen und Trösten. 

Dieses Begleiten von Traurigkeit und Tränen wird bei jedem Kind – und in jedem Alter –anders aussehen. 

Du bist der Experte und die Expertin für dein Kind

Wichtig ist am Ende ja nur eins: Wenn ein Junge mit seiner Traurigkeit eingeladen ist und ihm Trost geschenkt wird – anstatt dass er für seine Tränen beschämt wird – dann stehen die Chancen sehr gut, dass dieser Junge zu einem emotional reifen und resilienten jungen Mann heranwachsen wird! 

Ein junger Mann, der fähig ist zu Fürsorglichkeit, Empathie und Rücksicht, nicht nur gegenüber seinen Mitmenschen –  sondern auch gegenüber unserer Erde.“

Wünschen wir uns diese Fähigkeiten nicht alle für unsere Kinder? Ich empfinde Miriams Gedanken als feinfühligen Impuls, uns zu fragen, wie wir eigentlich selbst zu Tränen, Trauer, Wut und der schutzbedürftigen Seite unserer Kinder stehen – und zu entsprechenden Gefühlen in uns selbst.

Mehr über die Gastautorin

Porträt Elterncoach Miriam Maja Gass

Miriam Maja Gass ist alleinerziehende Mutter eines 15jährigen Sohnes und arbeitet als Elterncoach online und in ihrer Praxis in Berlin-Prenzlauer Berg. Miriam hilft (Trennungs-) Eltern dabei, ihr Kind besser zu verstehen, selbstsicherer in ihrer Elternrolle zu sein und ihre Eltern-Kind-Beziehung zu stärken: kontakt@mmg-elterncoaching.de.

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[Fotos: Pixabay und Miriam Maja Gass]

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