Familie, Psychologie

„Mama weint!“ Wie viel unserer Gefühle sollten wir unseren Kindern zeigen? 

Grafik: Frau von hinten mit Gitarre am Meer


Was tust du, wenn du im Alltag als Mutter oder Vater spürst, dass deine Gefühle hochkochen? Ich nehme an, bei „angenehmen“ Gefühlen wie Freude, Stolz oder Begeisterung stellst du dir die Frage gar nicht und lebst sie einfach aus. Aber wie sieht es bei Gefühlen aus, die uns als Erwachsenen weniger willkommen sind? Trauer, Wut, Angst, Überforderung? Was leben wir durch unseren Umgang mit unseren Gefühlen unseren Kindern vor?

Eltern-Coach Miriam Maja Gass, die deutschlandweit Eltern in Erziehungs- und Bindungsfragen berät, hat dazu die folgenden interessanten Zeilen formuliert: 

Vier Dinge, die du dir von Piloten abschauen kannst

Wenn’s ums Thema elterliche Führung geht, können wir uns von den Damen und Herren im Cockpit einiges abschauen. 

Eine klare Hierarchie: Steigst du in ein Flugzeug, ist klar, dass nicht du als Passagier, sondern die beiden im Cockpit für die Zeit des Fluges in der Führung sind. Das ist ihr Job. Damit einher geht auch die Verantwortung für die Passagiere!

Klare Orientierung, keine Fragen: Aus dem Cockpit bekommen wir als Passagier klare Orientierung. Über Flugzeit, Flugstrecke und das Wetter am Ankunftsort. Fragen? Fehlansage! Ich jedenfalls bin noch nie während eines Fluges über meine Wunschstrecke befragt worden. Auch im Falle von Turbulenzen steht es nicht zur Diskussion, ob die Passagiere sich anschnallen oder lieber nicht.

Eine Haltung von Souveränität und Zuversicht: Egal ob bei Pilot, Chefärztin oder Reiseleiterin – es gibt sie einfach, die Haltung von Souveränität und Zuversicht, die uns glauben lässt: „Ich habs im Griff. Ich weiß, was ich tue. Du darfst dich entspannen…“ Eine ruhige, feste Stimme trägt zu dieser Haltung bei!

Last but not least: Ein Verbergen eigener Bedürfnisse, Ängste und Unsicherheiten: „Hier spricht der Kapitän – heute gehts mir leider gar nicht gut. Ich bin erschöpft von den letzten Wochen. Mal schauen wie der Flug heute so wird.“  Oder: „Aufgrund der momentanen Turbulenzen haben wir eine ziemlich brenzlige Situation – ich bin unsicher, was wir jetzt am besten machen sollten…“ Wie würdest du dich als Passagier fühlen?
All das lässt sich übertragen auf deine Elternschaft.

Je selbstverständlicher du dich an den Platz elterlicher Führung stellst, desto sicherer fühlt sich dein Kind.

Und nur zur Klärung: Hier geht’s natürlich nicht um ein Zurück zu einem autoritären Erziehungsstil von Befehl und Gehorsam.

Das Herzstück gelungener Elternschaft ist und bleibt Beziehung und Bezogenheit. Aber den Führungsaspekt dürfen wir dabei nicht aus den Augen verlieren.

Elterliche Führung – Kinder brauchen sie

Ich erkenne in diesem Zitat Jesper Juuls Forderung nach elterlicher Führung („Leitwolf sein“). Einen Aspekt von Elternschaft, den ich selbst wichtig finde. Ich bin der Meinung, Kinder brauchen Erwachsene, die klare Entscheidungen treffen, mit Blick auf ihre Bedürfnisse, aber doch nicht immer durch ihre momentanen Wünsche gelenkt. Die Weisungsbefugnis – und zugleich Verantwortung – liegt eben bei den Eltern – oder Pilot:innen, um in Miriams Metapher zu bleiben. 

Dennoch stutze ich an der Stelle, wo Miriam Maja Gass als Eltern-Coach über das Verbergen elterlicher Gefühle spricht. Vielleicht auch, weil meine Kinder meine eigenen Gefühle in nicht geringem Maße mitbekommen? Freude, Begeisterung, aber eben auch mal Wut und offen geäußerte Überforderung. Sollte ich das alles in Zukunft „runterschlucken“, mich mehr beherrschen? 

Wie gehe ich als Mutter – oder Vater – mit eigenen starken Gefühlen um?

Nun, ich kann gut nachempfinden, was Miriam meint: Zeigen wir unseren Kindern, dass unsere Gefühlen uns überwältigen und lassen dies ohne weitere Erklärung stehen, wird sie das verunsichern, gibt ihnen im schlechtesten Fall sogar das Gefühl, Schuld an unserem Gefühlsausbruch und damit irgendwie falsch zu sein. Das kann also tatsächlich nicht der Weg sein. 

Aber deswegen unsere Gefühle überspielen, unsichtbar machen? Eben „verbergen“? Auch das sehe ich, ehrlich gesagt, nicht als gutes Vorbild für unsere Kinder an. Oder sollen sie lernen, dass „alles möglichst immer im Griff zu haben“ der Maßstab ist – und falls nicht, ist da unserer Aussage nach „nichts“, obwohl sie – da bin ich ziemlich sicher – unsere innere Anspannung spüren?

Als Eltern verschenken wir dadurch die wichtige Möglichkeit, uns sichtbar zu machen. Eben gerade auch, wenn es für uns selbst schwierig wird. 

