„Schriftliche, in einem Umschlag übersandte Mitteilung“. „Schriftstück, das Informationen zwischen Personen und anderen Entitäten austauscht“. – So beschreiben der Duden und Wikipedia ihn.
Organisation und Muße
Wann hast du das letzte Mal einen Brief geschrieben? Briefe schreiben berührt die Sinne. Wo eine Mail schnell getippt – und verschickt – ist, fordert ein Brief Organisation (Briefmarke, Stift, Papier), Muße und Konzentration. Meine allerersten Briefe bestanden aus nur wenigen Worten, hingemalt auf Blumenkarten: „Liebe Tante R. Ich hoffe, es geht dir gut! Danke für das schöne Geschenk, Deine S.“
Einen Brief zu schreiben bedeutet, innerlich sortiert zu sein. Kein Copy and Paste, kein Umstellen der Absätze mit zwei Klicks: was einmal dasteht, muss sichtbar gelöscht und ausradiert werden oder fordert bei Missfallen gleich einen neuen Bogen Papier. Papier und Stift sind ein forderndes Medium: nicht umsonst schrecken selbst passionierte Briefeschreiber vor Handschriftlichem zurück. Wer mit der Hand schreibt, entblößt sich ein Stück weit selbst: Schriftneigung, Größe und Schwung der Buchstaben, auch der Raum, den einer auf dem weißen Bogen einzunehmen wagt, sagen viel über den Schreibenden aus. Nicht umsonst versteht sich die Graphologie, die Lehre der Schriftdeutung, als eigene Wissenschaft. Und viel zu viele haben wohl noch das Urteil „Sauklaue“ im Kopf, wenn sie an ihre Handschrift denken oder betrachten ihre ‚Handschrift der Wenigschreiber’ (kindlich und schulgeprägt) mit Skepsis.
Ein besonderes Geschenk
Ich selbst schreibe Briefe als besonderes Geschenk an Menschen, die mir wichtig sind und widme ihnen auf diese Weise meine Muße und Konzentration. Als Jugendliche habe ich mehrere Jahre lang Brieffreundschaften geführt und als junge Erwachsene eine Liebe erlebt, die ihren Ausdruck vor allem in Briefen gefunden hat – im direkten Kontakt war ich noch viel zu befangen, um mich ähnlich frei und offen zu zeigen. Meine Mutter pflegt bis heute (Brief-) Freundschaften, die teilweise über Jahrzehnte Bestand haben. In der Adventszeit schreibt sie ein Dutzend Briefe und jedes Weihnachten staune ich wieder über die Galerie liebevoll gestalteter Karten und Briefe, die als Antwort den Weg zu ihr zurückgefunden haben!
Briefe zu schreiben erscheint mir heutzutage, wo bereits die Festnetznummer für viele privat ist, auch ein bewusster Akt der Intimität zu sein: ich kenne Anschrift und vollen Namen meines Gegenübers, was in Zeiten von mobiler Kommunikation und Skype-Kontakt nicht selbstverständlich ist. Zudem zeige ich durch meine Handschrift und die Gestaltung meines Briefes doch weit mehr von mir, als ich es mit einer E-Mail täte. Einen handgeschriebenen Brief zu bekommen ist dementsprechend etwas Besonderes: Ich setze mich bewusst hin, öffne ihn und schenke mir selbst während des Lesens einen Augenblick der Freude und Kontemplation:-)
Hast du Lust bekommen, einen handgeschriebenen Brief zu bekommen? Dann schreibe doch selbst mal wieder einen Brief! Gerne auch mir, ich schreibe zurück: kontakt@mutter-und-sohn.blog! 🙂
P.S. In meinem Blog habe ich bereits einen Brief in Buchform vorgestellt. Der französische Philosoph André Gorz widmet sein Schreiben der Frau, mit der er fast 60 Jahre seines Lebens in Liebe verbunden war. Die Rezension findet ihr hier.