Sichtbar werden schafft Verbindung

Was wir meiner Meinung nach statt dessen unseren Kindern zeigen können, ist, dass starke Gefühle – und gerade die oft als negativ empfundenen Empfindungen wie Trauer, Wut oder Angst – zum Leben dazugehören. Dass wir als Erwachsene aber auch Wege finden, mit ihnen umzugehen. Eben gerade, indem wir unsere Gefühlen selbst nicht fürchten. 

Als Eltern hatten wir vielleicht nur die Vorbilder, Gefühle zu relativieren oder ganz zu unterdrücken. Aber auch damals als Kinder haben wir sicher bereits gemerkt: hier stimmt etwas nicht, hier ist jemand nicht ehrlich und authentisch. Und haben intuitiv gefordert: Macht euch sichtbar, geht in Verbindung!

Das nämlich geschieht, wenn ich meinen Kindern gegenüber meine Gefühle zeige, ohne ihnen umgekehrt die Verantwortung dafür aufzubürden. „Ich bin traurig, weil Papa und ich uns gestritten haben. Dafür kannst du aber nichts.“ „Ich bin echt wütend, weil ihr meine Lieblingsvase vom Fensterbrett gestoßen habt. Lasst mich kurz in Ruhe, ich muss mich erst beruhigen. Ich habe euch trotzdem lieb!“ „Ja, du merkst das richtig, ich bin wirklich angestrengt / besorgt / gestresst gerade. Du kannst dich hier ruhig neben mich setzen oder einen Moment für dich spielen. Ich mache mir einen Kaffee und beruhige mich selbst wieder!“

Ihr müsst nicht allein durch Turbulenzen steuern!

Sätze wie diese drücken meiner Meinung nach einen tatsächlich souveränen Umgang mit unseren Gefühlen aus. Wir zeigen unseren Kindern damit: auch starke Gefühle brauchst du nicht zu fürchten, sie dürfen da sein und es gibt Wege, wie du mit ihnen umgehen kannst!

In diesem Sinn: Zeigt euch. Und tragt dabei dennoch die Verantwortung als (Eltern-) Piloten. Wenn ihr euer Familienflugzeug gerade nicht alleine steuern könnt, sucht euch Hilfe. Auch das übrigens ein guter Umgang mit unseren Gefühlen, auch als Vorbild für unsere Kinder. Turbulenzen sind normal und wir brauchen nicht allein, unerschütterlich und ungerührt durch die hindurch zu steuern!

Herzlichen Gruß, Sarah Zöllner (mutter-und-sohn.blog)

Die Autorin ist freie Journalistin, Autorin für Familien- und Gesellschaftsthemen sowie Mutter eines Kindergarten- und eines Grundschulkindes.

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[Foto: Pixabay]

4 Gedanken zu „„Mama weint!“ Wie viel unserer Gefühle sollten wir unseren Kindern zeigen? “

  1. Ich bin auch sehr über den Punkt „Verbergen eigener Ängste, Bedürfnisse und Unsicherheiten“ gestolpert – und finde es sehr gut, dass du diesen Punkt ebenfalls anders siehst, als Miriam Maja Gass!!

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    1. Danke für deinen Kommentar! Ja, wobei mir wichtig ist, zu sagen, dass ich Miriam als sehr emphatische und reflektierte Gesprächspartnerin wahrnehme und auch vermute, dass es ihr bei der Aussage eher darum geht, seinen Kindern durch eigene Sicherheit Halt zu geben. Mir ist umgekehrt aber wichtig, zu zeigen: auch als Eltern müssen wir nicht unerschütterlich sein – und es kann sogar ein Gewinn sein, wenn wir unsere starken Gefühle zeigen. Wenn wir zugleich unseren Kindern vorleben, wie man mit ihnen in guter Weise umgehen kann. Das zu lernen, ist dann wieder unsere Aufgabe als Eltern… 😉

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    2. Ich wollte mit meinem Kommentar selbstverständlich keine Kritik an Miriam als Person zum Ausdruck bringen! Wie du auch finde ich es aber gerade wichtig, dass Menschen nicht versuchen, ihre Ängste, Gefühle, Unsicherheiten und Bedürfnisse vor anderen zu verbergen (nicht nur bezüglich der eigenen Kinder, die meist ohnehin irgendwo im Inneren spüren, wenn etwas „unecht“ ist).
      Herzlichen Gruß an dich
      Maren

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    3. Hallo Maren!

      Sorry, tatsächlich habe ich erst jetzt deinen Kommentar gelesen…danke für deine Offenheit!

      Was ich damit ausdrücken möchte ist: Es geht eher um die Haltung. Die Haltung von Souveränität, von Zuversicht, von Vertrauen. Genau wie Sarah auch geschrieben hat.

      Und vielleicht ist das „Verbergen“ tatsächlich auch zu stark als Wort. Besser: Vorsichtig sein mit dem Teilen von Unsicherheiten, Ängsten, Bedürfnissen. Vor allem wenn dein Kind sehr empfindsam und leicht alarmiert ist.

      Gleichzeitig finde ich Authentizität und einen guten Umgang mit starken Gefühlen vorzuleben sehr wichtig! Wie so viele Situationen als Eltern ist das immer wieder – je nach Kind und je nach Situation abzuwägen. Da passt das Pilotenbeispiel dann nicht mehr so gut 😉

      Ich hoffe, das hilft ein wenig zur Klärung…herzlich Miriam

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